General Giraud und Admiral Darlan in der Vorgeschichte der ...

Vorgeschichte der alliierten Landung in Nordafrika 235
kanischer Seite war darin der Satz: „M.X erklärt, daß trotz gewisser Schwierigkeiten
in ihren Beziehungen mit ihm die britische Regierung niemals den General de Gaulle
fallenlassen wird. Dafür wird die britische Regierung formell versprechen, daß das
Nationalkomitee in Nordafrika nicht tätig werden wird." Die Beziehungen zwischen
den Franzosen Nordafrikas und den Franzosen in London hatten als rein innerfranzösische
Angelegenheit zu gelten. Ein Kontakt mit dem General de Gaulle sollte erst
nach erfolgter Landung erwogen werden. Außerdem hatten M.X und M. B ihre Vertreter
und Mitarbeiter unverzüglich anzuweisen, „sich an keinem Kontakt und keiner
Initiative im Zusammenhang mit dem geplanten oder einem ähnlichen Vorhaben zu
beteiligen, sofern diese von Persönlichkeiten ausgehen, die nicht von der Gruppe
dazu ermächtigt worden sind". Die Konspiration machte damit einen Alleinvertretungsanspruch
geltend.
Wie sehr sich die Gruppe als alleiniger Verhandlungspartner der Amerikaner und
als die Bedingungen stellende Seite verstand, belegt der Anhang mit zehn Fragen, deren
Antworten Murphy besorgen sollte. Danach hatte Washington Auskunft über die
Verwendung der zu Beginn des Krieges von Frankreich in der amerikanischen Rüstungsindustrie
vorgenommenen Investitionen zu erteilen sowie darüber, inwieweit
die Anrechte auf das in London deponierte französische Gold (200 Tonnen) von der
britischen Regierung dem Nationalkomitee übertragen worden seien. Zudem ging es
um die Bereitschaft der USA, das Leih- und Pachtgesetz auf Nordafrika auszudehnen
und den Kurs Dollar: Franc gemäß der zwischen der britischen Regierung und
General de Gaulle getroffenen Vereinbarung, somit 1 Dollar = 48,80 Franc, festzulegen
und amerikanischen Staatsbürgern die Einfuhr von Dollars nach Nordafrika zu
untersagen. Der Geldbedarf der amerikanischen Truppen sollte von den Banken
Nordafrikas gedeckt werden. Ferner wurde die amerikanische Regierung gefragt, ob
„sofort" die im Anhang zum Murphy-Weygand accord aufgeführten Lieferungen
nach Nordafrika erfolgen könnten und der Kauf jener nordafrikanischen Produkte
garantiert werde, die bislang in Europa Absatz fanden.
Das ganze Dokument zeigt, in welchem Ausmaß sich der Konspirationskern als
künftiger Machtträger eines politisch unabhängigen Nordafrika sah und dessen wirtschaftliche
Lebensfähigkeit sicherzustellen suchte. Es ging darum, für den Fall einer
alliierten Landung die französische Souveränität zu wahren und zugleich die Oktroyierung
einer Regierung de Gaulle durch alliierte Truppen auszuschließen. Vom Verhältnis
der Gruppe zu Vichy ist in keinem Satz die Rede. Eindeutig aber wollte die
Gruppe sich in die Lage versetzt sehen, um die Gunst der Bevölkerung im Mutterland
werben zu können. Die Lektüre des verhältnismäßig umfangreichen Protokolls läßt
die Frage nicht unbegründet erscheinen, ob das in Einzelheiten durchdachte Dokument
ohne Rücksprache mit maßgeblichen Persönlichkeiten in Vichy zustande gekommen
ist. Nun wußte wohl Lemaigre durch seine häufigen Besuche in Vichy, worauf
es ankam, und der Teilhaber zweier wichtiger Banken war gewiß an bestimmten
währungspolitischen Regelungen interessiert. Andererseits ist die Handschrift des Berufsdiplomaten
Saint-Hardouin unverkennbar. Das Protokoll kann die Bereitschaft
in Washington, sich allein auf die Konspiration zu stützen, keineswegs gefördert ha-