Ausgabe 1/2012 - Gewerkschaft Öffentlicher Dienst
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gesundheit<br />
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Foto: Martin schalk / picturedesk.com<br />
ECHTE BESCHWERDEN<br />
das Wiener AKh sorgte jüngst für schlagzeilen. grund dafür war nicht<br />
nur Popstar george Michael, der hier einen Monat lang behandelt<br />
wurde, sondern auch die Ärzteschaft selbst. sie machte mit einer<br />
noch nie dagewesenen Protestaktion auf ihre prekäre situation<br />
aufmerksam. unter ihnen der Vorsitzende der hochschulgewerkschaft,<br />
a. o. univ.-Prof. dr. Richard Kdolsky. er berichtet von der<br />
aktuellen Lage und anderen politischen Wehwehchen.<br />
text: CoRduLA PuChWein<br />
Die Szenerie war beeindruckend: Im großen Foyer<br />
des Wiener Allgemeinen Krankenhauses haben vor<br />
Weihnachten hunderte Ärztinnen und Ärzte an der<br />
ersten öffentlichen Protestversammlung im Zusammenhang<br />
mit der laufenden Spardebatte teilgenommen.<br />
Ein Meer von weißen Kitteln und entschlossenen<br />
Gesichtern. „Es war tatsächlich eine beachtliche Veranstaltung,<br />
man könnte fast sagen: Das war historisch.<br />
Selten zuvor hat eine derart große Solidarität unter<br />
den Ärzten geherrscht. Egal ob Internist, HNO-Arzt,<br />
Unfallchirurg oder Kardiologe, die Atmosphäre war<br />
von einer unglaublich starken Einigkeit getragen,<br />
womit eindrucksvoll demonstriert wurde, dass wir<br />
Ärzte all die ungeheuerlichen Dinge, die im Raum<br />
stehen, nicht mehr hinnehmen wollen und werden“,<br />
sagt Dr. Richard Kdolsky, Unfallchirurg und Vorsitzender<br />
der Hochschulgewerkschaft. Was war geschehen?<br />
RÜCKBLENDE<br />
Auslöser der heftigen Reaktionen samt Streikdrohung<br />
seitens der Ärzte sind die geplanten Personaleinsparungen<br />
und Kürzungen von <strong>Dienst</strong>rädern in Europas<br />
größtem Krankenhaus. Konkret: Wegen eines Budgetlochs<br />
von neun Millionen Euro sollen mit 1. Februar<br />
<strong>2012</strong> nur noch 146 statt bisher 172 Journaldienste,<br />
sprich: Nacht- und Wochenenddienste, durchgeführt<br />
werden. Auch geplante Kündigungen, Nichtnachbesetzungen<br />
von 40 bis 50 Stellen, der Aufnahmestopp<br />
und die mutmaßliche Schließung der Notaufnahme<br />
sorgen für Unmut unter der Ärzteschaft. Kdolsky: „Wir<br />
haben bisher ohnehin schon gewaltig minimiert. Realistisch<br />
haben wir in den letzten Jahren, konkret seit<br />
2000, an die 30 Prozent Ärzte abgebaut, bei einer<br />
gleichzeitigen Leistungssteigerung von 30 bis 40 Prozent.<br />
Das sind etwa fünf Prozent pro Jahr. Und jetzt<br />
will man akut um weitere 17 Prozent herunter. Das ist<br />
absurd und untragbar. Es reicht!“<br />
AM LIMIT<br />
Mit der Protestaktion wollte man deshalb nachdrücklich<br />
darauf hinweisen, dass ein professioneller Betrieb<br />
unter solchen Umständen nur mehr mit äußerster<br />
Kraftanstrengung zu gewährleisten sein wird und<br />
die Arbeitssituation für Ärzte mittlerweile nicht nur<br />
unzumutbar ist, sondern sich längst an der Grenze<br />
zur Fahrlässigkeit abspielt.<br />
Das Wiener AKH kümmert sich um die größten und<br />
schwierigsten Fälle in Ostösterreich. Das Einzugsgebiet<br />
reicht bisweilen an die oberösterreichische und<br />
steirische Grenze. Wann immer ein anderes Spital<br />
mit einem Fall nicht zurechtkommt, im AKH wird<br />
das gesundheitliche Problem gelöst. „Das AKH Wien<br />
ist die Anlaufstelle für alles und jedes. Dagegen ist<br />
prinzipiell nichts einzuwenden, wenn es dafür die<br />
entsprechenden finanziellen und personellen Kapazitäten<br />
gibt. So wie sich die Lage aber zugespitzt hat,<br />
wird das bald nicht mehr möglich sein.“<br />
In einem offenen Brief an den zuständigen Bundesminister<br />
Karlheinz Töchterle sprach das Rektorat der<br />
Medizinischen Universität Wien sogar konkret davon,<br />
„dass es auf Grund der beabsichtigten und teilweise<br />
bereits umgesetzten Personalkürzungen im ärztlichen<br />
Bereich der MedUni Wien bei Patientenversorgung,<br />
aber auch bei Lehre, Ausbildung und Forschung<br />
absehbar zu einer Gefährdung der Sicherheit von<br />
Patienten kommen wird“!