Esslingen 1-3
Esslingen 1-3
Esslingen 1-3
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
30 ESSLINGEN 2030<br />
1516 wurde Thomas Morus Schrift „Utopia“<br />
veröffentlicht, in der ein auf einer Insel<br />
gelegener idealer Staat beschrieben wird.<br />
1 Schmals 1992<br />
2 Steinmüller u. a. 2000, S. 9<br />
3 Enzensberger, zit. nach Schmals 1992<br />
3.1<br />
LEITBILDER – BILDER, DIE LEITEN<br />
3.1<br />
Zur Funktionsweise und Generierung von Leitbildern<br />
Gesellschaftliche Wirklichkeit steht stets in Abhängigkeit von<br />
materiellen, aber auch von ideellen, symbolischen Faktoren.<br />
Wie Menschen ihre Welt wahrnehmen, wie sie sich die Welt<br />
wünschen und welche Hoffnungen und Ängste sie mit der Zukunft<br />
verbinden, orientiert ihr Handeln und wirkt so auf die<br />
Gegenwart und die gesellschaftliche Entwicklung. Einerseits<br />
geht es im Projekt „<strong>Esslingen</strong> 2030“ um gesellschaftliche<br />
Tendenzen und plausible Erwartungen für die Stadt im Jahr<br />
2030, andererseits aber auch um Ziele, die anzustreben sind<br />
und die das Handeln leiten können. Im Fokus steht die Bewertung<br />
von Zukunftsszenarien und die Erarbeitung positiv<br />
besetzter Visionen. Ausgangspunkt sind die spezifischen örtlichen<br />
Gegebenheiten in einem Stadtteil, von besonderem Interesse<br />
sind daher die Wahrnehmungen und Erwartungen der<br />
Akteure vor Ort. Welche möglichen Entwicklungen sind im Sinne<br />
der Betroffenen bzw. Beteiligten und welche Entwicklungen<br />
laufen ihren Wünschen zuwider? Wo ist also mit Zuspruch<br />
und Engagement zu rechnen und wo mit Unzufriedenheit und<br />
Widerstand?<br />
Angeknüpft wird dabei an eine alte Tradition – der kritische<br />
Blick auf die Gegenwart und der Entwurf einer besseren Zukunft<br />
macht den Kern der Reihe von berühmt gewordenen<br />
Utopien aus, die in der Vergangenheit entwickelt wurden. Neben<br />
Visionen vom neuen Menschen und von vernünftigeren<br />
oder gerechteren sozialen Verhältnissen finden sich in den<br />
Utopien Entwürfe idealer Städte und Räume.<br />
„Denken in Utopien, utopische Vorstellungen scheinen so<br />
alt zu sein wie menschliches Denken, die Antizipation des Vorstellbaren,<br />
Gewünschten oder Verbotenen selbst. Utopien<br />
sind mit E. Bloch ,begriffene Hoffnung‘. Sie stellen Zukunfts-<br />
projektionen und alternative Denkansätze gegenüber dem<br />
lebensbedrohlichen Alltag der Gesellschaft dar. Der ,Staat‘<br />
von Platon, ,Utopia‘ von Th. Morus, der ,Sonnenstaat‘ von T.<br />
Campanella, das ,Haus Salomon‘ von F. Bacon, ,Richelieu‘ –<br />
die Idealstadt des gleichnamigen französischen Kardinals im<br />
17. Jahrhundert – von J. Lermercier, das ,Manifest der kommunistischen<br />
Partei‘ von K. Marx, die ,Charta von Athen‘ u.a. von<br />
Le Corbusier, die sich im ,Diskurs um Verständigung bemühende<br />
Kommunikationsgemeinschaft‘ von J. Habermas oder die<br />
Idee einer ,Zivil-Gesellschaft‘ in der Denktradition von A.<br />
Gramsci zeichnen eine lange Kette der utopischen Phantasieproduktion,<br />
gesellschaftliche Kritik, ,menschliche Hoffnungen‘,<br />
Träume, Prophezeiungen und Wünsche nach. Sie vermittelt<br />
uns ein historisches Bild der Auseinandersetzung mit<br />
Macht, Herrschaft und Gewalt einerseits, mit sozialer Gerechtigkeit,<br />
sozialer Gleichheit oder Toleranz andererseits.“ 1<br />
In der Zukunftsforschung, der „wissenschaftlichen Befassung<br />
mit möglichen, wünschenswerten und wahrscheinlichen<br />
Zukunftsentwicklungen und Gestaltungsoptionen sowie deren<br />
Voraussetzungen in Vergangenheit und Gegenwart“ 2, wird<br />
seit dem 19. Jahrhundert die Tradition der Utopien fortgeführt,<br />
nun aber basierend auf einem empirischen Wissenschaftsverständnis.<br />
Die Szenarien der Zukunftsforschung befassen sich<br />
nicht mehr rein normativ mit dem, was sein soll, sondern beziehen<br />
sich auf, durch die Analyse der Gegenwart, als wahrscheinlich<br />
anzunehmende Entwicklungen, ohne sich allerdings<br />
der Wertung zu enthalten.<br />
Heute ist vielfach von Utopieverlust oder dem Ende der Utopien<br />
die Rede, anstelle von optimistischem Gestaltungswillen<br />
wird „melancholiereiche Ratlosigkeit“ 3 diagnostiziert. Diese