Esslingen 1-3
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26 ESSLINGEN 2030<br />
Die vergleichsweise starke Stellung der<br />
kommunalen Verwaltung gegenüber den<br />
kommunalpolitischen Gremien, die dieses<br />
Modell ohnehin kennzeichnet, wird<br />
in der Süddeutschen Ratsverfassung Baden-Württembergs<br />
noch einmal verstärkt.<br />
Der Bürgermeister vereinigt in<br />
seiner Person drei Funktionen, die ihn –<br />
im Vergleich zu Kommunalverfassungen<br />
anderer Bundesländer – mit einer ungeheuren<br />
Machtfülle ausstatten: Chef der<br />
Verwaltung, Vorsitzender des Gemeinderates<br />
und seiner Ausschüsse, Repräsentant<br />
der Gemeinde nach ‚innen’ und ‚außen’,<br />
hinzu kommt noch sein Recht, ohne Abstimmung<br />
mit dem Gemeinderat so genannte<br />
Eilentscheidungen zu treffen.<br />
Dass der Bürgermeister durch direkte<br />
Volkswahl gewählt wird, verleiht ihm –<br />
und verpflichtet ihn gleichzeitig dazu –<br />
eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber<br />
dem Rat, vor allem auch seiner eigenen<br />
Fraktion (wenn er einer Partei angehört;<br />
in Baden-Württemberg sind fast die Hälfte<br />
der Verwaltungschefs parteilos).<br />
DER ORT DES DISKURSES<br />
2.4<br />
2.4.1<br />
2.4<br />
Die Pliensauvorstadt als Teil der<br />
politischen und verwalteten Stadt<br />
Kommunale Selbstverwaltung in Baden-Württemberg<br />
<strong>Esslingen</strong>s Kommunalpolitik wird durch die ‚Süddeutsche<br />
Ratsverfassung’ geprägt, ein spezifisches Modell kommunaler<br />
Selbstverwaltung, das außer Baden-Württemberg, mit<br />
geringfügigen Variationen, auch Bayern und ostdeutsche<br />
Bundesländer kennzeichnet. Zudem kennt Baden-Württemberg<br />
das Modell der Bürgerausschüsse als eine von allen<br />
Einwohnern des Stadtteils gewählte Vertretung. Um die spezifische<br />
Situation in der Pliensauvorstadt zu verstehen,<br />
muss man also die Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung<br />
kennen.<br />
Lokale Politik ist in Deutschland, wie schon der Begriff der<br />
‚kommunalen Selbstverwaltung‘ andeutet, traditionell stark<br />
verwaltungsdominiert. Bei einem großen Teil der kommunalen<br />
Aufgaben handelt es sich um ‚weisungsgebundene Aufgaben’<br />
ohne jeden eigenen Gestaltungsspielraum durch die<br />
Kommune (so genannte ‚Pflichtaufgaben nach Weisung‘ wie<br />
zum Beispiel Sozialhilfe oder ‚staatliche Aufgaben‘ wie Polizeiaufgaben,<br />
in denen die Kommunen als staatliche Unterbehörde<br />
fungieren). Handlungsspielraum für lokale Politik im<br />
engeren Sinn gibt es bei den ‚weisungsfreien Aufgaben‘, unterschieden<br />
nach sogenannten ‚Pflichtaufgaben ohne Weisung’,<br />
die durch die Kommune erledigt werden müssen, aber<br />
in der Art und Weise der Erledigung gestaltet werden können<br />
(Beispiel Schulen), und den ‚freiwilligen Aufgaben‘, die ganz<br />
allein dem Belieben der Kommune unterliegen (Beispiel<br />
Schwimmbad, Bibliothek). Nur bei den weisungsfreien Aufgaben<br />
entscheidet der Gemeinderat, bei den weisungsgebundenen<br />
Aufgaben trifft allein der Bürgermeister als Verwaltungschef<br />
alle Entscheidungen, allerdings eng an die Vorgaben<br />
höherer Politikebenen gebunden.<br />
Kommunalpolitik ist also in Baden-Württemberg entweder<br />
voll identisch mit kommunaler Verwaltung oder doch stark dominiert<br />
durch die kommunale Verwaltung. Aus diesem Grund<br />
müssen bei einer Betrachtung der Kommunalpolitik im Jahr<br />
2030 im siebten Kapitel sowohl die Strukturen der kommunalen<br />
Verwaltung als auch der kommunalpolitischen Gremien in<br />
den Blick kommen.<br />
Eine weitere Besonderheit Baden-Württembergs stellen die<br />
‚Bürgerausschüsse‘ dar. Sie entstanden seit 1948 und verstehen<br />
sich als Foren bürgerschaftlicher Meinungsbildung. Sie<br />
gestalten das kommunale Leben in <strong>Esslingen</strong> durch ihre ehrenamtliche<br />
Vertretung von Stadtteilbelangen maßgeblich mit.<br />
Aufgabenstellung, Zusammensetzung, Arbeitsweise und Rechte<br />
der Bürgerausschüsse sind in einem Statut bzw. in einer „Vereinbarung<br />
über die Zusammenarbeit der Bürgerausschüsse<br />
mit Gemeinderat und Verwaltung“ geregelt. Es besteht eine<br />
Anhörungs- sowie eine Informationspflicht des Gemeinderates<br />
bzw. der Verwaltung gegenüber den Bürgerausschüssen,<br />
wenn deren Bezirke von wichtigen Angelegenheiten betroffen<br />
sind. Über den Bürgerausschussvorsitzenden können Eingaben<br />
an den Oberbürgermeister gerichtet werden. Insgesamt<br />
gibt es in <strong>Esslingen</strong> zehn Bürgerausschüsse. Die Mitglieder<br />
werden von den jeweiligen Stadtteilbewohnern alle drei Jahre<br />
im Rahmen einer Bürgerversammlung gewählt.