Ausgabe 1/2012 - Gewerkschaft Öffentlicher Dienst
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AKtuell<br />
dr. Josef Germ:<br />
der autor war 20 Jahre als richter des Verwaltungsgerichtshofes<br />
und vorher im rechnungshof<br />
(Grundsatzabteilung und in verschiedenen<br />
Prüfungsbereichen) sowie im BKa tätig.<br />
eine unendliche<br />
Geschichte?<br />
Wird die landesverwaltungsgerichtsbarkeit für Österreich verwirklicht?<br />
Am 13. Dezember 2011 hat der Ministerrat die Regierungsvorlage<br />
der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle <strong>2012</strong> beschlossen.<br />
Damit hat ein seit 20 Jahren in jedem Regierungsprogramm<br />
aufscheinender Reformpunkt auf Verwaltungsebene<br />
seinen vorläufigen Abschluss gefunden. Rund 120 weisungsfreie<br />
Sonderbehörden sollen durch neun Landesverwaltungsgerichte<br />
sowie zwei gleichrangige Einrichtungen des Bundes<br />
ersetzt werden. An Stelle der bisher im Wesentlichen in Verwaltungsstrafsachen<br />
tätigen Unabhängigen Verwaltungssenate<br />
sollen in den Ländern in 2. Instanz in allen Verwaltungssachen<br />
Landesverwaltungsgerichte treten. Die beiden Bundesverwaltungsgerichte<br />
sind als Finanzgericht an Stelle des Unabhängigen<br />
Bundesfinanzsenates bzw. (neu) für alle von Bundesbehörden<br />
vollzogenen Materien (z. B. Bundesdienstrecht) als<br />
2. Instanz vorgesehen. Dies werde – so StS Ostermayer –<br />
zweifellos raschere Verfahren und eine schlankere Verwaltung<br />
sowie eine Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH)<br />
bringen. Ob dem wirklich so sein wird?<br />
Jedenfalls würde damit eine durch internationale Verpflichtungen<br />
(Art. 5 und 6 EMRK) indizierte Diskussion ein Ende finden.<br />
Weniger bekannt ist, dass schon am Beginn der Verfassungsentwicklung<br />
in Österreich mit dem Staatsgrundgesetz 1867<br />
über die richterliche Gewalt eine Regelung i. S. des „Preußischen<br />
Modells“, nämlich einer richterlich dominierten Verwaltung,<br />
angedacht war. Nur eine Verwaltungsinstanz mit einer<br />
zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit schwebte auch Karl<br />
Renner im Zuge des Staatsumbaues 1920 vor. Dies vereitelten<br />
damals die Länder, weil sie eine Beschränkung der politischen<br />
Gestaltungsmöglichkeiten befürchteten. Solche Bedenken sollen<br />
nun ausgeräumt sein. Doch können bei der gewählten<br />
Lösung die mit dem Begriff „Verwaltungsreform“ verbundenen<br />
Hoffnungen, nämlich: schlanker, schneller, kostengünstiger,<br />
wirklich erfüllt werden? Will die Bevölkerung einen punktgenauen<br />
Vollzug der Verwaltungsnormen?<br />
Bereits die eher oberflächliche Kostenschätzung in der Regierungsvorlage<br />
weist Mehrkosten aus. Eine reale Kostenschätzung<br />
dieser Systemumstellung wäre überhaupt erst in Verbindung<br />
mit der einfachgesetzlichen Gestaltung im Bereich des<br />
Bundes wie auch der Länder möglich gewesen. So werden<br />
beispielsweise neun verschiedene (?) Landesdienstrechte für<br />
die neuen Landesrichter zu schaffen sein.<br />
Mit der geplanten Novelle sollen alle Art. 133 Z 4 B-VG Kommissionen<br />
aufgelöst und deren Zuständigkeit den Verwaltungsgerichten<br />
übertragen werden. Nicht jede Zusammenfassung<br />
von Kompetenzen muss aber zu Einsparungen führen.<br />
Die konkrete Auswirkung darf anhand der Berufungskommission<br />
nach § 41a BDG dargestellt werden:<br />
Diese weisungsfreie Kommission wurde 1994 zur Entlastung<br />
des VwGH und zur Beschleunigung der Versetzungsverfahren<br />
eingerichtet. Dreiersenate, gebildet aus von der <strong>Dienst</strong>behörde<br />
bzw. der <strong>Gewerkschaft</strong> Nominierten, unter dem Vorsitz eines<br />
Richters stellten eine dem arbeitsgerichtlichen Verfahren ähnliche<br />
Lösung dar. Dies entsprach dem Art. 6 EMRK, entlastete<br />
den VwGH, dessen Anrufung ausgeschlossen war, und führte<br />
zu den sowohl im Interesse des <strong>Dienst</strong>gebers als auch der<br />
Bediensteten erforderlichen raschen Entscheidungen. Künftig<br />
soll die Anrufung des VwGH wieder grundsätzlich zulässig<br />
sein, bzw. wenn dies vom Verwaltungsgericht ausgeschlossen<br />
wird, soll dagegen der Rechtsweg an den VwGH offenstehen.<br />
Die Sachentscheidung bei den Verwaltungsgerichten wird<br />
nicht durch Senate mit in der Sache erfahrenen Mitgliedern<br />
gefällt werden. Wenn gegen diese Entscheidung der weitere<br />
Rechtsweg beschritten wird, entstehen neuerlich die Probleme,<br />
die den Verfassungsgesetzgeber seinerzeit zur Einrichtung<br />
der Berufungskommission bewogen haben.<br />
Bereitschaft zu Mehrkosten?<br />
Der Rechtsstaat ist ein unverzichtbarer Wert, der auch Kosten<br />
verursacht. Die Personalknappheit bei Richtern und Staatsanwälten<br />
ist seit Jahren bekannt. Ob vor diesem Hintergrund die<br />
Mehrkosten der geplanten Systemumstellung beim bestehenden<br />
Einsparungsdruck vertretbar sind? Die Beamten können<br />
für zu erwartende Mehrkosten jedenfalls nicht verantwortlich<br />
gemacht werden. Die <strong>Gewerkschaft</strong> hat auf diese Problematik<br />
im Begutachtungsverfahren hingewiesen.<br />
Ist das Ende der „unendlichen Geschichte“ zu erwarten?<br />
Wir wissen es nicht; derzeit fehlt jedenfalls die notwendige<br />
Verfassungsmehrheit zur Realisierung.