General Giraud und Admiral Darlan in der Vorgeschichte der ...

Vorgeschichte der alliierten Landung in Nordafrika 233
rie de la Vigerie und den Berufsdiplomaten Tarbé Saint-Hardouin 93 . Die Bezeichnung
„Les Cinq" ist nicht ganz zutreffend, da auch andere wichtige Persönlichkeiten
wie der Oberst Jousse als Militärberater und der Arzt Dr. Aboulker führende Köpfe
waren. Doch die Fünf hielten sich für politische Entscheidungen zuständig. Der
Gruppe ging es um die Dissidenz und Regierung Nordafrikas im Falle der Totalbesetzung
des Mutterlandes. Doch galt es, einen zur Zusammenarbeit mit den Alliierten
bereiten militärischen Führer zu finden, von genügender Autorität für den Oberbefehl
über die französischen Streitkräfte in Nordafrika. Von einem Anschluß an de
Gaulle fürchtete die Bewegung ein Schrumpfen der Zahl ihrer Mitglieder 94 .
Anfang 1942 ließ Roosevelt einen Angehörigen der Botschaft in Vichy bei Weygand
anfragen, ob er zur Führung einer Dissidentenbewegung in Nordafrika bereit
sei. Doch dieser lehnte einen dem Marschall gegenüber illoyalen Akt ab 95 . Murphy
hatte den Auftrag des State Department, die Verschwörer in ihren Plänen zu ermutigen,
doch diese forderten handfeste Zusagen Washingtons und vor allem die Lieferung
von Kriegsgerät, wozu das War Department nicht bereit war 96 . Donovan wie
Solborg bestanden darauf, daß die Bewegung zunächst einen militärischen Führer
finden müsse, dem die französische Armee in Nordafrika folgen würde. Da traf am
25. April der General Giraud nach einer abenteuerlichen Flucht aus der Festung Königstein
im unbesetzten Frankreich ein 97 , wo er als nationaler Held gefeiert wurde.
Nach Abetz' vergeblichem Versuch, den General zur freiwilligen Rückkehr in die
Gefangenschaft zu bewegen, gab schließlich Giraud dem Marschall eine schriftliche
Erklärung, in der er ehrenwörtlich versprach, nichts zu unternehmen, was in irgendeiner
Weise die Beziehungen zwischen der französischen und der deutschen Regierung
stören werde 98 . An Giraud knüpfte man in Washington wie in London sogleich
Konspiration sowie van Heckes Rolle darin bei A. S. van Hecke, Les Chantiers de la Jeunesse au
secour de la France, Paris 1970.
93 Henrie d'Astier de la Vigerie war ein Bruder von de Gaulles Luftwaffengeneral Francois d'Astier
de la V. sowie von Emmanuel d'Astier de la V., Führer des Resistancenetzes „Liberation". Saint-
Hardouin hatte, für diplomatische Fragen zuständig, Weygands Stab angehört und war nach des
Generals Abberufung als Privatmann in Algier geblieben.
94 FRUS 1941, II, S.483. Zu den Verflechtungen des Konjurationskerns mit rechtsextremen Gruppierungen
der dreißiger Jahre und dabei der Rolle des polito-ökonomischen Cartells der „Synarchie"
P. Ordioni, Le pouvoir (s. Anm. 89), bes. Chap. XXIX. Zur Rolle der „Synarchie" wie auch
deren Überschätzung in der Literatur über Vichy F. Kuisel, The Legend of the Vichy Synarchie.
French Historical Studies, Spring 1970, S. 365 ff.
95 Ermutigt hierzu war man in Washington durch Weygands frühere Anfrage über die Möglichkeiten
amerikanischer Waffenlieferungen nach Nordafrika. NA, Murphy File, Nr. 477 1/2.
96 Im Oktober hatte Donovan den Oberstleutnant Eddy in ähnlicher Funktion wie Solborg in Tanger
postiert. Eddy verfügte über beachtliche finanzielle Mittel des OSS zur Unterstützung der
Konspiration und setzte diese Mittel auch dafür ein; NA, RG 59, 121.5581, Subject: Naval Attache
to Marocco.
97 Hierzu H. Giraud, Mes Evasions, Paris 1946. Die Frage, inwieweit Girauds Darstellung glaubhaft
sein kann, wäre einer eigenen Untersuchung wert. Die Vermutung, daß Giraud Helfer aus der
deutschen Opposition gehabt habe, wurde in London sofort geäußert; PRO, FO 371/32082.
98 Wortlaut bei A. Kammerer, Du Débarquement Africaine au Meurtre de Darlan, Paris 1949,
S. 106. Girauds Erklärung für den Bruch des Versprechens in Mes Evasions, S. 135 ff.