Ausgabe 1/2012 - Gewerkschaft Öffentlicher Dienst
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recht<br />
Verfolgungsjagd und Schadenersatz!<br />
und auch voraussehen konnte, dass der Kläger bei der Verfolgung<br />
möglicherweise zu Schaden kommen werde. Der<br />
in die Dunkelheit flüchtende Lenker hat seine Verfolgung<br />
geradezu herausgefordert, und es musste ihm auch bewusst<br />
sein, dass er damit eine erhöhte Verletzungsgefahr für den<br />
Kläger schaffe. Er hat daher für die – grundsätzlich nicht<br />
atypischen – nachteiligen Folgen seines rechtswidrigen und<br />
schuldhaften Verhaltens auch zu haften.<br />
Verschuldensteilung möglich<br />
Der OGH führt weiter aus, dass aber auch bei „Verfolgungsschäden“<br />
eine Verschuldensteilung zwischen Schädiger<br />
und Geschädigtem denkbar und rechtlich möglich<br />
ist. Der OGH verweist aber darauf, dass die Frage eines<br />
Mitverschuldens eines Geschädigten stets anhand der konkreten<br />
Umstände des Einzelfalles zu beurteilen sei und keine<br />
vom OGH aufzugreifende Rechtsfrage von erheblicher<br />
Bedeutung darstelle. Die Verneinung eines Mitverschuldens<br />
des Polizeibeamten durch die Vorinstanzen sei aber<br />
darüber hinaus auch gerechtfertigt. Dass der Kläger in der<br />
Hitze des Gefechtes die Mitnahme einer im <strong>Dienst</strong>wagen<br />
befindlichen Stabtaschenlampe unterließ, sei ihm nicht<br />
vorzuwerfen.<br />
Verkehrssicherungspflichten<br />
Zur zurückgewiesenen Revision des Klägers gegen die<br />
Abweisung der Haftung des Zweitbeklagten (Betriebsinhabers)<br />
führte der OGH Folgendes aus: Verkehrssicherungspflichten<br />
treffen auch denjenigen, in dessen Sphäre gefährliche<br />
Zustände bestehen. Wer demnach eine Gefahrenquelle<br />
schafft oder bestehen lässt, muss die notwendigen und ihm<br />
zumutbaren Vorkehrungen treffen, um eine Schädigung<br />
anderer nach Tunlichkeit abzuwenden (4 Ob 280/00f mit<br />
weiteren Nachweisen). Die Verkehrssicherungspflicht entfällt<br />
nicht schon dann, wenn jemand unbefugt in einen<br />
fremden Bereich eingedrungen ist. Grundsätzlich ist aber<br />
jemand, der unbefugt in einen fremden Bereich eingedrungen<br />
ist, als nicht schutzwürdig zu erachten. Er kann nämlich<br />
nicht damit rechnen, dass seitens des Verkehrssicherungspflichtigen<br />
auch Schutzmaßnahmen zugunsten unbefugt<br />
Eindringender getroffen werden. Nur in Ausnahmefällen<br />
könnte aber eine Interessenabwägung ergeben, dass der<br />
Inhaber einer Gefahrenquelle dennoch zumutbare Maßnahmen<br />
zur Vermeidung von Schädigungen zu ergreifen<br />
hat, so z. B. wenn die Möglichkeit besteht, dass Personen<br />
versehentlich in den Gefahrenbereich gelangen oder dass<br />
Kinder und andere Personen, die nicht die notwendige<br />
Einsichtsfähigkeit haben, um sich selber vor Schaden zu<br />
bewahren, gefährdet werden. Gleiches gelte auch, wenn<br />
eine ganz unerwartete oder große Gefährdung vorliegt.<br />
Sorgfaltspflichten<br />
dürfen nicht überspannt werden<br />
Auch bei Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht<br />
bedarf es aber auch eines Verschuldens des Verpflichteten,<br />
um eine Haftung eintreten zu lassen. Für ein Verschulden<br />
reicht es auch schon aus, dass der Verletzte die Möglichkeit<br />
einer Beeinträchtigung der betreffenden Art im Allgemeinen<br />
hätte erkennen müssen. Der OGH bestätigte<br />
die Ansicht der Vorinstanzen, wonach der Betriebsinhaber<br />
nicht damit rechnen habe müssen, dass erwachsene Personen,<br />
die nicht versehentlich auf sein Grundstück gelangt<br />
sind, dort eine nächtliche Verfolgungsjagd beginnen und<br />
dabei infolge des plötzlichen Wechsels von hell zu dunkel<br />
über eine Stützmauer einer baubehördlich genehmigten<br />
Lagerhalle stürzen könnten. Die Möglichkeit der Verletzung<br />
von Rechtsgütern Dritter sei daher für den Betriebsinhaber<br />
als Zweitbeklagten bei objektiver sachkundiger<br />
Betrachtung nicht zu erkennen gewesen. Darüber hinaus<br />
gelte der in der Rechtsprechung verfestigte Grundsatz,<br />
wonach Sorgfaltspflichten nicht überspannt werden dürfen.<br />
Ansonsten würde nämlich in Wahrheit eine Haftung<br />
geschaffen, die vom Verschulden gänzlich losgelöst sei.<br />
Auch mit diesem Grundsatz befindet sich die Verneinung<br />
der Haftung des Zweitbeklagten nach Ansicht des OGH<br />
im Einklang.