04.10.2013 Aufrufe

Ausgabe 1/2012 - Gewerkschaft Öffentlicher Dienst

Ausgabe 1/2012 - Gewerkschaft Öffentlicher Dienst

Ausgabe 1/2012 - Gewerkschaft Öffentlicher Dienst

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

18<br />

AKtuell<br />

dr. Josef Germ:<br />

der autor war 20 Jahre als richter des Verwaltungsgerichtshofes<br />

und vorher im rechnungshof<br />

(Grundsatzabteilung und in verschiedenen<br />

Prüfungsbereichen) sowie im BKa tätig.<br />

eine unendliche<br />

Geschichte?<br />

Wird die landesverwaltungsgerichtsbarkeit für Österreich verwirklicht?<br />

Am 13. Dezember 2011 hat der Ministerrat die Regierungsvorlage<br />

der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle <strong>2012</strong> beschlossen.<br />

Damit hat ein seit 20 Jahren in jedem Regierungsprogramm<br />

aufscheinender Reformpunkt auf Verwaltungsebene<br />

seinen vorläufigen Abschluss gefunden. Rund 120 weisungsfreie<br />

Sonderbehörden sollen durch neun Landesverwaltungsgerichte<br />

sowie zwei gleichrangige Einrichtungen des Bundes<br />

ersetzt werden. An Stelle der bisher im Wesentlichen in Verwaltungsstrafsachen<br />

tätigen Unabhängigen Verwaltungssenate<br />

sollen in den Ländern in 2. Instanz in allen Verwaltungssachen<br />

Landesverwaltungsgerichte treten. Die beiden Bundesverwaltungsgerichte<br />

sind als Finanzgericht an Stelle des Unabhängigen<br />

Bundesfinanzsenates bzw. (neu) für alle von Bundesbehörden<br />

vollzogenen Materien (z. B. Bundesdienstrecht) als<br />

2. Instanz vorgesehen. Dies werde – so StS Ostermayer –<br />

zweifellos raschere Verfahren und eine schlankere Verwaltung<br />

sowie eine Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH)<br />

bringen. Ob dem wirklich so sein wird?<br />

Jedenfalls würde damit eine durch internationale Verpflichtungen<br />

(Art. 5 und 6 EMRK) indizierte Diskussion ein Ende finden.<br />

Weniger bekannt ist, dass schon am Beginn der Verfassungsentwicklung<br />

in Österreich mit dem Staatsgrundgesetz 1867<br />

über die richterliche Gewalt eine Regelung i. S. des „Preußischen<br />

Modells“, nämlich einer richterlich dominierten Verwaltung,<br />

angedacht war. Nur eine Verwaltungsinstanz mit einer<br />

zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit schwebte auch Karl<br />

Renner im Zuge des Staatsumbaues 1920 vor. Dies vereitelten<br />

damals die Länder, weil sie eine Beschränkung der politischen<br />

Gestaltungsmöglichkeiten befürchteten. Solche Bedenken sollen<br />

nun ausgeräumt sein. Doch können bei der gewählten<br />

Lösung die mit dem Begriff „Verwaltungsreform“ verbundenen<br />

Hoffnungen, nämlich: schlanker, schneller, kostengünstiger,<br />

wirklich erfüllt werden? Will die Bevölkerung einen punktgenauen<br />

Vollzug der Verwaltungsnormen?<br />

Bereits die eher oberflächliche Kostenschätzung in der Regierungsvorlage<br />

weist Mehrkosten aus. Eine reale Kostenschätzung<br />

dieser Systemumstellung wäre überhaupt erst in Verbindung<br />

mit der einfachgesetzlichen Gestaltung im Bereich des<br />

Bundes wie auch der Länder möglich gewesen. So werden<br />

beispielsweise neun verschiedene (?) Landesdienstrechte für<br />

die neuen Landesrichter zu schaffen sein.<br />

Mit der geplanten Novelle sollen alle Art. 133 Z 4 B-VG Kommissionen<br />

aufgelöst und deren Zuständigkeit den Verwaltungsgerichten<br />

übertragen werden. Nicht jede Zusammenfassung<br />

von Kompetenzen muss aber zu Einsparungen führen.<br />

Die konkrete Auswirkung darf anhand der Berufungskommission<br />

nach § 41a BDG dargestellt werden:<br />

Diese weisungsfreie Kommission wurde 1994 zur Entlastung<br />

des VwGH und zur Beschleunigung der Versetzungsverfahren<br />

eingerichtet. Dreiersenate, gebildet aus von der <strong>Dienst</strong>behörde<br />

bzw. der <strong>Gewerkschaft</strong> Nominierten, unter dem Vorsitz eines<br />

Richters stellten eine dem arbeitsgerichtlichen Verfahren ähnliche<br />

Lösung dar. Dies entsprach dem Art. 6 EMRK, entlastete<br />

den VwGH, dessen Anrufung ausgeschlossen war, und führte<br />

zu den sowohl im Interesse des <strong>Dienst</strong>gebers als auch der<br />

Bediensteten erforderlichen raschen Entscheidungen. Künftig<br />

soll die Anrufung des VwGH wieder grundsätzlich zulässig<br />

sein, bzw. wenn dies vom Verwaltungsgericht ausgeschlossen<br />

wird, soll dagegen der Rechtsweg an den VwGH offenstehen.<br />

Die Sachentscheidung bei den Verwaltungsgerichten wird<br />

nicht durch Senate mit in der Sache erfahrenen Mitgliedern<br />

gefällt werden. Wenn gegen diese Entscheidung der weitere<br />

Rechtsweg beschritten wird, entstehen neuerlich die Probleme,<br />

die den Verfassungsgesetzgeber seinerzeit zur Einrichtung<br />

der Berufungskommission bewogen haben.<br />

Bereitschaft zu Mehrkosten?<br />

Der Rechtsstaat ist ein unverzichtbarer Wert, der auch Kosten<br />

verursacht. Die Personalknappheit bei Richtern und Staatsanwälten<br />

ist seit Jahren bekannt. Ob vor diesem Hintergrund die<br />

Mehrkosten der geplanten Systemumstellung beim bestehenden<br />

Einsparungsdruck vertretbar sind? Die Beamten können<br />

für zu erwartende Mehrkosten jedenfalls nicht verantwortlich<br />

gemacht werden. Die <strong>Gewerkschaft</strong> hat auf diese Problematik<br />

im Begutachtungsverfahren hingewiesen.<br />

Ist das Ende der „unendlichen Geschichte“ zu erwarten?<br />

Wir wissen es nicht; derzeit fehlt jedenfalls die notwendige<br />

Verfassungsmehrheit zur Realisierung.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!