General Giraud und Admiral Darlan in der Vorgeschichte der ...

Vorgeschichte der alliierten Landung in Nordafrika 253
Algier landen könne. Jedenfalls bewirkte das Ausbleiben Girauds Nervosität, die
noch dadurch verstärkt wurde, daß auch sein Vertreter, General Mast, nicht erreichbar
war. Wenn es nicht gelang, ein Feuerverbot für Luftwaffe, Marineeinheiten und
die Truppen der Garnison zu erlangen, dann war der Erfolg des Unternehmens für
Algier in Frage gestellt. Allerdings kannte Murphy das ungünstige Kräfteverhältnis
nicht (gut 1 000 amerikanische Soldaten gegenüber 11 000 Franzosen). Doch wurde
jetzt in vollem Umfang deutlich, daß man zur Erlangung dieses Feuerverbots einer
von allen Streitkräften respektierten Persönlichkeit bedurfte. Eigenartigerweise waren
von amerikanischer Seite keine konkreten Vorkehrungen getroffen, um sicherzustellen,
daß Giraud zum Zeitpunkt des Beginns der Landung in Algier sein würde.
Die verspätete Abholung Girauds hatte, ob gewollt oder ungewollt, der britischen
Absicht Rechnung getragen, die Frage des Oberbefehls erst nach erfolgter Landung
zu regeln. Man beschloß daher, einen Vorstoß bei General Juin zu unternehmen,
der allein in der Lage schien, einen Widerstand zu unterbinden. Chrétien wurde geholt,
um zu erkunden, ob Juin bereit war, Murphy zu empfangen. Lemaigre wollte
selbst zu Juin gehen, um diesem im Namen Girauds Vorschläge zu unterbreiten,
doch Chrétien verhinderte das, bemüht, der Konspiration die Initiative aus der
Hand zu nehmen. Juin war bereit, und er empfing den Diplomaten in voller Uniform
168 .
Murphy erklärte nun dem General, amerikanische Streitkräfte, über 500000
Mann, seien im Begriff, an den Küsten französisch Nordafrikas zu landen. Juin war
höchst erregt und hielt Murphy sein vor wenigen Tagen gegebenes Versprechen vor.
So überrascht, wie Murphy es darstellt, kann Juin gar nicht gewesen sein, denn am
späten Abend noch war er von Moreau auf die Möglichkeit einer Landung, auch an
der algerischen Küste, hingewiesen worden 169 . Als Murphy sich auf einen Hilferuf
des Generals Giraud berief, dessen Eintreffen in Algier in jedem Augenblick erwartet
werde, war Juin verärgert, daß die Amerikaner sich eines dissidenten Generals bedienten,
aber er war nicht abgeneigt, sich den Amerikanern anzuschließen. Soviel
wußte er über Größe und Zusammensetzung der Convoys, daß er kaum an ein Kommandounternehmen
glaubte. Doch erklärte er, ohne die Zustimmung Darlans keine
Befehle erteilen zu können. Murphy schlug vor, mit dem Admiral zu sprechen, den
Juin sofort anrief. Wenig später traf Darlan in Begleitung Battets in der Villa des Oliviers
ein. Admiral Fénard folgte etwas später, ebenso Juins Stabschef General Sevez.
168 So nach den Aufzeichnungen des Generals Chrétien. Murphy, a. a. O., S. 159 f., behauptet demgegenüber,
er selbst habe den General von einem Diener wecken lassen und Juin, im Pyjama, sei von
der Nachricht schockiert gewesen. Die Darstellung Chrétiens ist glaubhafter.
169 Zudem war um 0.50 in Algier ein Telegramm des Generals Revers eingegangen, ausdrücklich „für
General Juin persönlich", daß nach ernst zu nehmenden Nachrichten am kommenden Morgen
mit massiven Angriffen auf Marokko und möglicherweise Tunesien zu rechnen sei. Juin solle die
notwendigen Maßnahmen treffen und informieren. Juin muß das Telegramm erhalten haben,
denn 20 Minuten später telegraphierte Moreau nach Vichy, er sei von Juin informiert, daß eine
massive Aktion gegen Marokko und Tunesien am Sonntag den 8. November möglich sei. Juin
muß diese Botschaft vor dem Eintreffen Murphys an Moreau gegeben haben. SHAT 1 B 17, telegrammes,
messages departs, und SHM, Marine BB 9 - 176.