Lösung 1 - AGB - Zivilrecht VI
Lösung 1 - AGB - Zivilrecht VI
Lösung 1 - AGB - Zivilrecht VI
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
1<br />
Prof. Dr. Diethelm Klippel Sommersemester 2008<br />
Tutorien zum Schuldrecht<br />
1. Arbeitspapier für die Tutoren:<br />
Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />
Die Verwendung vorformulierter Vertragsbedingungen, die von einer Partei der anderen auferlegt<br />
werden, bildet eine weit verbreitete Erscheinung unseres Geschäftslebens.<br />
Ziele der Verwendung von <strong>AGB</strong><br />
- Die Verwendung von standardisierten Vertragsbedingungen ermöglicht eine Rationalisierung<br />
und Standardisierung des Geschäftsverkehrs, wie sie bei massenhaften Vertragsbeziehungen<br />
in einer Industriegesellschaft unentbehrlich ist.<br />
- Lückenausfüllungsfunktion: <strong>AGB</strong> schaffen einheitliche und detaillierte Regelungen<br />
und dienen so der Rechtsklarheit in den Leistungsbeziehungen, v.a. bei solchen Vertragstypen,<br />
für die die Rechtsordnung keine oder keine zureichenden dispositiven Regelungen<br />
bereitstellt (z.B. bei Bank-, Leasing-, Franchising oder Bauträgerverträgen).<br />
- Der wichtigste Grund für die Verwendung von <strong>AGB</strong> ist die Risikoabwälzung. Praktisch<br />
alle <strong>AGB</strong> sind von dem Bestreben geprägt, die Rechte der Unternehmen zu stärken<br />
und die des Kunden zu schmälern.<br />
Dies ist bedenklich, wenn der andere Teil geschäftsunerfahren und ist und sich gegen<br />
die Geschäftsbedingungen praktisch nicht wehren kann, will er mangels zumutbarer<br />
Ausweichmöglichkeit nicht auf den Vertragsschluss ganz verzichten. Gegenüber den<br />
Unternehmern verfügt der einzelne Endverbraucher oft nicht über die Rechtskenntnisse,<br />
um dem einseitigen Diktat Widerstand zu leisten oder er ist wirtschaftlich zu<br />
schwach.<br />
Schutzweck der §§ 305 ff<br />
Um dieses Ungleichgewicht zu neutralisieren, existieren die Regeln der §§ 305 ff BGB.<br />
Denn eine sozialstaatliche Ordnung (Art. 20, 28 GG) muss auch für Verträge, die unter Verwendung<br />
von <strong>AGB</strong> geschlossen werden, ein ausreichendes Maß an Vertragsgerechtigkeit<br />
sicherstellen.<br />
Schutzzweck der <strong>AGB</strong>-Gesetzgebung ist die Abwehr typischer Gefahren für das Vertragsgleichgewicht<br />
durch die einseitige Inanspruchnahme der Gestaltungsfreiheit, und zwar unabhängig<br />
von der Schutzbedürftigkeit des Vertragspartners im konkreten Einzelfall und ohne<br />
Rücksicht auf das wirtschaftliche oder intellektuelle Über- oder Untergewicht im Verhältnis<br />
der Parteien.<br />
Dieser notwendige Schutz gegen missbräuchliche <strong>AGB</strong> hat zum Erlass des <strong>AGB</strong>G vom<br />
9.12.1976 geführt. Seit dem 1.1.2002 sind die materiellrechtlichen Teile des <strong>AGB</strong>G ins<br />
Schuldrecht übernommen worden (§§ 305 - 310 BGB).
2<br />
Überprüfung der Geltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen für einen konkreten Vertrag<br />
1. Eröffnung des Anwendungsbereichs der §§ 305 ff BGB<br />
a) Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich<br />
Der Vertragsschluss muss in den sachlichen (§§ 305a, 308 Nr. 5, 309 Nr. 7-9, 310 II, IV) und<br />
persönlichen Anwendungsbereich (§ 310 I BGB) des Abschnitts über die <strong>AGB</strong> fallen.<br />
b) Handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen, § 305 I 1 BGB? (Begrifflicher Anwendungsbereich)<br />
aa) Vertragsbedingungen sind rechtsgeschäftliche Regelungen, die den Vertragsinhalt gestalten<br />
sollen.<br />
bb) Vorformuliert sind die Geschäftsbedingungen, wenn sie für eine mehrfache Verwendung<br />
schriftlich aufgezeichnet oder in sonstiger Weise (z.B. Computer, Tonband) fixiert sind. Die<br />
Vertragsbedingungen müssen vor dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses fertig bereit liegen,<br />
sie dürfen nicht ad hoc entworfen werden.<br />
cc) Die Vertragsbedingungen müssen für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt worden<br />
sein.<br />
Dazu müssen 3-5 Verwendungen vom Verfasser der Vorformulierung beabsichtigt sein.<br />
Schon mit dem ersten Anwendungsfall liegen <strong>AGB</strong> vor, wenn weitere Verwendungen vorgesehen<br />
sind.<br />
Bei Verbraucherverträgen können wichtige Vorschriften des Abschnitts über die <strong>AGB</strong> auch<br />
dann anwendbar sein, wenn die Vertragsbedingungen nur zu einer einmaligen Verwendung<br />
bestimmt sind, § 310 III Nr. 2 BGB.<br />
dd) Die Vertragsbedingungen müssen von einer Vertragspartei der anderen bei Vertragsschluss<br />
gestellt worden sein. Der Verwender muss die Bedingungen nicht selbst formulieren<br />
(„aufstellen“), es genügt vielmehr die Verwendung von vorformulierten Vertragsbedingungen.<br />
Das „Stellen“ setzt aber voraus, dass die <strong>AGB</strong> einseitig auferlegt werden oder zumindest auf<br />
einseitiger Initiative beruhen, ohne dass eine Einigung auf ein Vertragsformular stattfindet.<br />
Bei Verbraucherverträgen gelten die allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich als<br />
vom Unternehmer gestellt, § 310 III Nr. 1 BGB.<br />
ee) Kein Aushandeln im Einzelnen, § 305 I 3 BGB<br />
Soweit eine Individualvereinbarung zwischen den Parteien vorliegt, liegen keine <strong>AGB</strong> vor.<br />
(Vgl. dazu <strong>Lösung</strong> Fall 1)<br />
2. Einbeziehung der <strong>AGB</strong> in den Vertrag, § 305 II, III BGB<br />
a) Für die Einbeziehungsvereinbarung müssen drei Voraussetzungen kumulativ vorliegen:<br />
aa) Hinweis auf die <strong>AGB</strong>, § 305 II Nr.1 BGB<br />
Den Verwender trifft zunächst die Hinweispflicht des § 305 II Nr. 1 BGB. Dieser Hinweis<br />
muss ausdrücklich, d.h. klar, unmissverständlich und auffällig sein, so dass er von einem
3<br />
Durchschnittskunden nicht übersehen werden kann. Der bloße Abdruck der <strong>AGB</strong> auf der<br />
Rückseite des Vertrags genügt nicht, es sei denn auf der Vorderseite erfolgt ein deutlicher<br />
(farbiger oder fettgedruckter) Hinweis.<br />
– Der Hinweis muss bei Vertragsschluss erfolgen (Abdruck auf Eintritts-, Fahrkarte oder<br />
Flugticket genügt nicht, weil diese erst nach Vertragsschluss ausgehändigt werden)<br />
– Ausnahmsweise genügt der deutlich sichtbare Aushang am Ort des Vertragsschlusses,<br />
wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter verhältnismäßigen<br />
Schwierigkeiten möglich ist, § 305 II Nr. 1 BGB, so z.B. bei automatisierten Massengeschäften<br />
ohne persönlichen Kontakt zum Verwender (Beförderungsverträge, Parkhausbenutzung,<br />
Schließfächer, Karten- und Warenautomaten).<br />
bb) Möglichkeit der Kenntniserlangung in zumutbarer Weise (§ 305 II Nr. 2 BGB).<br />
Die Vertragsbedingungen müssen für einen Durchschnittskunden mühelos lesbar, ohne Anstrengung<br />
verständlich (Laienhorizont), einigermaßen übersichtlich und der Bedeutung des<br />
Geschäfts umfangsmäßig angepasst sein.<br />
cc) Einverständnis des Vertragpartners, § 305 II Hs. 2 BGB<br />
Die Einverständniserklärung (§§ 145 ff BGB) kann konkludent erfolgen und ist regelmäßig<br />
zu bejahen, wenn es zum Vertragsschluss kommt.<br />
b) Sonderform der Einbeziehung: Rahmenvereinbarungen, § 305 II, III BGB, nach denen für<br />
bestimmte Geschäfte im Voraus <strong>AGB</strong>s vereinbart wurden. Dazu ist ein über die Einbeziehung<br />
im Einzelfall hinausgehender Wille erforderlich (Bsp.: „Bei Aufnahme einer Bankverbindung<br />
gelten für alle künftigen Geschäfte die Bankbedingungen.“).<br />
3. Ausschluss überraschender Klauseln (§ 305c I BGB)<br />
Die <strong>AGB</strong> werden nicht Vertragsbestandteil, wenn eine Klausel vorliegt, die so ungewöhnlich<br />
ist, dass der Vertragspartner mit ihr nach den gesamten Umständen nicht zu rechnen braucht.<br />
Dabei muss zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen<br />
und dem tatsächlichen Inhalt der <strong>AGB</strong> ein deutlicher Widerspruch bestehen. Damit soll verhindert<br />
werden, dass Klauseln in einem unübersichtlichen Vertrag versteckt werden, wo sie<br />
nicht zu erwarten sind. Ungelesen ist nur das akzeptiert, was sich im Rahmen des Üblichen<br />
bewegt. Außergewöhnliche Klauseln gehören nicht in die <strong>AGB</strong>, sondern in den Vertragstext<br />
selbst. Maßgebend ist, ob der Klausel ein „Überrumpelungseffekt“ innewohnt. Dieser Überraschungseffekt<br />
kann sich aus dem Inhalt oder aus dem Erscheinungsbild (unerwartete Stelle<br />
im Vertragstext) der Klausel ergeben.<br />
4. Auslegung der <strong>AGB</strong>, Unklarheitenregel (§ 305c II BGB)<br />
Vorrangig vor der Inhaltskontrolle der allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgt die Auslegung<br />
der Klausel.<br />
a) Da <strong>AGB</strong> keine Rechtsnormen sind, greifen die für Gesetze geltenden Auslegungsmethoden<br />
nicht ein.<br />
Vielmehr ist der Inhalt der <strong>AGB</strong> nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Dabei<br />
ist auf den Verständnishorizont eines Durchschnittskunden abzustellen. Da <strong>AGB</strong> üblicherweise<br />
einer Vielzahl von Geschäftspartnern gegenüber verwendet werden, die sehr unterschiedliche<br />
Kenntnisse und Geschäftserfahrungen haben, kann auf den individuellen Ver-
4<br />
ständnishorizont nicht abgestellt werden. Andernfalls könnten dieselben <strong>AGB</strong> dem einen<br />
Vertragspartner gegenüber anders ausgelegt werden als dem anderen.<br />
b) Unklarheitenregel, § 305c II BGB<br />
Danach ist die für den Kunden günstigere Auslegung maßgeblich, wenn nach Ausschöpfung<br />
der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden mindestens zwei Auslegungsvarianten<br />
verbleiben.<br />
Bei der Inhaltskontrolle ist zunächst zu prüfen, ob die Klausel bei kundenfeindlichster Auslegung<br />
unwirksam ist. Erweist sich die Klausel in diesem ersten Auslegungsschritt als wirksam,<br />
gilt die kundenfreundlichste Auslegung.<br />
5. Vorrang der Individualabrede (§ 305b BGB)<br />
Haben die Parteien eine individuelle Vertragsabrede getroffen und steht diese im Widerspruch<br />
zu einer Klausel der <strong>AGB</strong>, so hat diese speziell vereinbarte Regel Vorrang vor den<br />
vorformulierten Vertragsbedingungen.<br />
Diese Auslegungsregel greift für Klauseln, die schon Vertragsinhalt geworden sind (im Gegensatz<br />
dazu schließt § 305 I 3 BGB die Anwendbarkeit der §§ 305 ff BGB aus).<br />
6. Inhaltskontrolle der <strong>AGB</strong><br />
Außerdem müssen die <strong>AGB</strong> der richterlichen Inhaltskontrolle stand halten (§§ 307-309, 310<br />
III Nr. 3)<br />
a) Kontrollfähigkeit der Bestimmung<br />
aa) Gem. § 307 III 1 BGB unterliegen alle Bestimmungen, die durch dispositives Gesetzesrecht<br />
geregelt sind oder geregelt, abgeändert bzw. ergänzt werden können, der Inhaltskontrolle<br />
gem. §§ 307 I, II, 308, 309. Folglich sind Hauptleistungspflichten nicht kontrollierbar. Der<br />
Inhaltskontrolle ebenfalls entzogen sind bloße Leistungsbeschreibungen, Preisvereinbarungen<br />
sowie gesetzeswiederholende (deklaratorische) Klauseln.<br />
bb) Unterliegt eine Klausel nicht der vollen Inhaltskontrolle, führen Verstöße gegen das<br />
Transparenzgebot aus § 307 I 2 gem. § 307 III 2 BGB gleichwohl zur Unwirksamkeit.<br />
b) Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit (§ 309 BGB)<br />
Vertragsbestimmungen, die dagegen verstoßen sind uneingeschränkt unwirksam. Das Gericht<br />
beschränkt sich auf die bloße Subsumtion der Einzelvorschrift ohne eine Interessenabwägung<br />
im Einzelfall vorzunehmen.<br />
c) Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit, § 308 BGB<br />
Gegen § 308 BGB verstoßende Vertragsbedingungen sind unwirksam, falls eine Wertung die<br />
Verwirklichung des Tatbestandes ergibt. Die Feststellung der Unwirksamkeit bedarf wegen<br />
der Verwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe einer richterlichen Wertung.<br />
d) Generalklausel (§ 307 BGB)
5<br />
aa) Vorab sind die gesetzlichen Regelbeispiele des § 307 II BGB, die die Generalklausel<br />
konkretisieren, zu prüfen. In diesen Fällen ist im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung<br />
zu bejahen.<br />
(1) § 307 II Nr. 1 BGB<br />
Der Grundgedanke dieser Norm ist, dass das dispositive Recht nicht nur der Ausfüllung von<br />
Vertragslücken dient, sondern auch Leitbild einer ausgewogenen und gerechten Vertragsgestaltung<br />
ist (Ordnungs- und Leitbildfunktion der Vorschriften des dispositiven Rechts)<br />
(2) § 307 II Nr. 2 BGB<br />
Die Vorschrift meint die Einschränkung von Hauptpflichten sowie Nebenpflichten, die für<br />
den Kunden von wesentlicher Bedeutung sind. Daneben dient § 307 II Nr. 2 BGB auch der<br />
Inhaltskontrolle bei atypischen, gesetzlich nicht geregelten Verträgen, bei denen wesentliche<br />
Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung i.S.d. § 307 II Nr. 1 BGB nicht vorhanden sind.<br />
bb) Ist kein Regelbeispiel gem. § 307 II BGB gegeben, so ist über die Angemessenheit der<br />
Klausel gem. § 307 I BGB durch eine Interessenabwägung zu entscheiden.<br />
Die Geschäftsbedingung ist unwirksam, soweit der Vertragspartner dadurch unangemessen<br />
benachteiligt wird. Das ist der Fall, „wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung<br />
missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht,<br />
ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm<br />
einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen“ (BGH NJW 2000, 1110, 1112).<br />
Eine unangemessene Benachteiligung liegt jedenfalls vor, wenn beiderseitige Rechte, Pflichten,<br />
Risiken nicht unbedeutend zu Lasten einer Partei verschoben werden.<br />
cc) Eine unangemessene Benachteiligung kann auch darin liegen, dass eine <strong>AGB</strong>-<br />
Bestimmung nicht klar und verständlich ist, § 307 I 2 BGB (Transparenzkriterium).<br />
7. Rechtsfolgen bei Verstoß einer Klausel gegen §§ 307 – 309 BGB (§ 306 BGB)<br />
a) Unwirksamkeit der Klausel, § 306 I BGB<br />
aa) Grundsätzlich ist die Klausel insgesamt unwirksam<br />
bb) Eine geltungserhaltende Reduktion, d.h. die Aufrechterhaltung der unzulässigen Klausel<br />
in das gerade noch mit dem Gesetz zu vereinbarenden Maß, ist verboten. Die Klausel ist<br />
gänzlich unwirksam. Hierfür spricht der Wortlaut der §§ 307 – 309 („ist unwirksam“)<br />
cc) Enthält die Klausel neben der unwirksamen Bestimmung auch inhaltlich unbedenkliche<br />
Bestimmungen, die aus sich heraus verständlich und sprachlich und inhaltlich teilbar sind, so<br />
bleiben diese wirksam. Voraussetzung ist, dass die unwirksame Bestimmung einfach weggestrichen<br />
werden kann (sog. blue-pencil-test).<br />
b) Im übrigen Wirksamkeit des Vertrages, § 306 I BGB<br />
- § 306 ist lex specialis zu § 139 BGB.<br />
- Die Rechtsfolge des § 139 BGB (Gesamtnichtigkeit des Rechtsgeschäfts bei Nichtigkeit<br />
eines Teils eines Rechtsgeschäfts) passt für <strong>AGB</strong> nicht. Sie berücksichtigt das Schutzbedürfnis<br />
des Kunden nicht, der in der Regel an der Aufrechterhaltung des Vertrags interessiert ist.
6<br />
c) Ausnahmsweise Gesamtnichtigkeit<br />
- Bei unzumutbarer Härte, § 306 III BGB<br />
- Gesamtnichtigkeit tritt auch ein, wenn nach Wegfall der <strong>AGB</strong> ein weder durch dispositives<br />
Recht noch durch ergänzende Vertragsauslegung sinnvoll auszufüllender Vertragsrest verbleibt.<br />
d) Vertragsinhalt richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 306 II)<br />
Zulässig ist allerdings eine ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157, 242 BGB) zur<br />
Schließung einer verbleibenden Vertragslücke. Wenn konkrete dispositive Vorschriften zur<br />
Lückenfüllung gem. § 306 II BGB nicht vorhanden sind und die ersatzlose Streichung zu<br />
keinem angemessenen Interessenausgleich führt, ist zu fragen, welche Regelung die Parteien<br />
bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen getroffen hätten, wenn sie die<br />
Unwirksamkeit der Klausel gekannt hätten.<br />
<strong>Lösung</strong> Fall 1:<br />
I. K könnte einen Anspruch gegen V auf Schadensersatz in Höhe von 15000 Euro gem. §<br />
536a I BGB haben.<br />
1. Voraussetzung ist ein wirksamer Mietvertrag gem. § 535 BGB zwischen V und K.<br />
Das Anbieten des VW-Bullis durch V könnte ein Vertragsangebot darstellen. In dem Verlangen<br />
des K nach Streichung der Klausel ist jedoch eine abändernde Annahme zu sehen, die<br />
gem. § 150 II BGB als neuer Antrag gilt. Diesen hat V konkludent durch die Aushändigung<br />
der Autoschlüssel und der Fahrzeugpapiere akzeptiert. Folglich wurde ein wirksamer Mietvertrag<br />
geschlossen.<br />
2. Ferner müsste ein Mangel der Mietsache i.S.d. § 536 I BGB vorliegen.<br />
Mangel ist eine für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache<br />
vom vertraglich vorausgesetzten. Da das Auto mit einem Wartungsfehler behaftet ist<br />
und sich ein Hinterrad löst, liegt ein solcher Mangel vor, der auch die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen<br />
Gebrauch erheblich mindert (§ 536 I 3 BGB).<br />
3. Da dem Autoverleih ein Wartungsfehler unterlaufen war, ist dieser Mangel bereits bei<br />
Vertragsschluss vorhanden.<br />
4. Rechtsfolge: Garantiehaftung des V gem. § 536a I Alt. 1 BGB.<br />
5. Ein gesetzlicher Ausschluss der Mängelrechte wegen Kenntnis des Mieters vom Mangels<br />
gem. § 536b ist nicht gegeben.<br />
6. Da V wollte, dass der Haftungsausschluss Vertragsinhalt wird, könnte der Schadensersatzanspruch<br />
vertraglich durch die Klausel wirksam ausgeschlossen worden sein.<br />
Mangels Arglist steht auch § 536d BGB der Freizeichnungsklausel nicht entgegen.<br />
Dem Haftungsausschluss könnten jedoch die §§ 305 ff BGB entgegenstehen. Fraglich ist, ob<br />
die Klausel wirksam vereinbart und mit welchem Inhalt der Vertrag geschlossen wurde.
7<br />
a) Der Vertragsschluss fällt uneingeschränkt in den sachlichen (§§ 305a, 308 Nr. 5, 309 Nr.<br />
7-9, 310 II, IV) und persönlichen Anwendungsbereich (§ 310 I BGB) des Abschnitts über die<br />
<strong>AGB</strong>.<br />
b) Bei der Klausel müsste es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handeln, § 305 I 1<br />
BGB.<br />
Da das Klauselwerk den Vertragsinhalt gestalten soll und V mehrfache Verwendung der auf<br />
den Vertragsrückseiten schriftlich aufgezeichneten Klauseln vorsehen wird, handelt es sich<br />
um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen. Bei diesem Verbrauchervertrag,<br />
wären wichtige Vorschriften der §§ 305 ff BGB anwendbar, selbst wenn die<br />
Vertragsbedingungen nur zu einer einmaligen Verwendung bestimmt wären, § 310 III Nr. 2<br />
BGB.<br />
Das Klauselwerk wird dem Verbraucher K einseitig von V auferlegt, folglich gestellt (Vgl. §<br />
310 III Nr. 1 BGB). Mithin liegen <strong>AGB</strong> vor.<br />
Soweit eine Individualvereinbarung zwischen den Parteien vorliegt, sind die §§ 305 ff BGB<br />
unanwendbar, § 305 I 3 BGB.<br />
Da vorliegend eine Diskussion über die Klausel erfolgt ist, kommt eine Individualabrede in<br />
Betracht. Fraglich ist, welche Anforderungen an das „Aushandeln im Einzelnen“ zu stellen<br />
sind.<br />
Die Auslegung dem Wortlaut der Norm nach ergibt, das Aushandeln mehr als verhandeln<br />
meint.<br />
Nach Auffassung des BGH liegt ein Aushandeln vor, wenn der Verwender die vorformulierten<br />
Vertragsbedingungen ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit<br />
zur Wahrung seiner eigenen Interessen einräumt mit der realen Möglichkeit,<br />
die inhaltliche Gestaltung der Vertragsbestimmungen beeinflussen zu können.<br />
Dafür genügt es nicht, dass der anderen Vertragspartei die vorformulierten Klauseln im einzelnen<br />
dargelegt und eingehend erläutert werden.<br />
Vorliegend hat sich V nicht ernsthaft zur Änderung einzelner Klauseln bereiterklärt. Er will<br />
auf den Haftungsausschluss nicht verzichten und geht nur zum Schein auf die Verhandlung<br />
ein. Da K zu keinem Zeitpunkt auf den Inhalt des Vertrags einwirken konnte, liegt kein<br />
Aushandeln vor.<br />
In der Literatur wird ernsthafte Verhandlungsbereitschaft und die Übernahme der Klausel<br />
vom rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen beider Geschäftspartner gefordert.<br />
Da V nicht ernsthaft bereit ist, seine Vertragsbedingungen zu ändern, sondern dies nur zum<br />
Schein tut, ist auch nach dieser Auffassung kein Aushandeln gegeben.<br />
Einer anderen Auffassung zufolge ist für Aushandeln i.S.d. § 305 I 3 BGB die tatsächliche<br />
Abänderung des vorformulierten Texts notwendig, da Aushandeln im Gegensatz zum Verhandeln<br />
einen Erfolg voraussetzt.<br />
Hier wurde der Vertragstext nicht geändert, also liegt auch demnach kein Aushandeln vor.<br />
Folglich ist nach allen Auffassungen die Klausel nicht als Individualvereinbarung, sondern<br />
als <strong>AGB</strong> Vertragsbestandteil geworden.
c) Zudem müssen für das Klauselwerk die Voraussetzungen des § 305 II BGB erfüllt sein.<br />
8<br />
Es müsste eine Einbeziehungsvereinbarung (§ 305 II, III BGB) gegeben sein.<br />
Für die Hinweispflicht aus § 305 II Nr. 1 BGB genügt der bloße Abdruck der <strong>AGB</strong> auf der<br />
Rückseite des Vertragsformulars nicht.<br />
Ein ausdrücklicher Hinweis des V auf die <strong>AGB</strong> ist nicht erfolgt. Trotz bloß zufälliger Entdeckung,<br />
ergibt sich jedoch aus den Vertragsverhandlungen, dass die Haftungsklausel gelten<br />
soll. Zudem konnte K in zumutbarer Weise Kenntnis von den Klauseln erlangen (§ 305 II Nr.<br />
2 BGB) und er hat sich durch die Entgegennahme der Fahrzeugpapiere und der Schlüssel<br />
konkludent mit der Einbeziehung der Klausel einverstanden erklärt.<br />
d) Die <strong>AGB</strong> wird nicht Vertragsbestandteil, wenn die Voraussetzungen von § 305c I BGB<br />
erfüllt sind.<br />
Der von V verwendete Haftungsausschluss weist keinen ungewöhnlichen Regelungsgehalt<br />
auf. Auch ist der Freizeichnungsklausel kein Überrumpelungseffekt immanent. Da K außerdem<br />
von der Klausel wusste, ist sie für ihn nicht überraschend.<br />
Mithin ist die Klausel Vertragsbestandteil geworden.<br />
Der Wirksamkeit der Klausel steht nicht entgegen, dass K den Vertrag nicht unterschrieben<br />
hat. Der Vertrag ist auch ohne Unterschrift wirksam.<br />
e) Bei der Auslegung des Inhalts der Vertragsbedingung stellt sich die Frage, ob die Klausel<br />
dahingehend ausgelegt werden kann, dass ein branchenüblicher Haftungsausschluss für leicht<br />
fahrlässiges Handeln vorliegt.<br />
Nach der Verständnismöglichkeit des Durchschnittskunden (§§ 133, 157 BGB) kann die<br />
Klausel aufgrund ihres eindeutigen Wortlauts nur dahingehend ausgelegt werden, dass V die<br />
Haftung komplett ausschließen will. Der Einwand des V ist also unberechtigt.<br />
Folglich kommt nur ein Auslegungsergebnis in Betracht, so dass die Bestimmung des § 305c<br />
II nicht greift.<br />
f) Ferner bestehen zu der fraglichen Regelung keine individuellen Vertragsabreden, die Vorrang<br />
vor den <strong>AGB</strong> haben könnten (§ 305b).<br />
g) Durchführung der Inhaltskontrolle (§§ 307-309, 310 III Nr. 3 BGB)<br />
Die Freizeichnungsklausel ist kontrollfähig i.S.v. § 307 III BGB.<br />
Die Vertragsbestimmung verstößt jedoch gegen § 309 Nr. 7 b) BGB, da ein Haftungsausschluss<br />
für grobe Fahrlässigkeit unzulässig ist und damit uneingeschränkt unwirksam.<br />
Die Haftung wegen Vorsatz kann gem. § 276 III BGB ohnehin nicht im Voraus erlassen<br />
werden.<br />
h) Rechtsfolgen des Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 b) BGB.<br />
Grundsätzlich ist die Klausel insgesamt unwirksam.<br />
Eine geltungserhaltende Reduktion, so dass die Klausel mit dem gerade noch zulässigen Inhalt<br />
(hier: Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit) aufrechterhalten werden kann, ist<br />
mit dem Wortlaut (§§ 307 – 309 BGB: „ist unwirksam“) und Zweck (Präventionszweck der<br />
§§ 305 ff und Transparenzgebot) der <strong>AGB</strong>-Kontrolle unvereinbar. Sonst könnte der Verwender<br />
risikolos unangemessene Bedingungen stellen. Es bliebe Sache des Kunden und der Gerichte<br />
die Klauseln auf das gerade noch zulässige Maß zurückzuführen. Somit ist die Klausel<br />
gänzlich unwirksam<br />
Im übrigen ist der Vertrag wirksam (§ 306 I BGB).
9<br />
Gem. § 306 II BGB wird die entstandene Lücke durch dispositives Recht ausgefüllt.<br />
Der Vermieter hat einen Mangel, der bereits bei Vertragsschluss vorhanden war, stets zu vertreten,<br />
§ 536a I Alt. 1 BGB.<br />
7. Inhalt und Umfang des Schadensersatzanspruchs richten sich nach §§ 249 ff BGB<br />
Der Schaden des K setzt sich aus dem Sachschaden und den Krankheitskosten zusammen.<br />
Damit steht K ein Anspruch gegen V auf Schadensersatz in Höhe von 15000 Euro gem. §<br />
536a I Alt. 1 BGB zu.<br />
II. § 823 I BGB<br />
Ebenso ist V nach § 823 I BGB zum Ersatz des entstandenen Schadens wegen der Verletzung<br />
der Rechtsgüter des K (Körper, Gesundheit und Eigentum) verpflichtet.<br />
<strong>Lösung</strong> Fall 2:<br />
V könnte ein Anspruch gegen S auf Entrichtung des Mietzinses in Höhe von 175 Euro nach §<br />
535 II zustehen.<br />
1. V und S haben einen wirksamen Mietvertrag über die Gebrauchsüberlassung des Zimmers<br />
zu einem Preis von 175 Euro geschlossen.<br />
2. § 1 und § 2 des Vertragsformulars könnten <strong>AGB</strong> darstellen, die in den Mietvertrag einbezogen<br />
wurden.<br />
a) Die Klauseln im Vertragstext erfüllen die Merkmale des § 305 I 1 BGB.<br />
Nach § 305 I 2 BGB ist letztlich gleichgültig, ob sie in den Vertragstext aufgenommen sind<br />
oder ob die <strong>AGB</strong> einen gesonderten Bestandteil des Vertragstextes bilden. Ebenso ist die<br />
Schriftart (handschriftlich) unerheblich.<br />
b) Fraglich ist, ob V den S ausdrücklich auf die Einbeziehung (§ 305 II BGB) hätte hinweisen<br />
müssen. Ein expliziter Hinweis ist jedoch nicht erforderlich, wenn die Klauseln in der<br />
Vertragsurkunde selbst enthalten sind. Vorliegend liegt ein solcher Formularvertrag vor, so<br />
dass die Klausel auch ohne ausdrücklichen Hinweis durch die Unterschrift des S wirksam<br />
einbezogen wurde.<br />
c) Die Klausel über die Preishöhe ist auch nicht überraschend i.S.d. § 305c I BGB.<br />
Folglich ist der Anwendungsbereich der §§ 305 ff eröffnet und die Klauseln wurden wirksam<br />
in den Vertrag einbezogen.<br />
d) Auslegung der Klausel: unzweideutig Mietzinshöhe in Höhe von 175 Euro<br />
e) Inhaltskontrolle, §§ 307 ff BGB<br />
Eine Inhaltskontrolle erfolgt nur nach Maßgabe des § 307 III BGB. Danach unterliegen nur<br />
Klauseln, deren Inhalt durch Gesetz geregelt werden kann, der Inhaltskontrolle. Nicht kontrollfähig<br />
sind Klauseln, die die unverzichtbaren Wesensmerkmale des Schuldverhältnisses<br />
zum Inhalt haben, insbesondere die zwingenden Regelungen über die gegenseitigen Hauptleistungspflichten.<br />
Die <strong>AGB</strong> sollen damit nur am Maßstab des Gesetzes geprüft werden,<br />
nicht aber auf ihre Vereinbarkeit mit weitreichenden Gerechtigkeitsvorstellungen. Regelmäßig<br />
entfällt somit eine Prüfung der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung. Insbesonde-
10<br />
re eine Preiskontrolle erfolgt grundsätzlich nicht. Die Preisgestaltung muss außerhalb der<br />
Grenze von § 138 I BGB einer rechtlichen Angemessenheitsprüfung verschlossen sein. Denn<br />
nach dem Grundsatz der Privatautonomie sollen die Vertragsparteien Leistung und Gegenleistung<br />
frei bestimmen können.<br />
Folglich ist die formularmäßige Festlegung der Preishöhe keine vom Gesetz abweichende<br />
oder dieses ergänzende Regelung gem. § 307 III 1 und daher der Inhaltskontrolle entzogen.<br />
3. Auch ein Verstoß gegen § 138 I oder II BGB oder gegen § 242 BGB ist nicht gegeben.<br />
Somit kann V Zahlung der 175 Euro von S nach § 535 II BGB verlangen.