General Giraud und Admiral Darlan in der Vorgeschichte der ...

Vorgeschichte der alliierten Landung in Nordafrika 207
modus vivendi 2 führte auch der Generalresident von Marokko, General Noguès,
selbständige Verhandlungen mit Vertretern der britischen Regierung. Vichy gab ihm
Emmanuel Monnick, der aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Finanzattache der
französischen Regierung Ansehen in London und Washington genoß, als Generalsekretär
zur Seite. Noguès und Monnick konnten mit den Briten eine Lieferung von
Tee und Zucker - vorrangig zur Erhaltung der Zufriedenheit der Eingeborenen - im
Austausch für Phosphate aushandeln. London war an der innenpolitischen Stabilität
des Protektorates interessiert, da von inneren Unruhen dort Spanien oder die Achsenmächte
hätten profitieren können, zum anderen sollte Marokko vom Verkauf seiner
Erze (Mangan, Molybdän, Kolbalt) an die Achsenmächte abgehalten werden.
Noguès ging es vorrangig darum, den Handel des Protektorates wieder in Gang zu
bringen und die Einfuhr von Kohle, Textilien, Heizöl und Treibstoff zu sichern.
Vichy wollte über Marokko wirtschaftlich mit den USA in engem Kontakt bleiben.
Das State Department zeigte sich gegenüber den französischen Bemühungen aufgeschlossen,
und zwar weniger unter geschäftlichem als politischem Aspekt. Die Knüpfung
wirtschaftlicher Bande mit Marokko und dessen Belieferung mit den wichtigsten
Bedarfsgütern schienen am ehesten Gewähr zu bieten, Franzosen wie Eingeborene
des Protektorates dem Einfluß der Achsenmächte fernzuhalten. Doch ging es nicht
nur um den Handel mit Marokko, sondern um die Versorgung von ganz französisch
West- und Nordafrika 3 .
Pétain hatte im September das neue Amt des „Generaldelegierten der Regierung in
französisch Afrika" geschaffen und dieses mit Sitz in Algier dem General Weygand,
bis dahin Kriegsminister, mit dem Auftrag übertragen, die politischen und wirtschaftlichen
Aufgaben der Generalgouverneure und Generalresidenten sowie Militärbefehlshaber
des Gebietes zu koordinieren 4 . In Sachen Afrika erfahren und von großem
Ansehen in der Armee, verstand er es in kurzer Zeit, die Armee und die zivilen Verwaltungen
West- und Nordafrikas ganz auf den Marschall auszurichten und damit
die Gefahr einer gaullistischen Infiltration zu bannen. Churchill hoffte vergeblich,
Noguès wie Weygand zur Dissidenz Nordafrikas und Weiterführung des Krieges gegen
die Achse bewegen zu können 5 . In Washington erkannte man nüchterner, daß
Weygands Aufgabe in erster Linie darin bestand, Vichys Kontrolle über das Gebiet zu
sichern und nicht nur die Achsenmächte, sondern auch de Gaulle daraus fernzuhalten.
Und das war man bereit zu akzeptieren. Der amerikanische Generalkonsul Cole
in Algier wurde daher vom State Department angewiesen, unverzüglich Weygand
2
Hierzu L. Woodward, British Foreign Policy in the Second World War, vo. I, 1970, Ch. XIII;
R.T.Thomas, Britain and Vichy. The Dilemma of Anglo-French Relations 1940-1942, London
1979, S. 65-69.
3
Hierzu W. Langer, Our Vichy Gamble, New York 1947, S. 105 ff.; im einzelnen das Memorandum
der Division of Near Eastern Affairs im State Department vom 12. November 1940: „The
Political Implications of American Maroccan Trade"; NARG 59, 740.0011 European War 1939/
7403 A.
4
Wortlaut der Instruktion in M. Weygand, Mémoires, tome III, Rappele au Service, Paris 1950,
S. 350 ff.
5
Daß darüber offen in der britischen Presse orakelt wurde, zeigt PRO, Prem 3/126/1.