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POSTWESEN UND BRIEFKULTUR IM KÖNIGREICH ...

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halshs-00793224, version 1 - 1 Mar 2013<br />

44 Claudie Paye<br />

Je nach Rang in der lokalen Hierarchie kamen interessanterweise die<br />

Staatsvertreter selbst vorbei oder ließen das Dokument zur Einsicht abholen.<br />

Diese Ausführungen zeigen ferner, wie ein persönlich adressierter Brief<br />

durch viele Hände gereicht wurde und von einer breiteren Öffentlichkeit<br />

rezipiert werden konnte – die hebräische Briefkopie richtete sich außerdem<br />

an eine spezielle Teilöffentlichkeit. Der Brief wurde selbst von Personen, die<br />

nur von ihm gehört hatten, rezipiert, ohne dass diese ihn jedoch in eigenen<br />

Händen gehalten oder mit eigenen Augen gelesen hatten.<br />

Auffällig an Dröders Brief ist auch, dass dieser im Wortlaut fast identisch<br />

ist mit demjenigen im Brief seines Kompagnons Streitwolff, mit dem Dröder<br />

ein Quartier in Rawicz teilte, den dieser an seinen Vater, Papierfabrikant in<br />

Göttingen, gerichtet hatte. Dieser zweite Brief war im Umschlag von Dröders<br />

Brief an seine Familie enthalten und tauchte im Laufe der Ermittlungen ebenfalls<br />

auf 179.<br />

Die Existenz zweier Briefe mit gleichem Wortlaut macht jede Aussage<br />

über den besonderen individuellen Charakter von Dröders Brief unglaubwürdig<br />

180. Obwohl gleichen Wortlauts, erfuhren die Soldatenbriefe jedoch eine<br />

jeweils andere Rezeption: Während der eine Brief großen Widerhall fand,<br />

behielt die Papierfabrikantenfamilie ihren Soldatenbrief für sich beziehungsweise<br />

fiel den Polizeibeamten seine Verbreitung nicht in gleichem Maß auf.<br />

Dies könnte auf die jeweiligen soziokulturellen Zugehörigkeiten beider Familien<br />

zurückzuführen sein, die sich in unterschiedlichen kommunikativen<br />

Praktiken mit ihrem Soldatenbrief ausdrückten. Für eine allgemeine Rezeption<br />

musste sich außerdem eine Kette von Bereitwilligen, Gutgläubigen und<br />

Neugierigen bilden, die sich des Inhalts des Briefes annahmen und ihn kolportierten.<br />

Der öffentliche Charakter eines Privatbriefes, der eigentlich für<br />

alle gemeint war, ist im Fall des Dröderschen Soldatenbriefes bezeichnend 181.<br />

J. G. Schroeder, 1.5.1812; ibid., Nr. 3652–3653: Verhörprotokoll von R. Dröder,<br />

1.5.1812.<br />

179 Vgl. RNB St. Petersburg, F 993 Arch. Westf., K. 7, Nr. 3649–3688, hier Nr. 3662:<br />

Erklärung von C. Dröder, 6.5.1812; ibid., Nr. 3664: Brief vom Soldaten Streitwolff an<br />

seinen Vater, 10.4.1812. Die Tatsache, dass diese Briefe zum Teil als reine Abschriften<br />

voneinander entstanden, verringert ihre Aussagekraft in Bezug auf die Individualität<br />

ihrer Inhalte für die Historische Individuumsforschung.<br />

180 Vgl. MAUELSHAGEN, Netzwerke des Nachrichtenaustauschs, S. 418.<br />

181 Vgl. u.a. HAUSEN, Öffentlichkeit und Privatheit; MAUELSHAGEN, Netzwerke des<br />

Nachrichtenaustauschs, S. 418.

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