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Esslingen 1-3

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14 ESSLINGEN 2030<br />

Lederfabrik Roser<br />

Evangelische Südkirche<br />

Restaurant und Versammlungslokal<br />

„Paradies“<br />

DER ORT DES DISKURSES<br />

2.1<br />

2.1.2 Fabriken und Arbeiter für die Esslinger Industrialisierung<br />

Ohne die vorzüglichen Standortfaktoren auf dem Gebiet der<br />

heutigen Pliensauvorstadt wäre die Industrialisierung in<br />

<strong>Esslingen</strong> möglicherweise nicht so stürmisch verlaufen. Die<br />

freie und ebene Fläche, die Nähe zum Wasser, zur Brücke<br />

und zur Eisenbahn ließen hier eine der damals größten und<br />

am schnellsten wachsenden Esslinger Stadterweiterungen<br />

entstehen. Seit dem Jahr 1865, als erstmals Bauland verkauft<br />

wurde, entstanden hier Fabriken, die neu gegründet<br />

oder aus der Altstadt verlagert wurden. Es waren überwiegend<br />

störende, mit Geruchsbelästigungen verbundene Produktionsstätten<br />

(Leder, Seife, Gießerei), deren Gebäude zum<br />

Teil noch heute das Stadtbild prägen. Nach dem Ersten Weltkrieg<br />

wurden weitere Fabriken gegründet, unter anderem die<br />

Maschinenfabrik Bohner & Köhle, deren Gelände heute<br />

brach liegt und als „Schandfleck“ für Diskussionsstoff im<br />

Stadtteil sorgt.<br />

Zusammen mit den Fabrikgebäuden und Fabrikantenvillen<br />

wurde in der Pliensauvorstadt vor allem Wohnraum für die<br />

stark anwachsende Arbeiterschaft geschaffen. Die Wohnungen<br />

wiesen im Vergleich zu den meist kleinen, dunklen und<br />

schlecht beheizbaren Wohnungen der Altstadt einen relativ<br />

hohen Standard auf. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts kamen<br />

verstärkt Geschossbauten der Esslinger Baugenossenschaft,<br />

der Esslinger Wohnungsbaugesellschaft und später der<br />

Flüchtlingswohnungsbaugesellschaft hinzu, die heute das<br />

Bild des Stadtteils prägen.<br />

Formal blieb die Pliensauvorstadt bis 1950 ein Teil der<br />

Innenstadt und erhielt erst spät eigenständige öffentliche Einrichtungen.<br />

Im Jahr 1909 wurde eine Pfarrstelle eingerichtet,<br />

1913 die Pliensaugrundschule eröffnet und im Jahr 1926 die<br />

evangelische Südkirche eingeweiht. Dieser, vom Stuttgarter<br />

Architekt Martin Elsaesser geplante Sakralbau ist eines der<br />

bedeutendsten Werke des Expressionismus im süddeutschen<br />

Raum.<br />

An <strong>Esslingen</strong>s Ruf als Hochburg der württembergischen Arbeiterbewegung<br />

hatte besonders auch die Pliensauvorstädter<br />

Arbeiterschaft einen erheblichen Anteil. Von Anfang an wohnten<br />

hier vorwiegend Arbeiter und entsprechend hoch fielen<br />

bei allen Wahlen die Stimmenanteile der Arbeiterparteien<br />

aus. SPD und KPD erreichten zusammen jeweils annähernd 75<br />

Prozent; zeitweilig lagen die Kommunisten bei der Stimmenauszählung<br />

sogar vor den Sozialdemokraten. Auch die Gewerkschaften<br />

waren im Stadtteil stark verwurzelt. Mehrere<br />

große Streikbewegungen der Stadt <strong>Esslingen</strong> nahmen hier<br />

ihren Ausgang, oft von einer der Arbeiterkneipen, in denen<br />

häufig berühmte sozialdemokratische Redner zu Gast waren.<br />

Vor dem Hintergrund fehlender öffentlicher Einrichtungen und<br />

Plätze hatten diese Versammlungslokale als Treffpunkte und<br />

Kommunikationsorte eine besondere Bedeutung.<br />

Seit der ersten großen Wirtschaftskrise <strong>Esslingen</strong>s am Ende<br />

des 19. Jahrhunderts und der darauf folgenden Radikalisierung<br />

der Arbeiterbewegung nahm die Entfremdung zwischen<br />

dem Arbeiterstadtteil Pliensauvorstadt und dem bürgerlichen<br />

<strong>Esslingen</strong> jenseits des Neckars, die das Verhältnis zwischen<br />

der Stadt <strong>Esslingen</strong> und der ‚falschen’ Uferseite des Neckars<br />

schon immer geprägt hatte noch einmal zu.

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