Der dressierte Mann - WikiMANNia
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ter die Erziehung fortschreitet, desto mehr wird das kleine Mädchen zur Ausbeuterin erzogen, der kleine<br />
Junge zum auszubeutenden Objekt.<br />
Ein wichtiges Mittel dazu ist das Kinderspielzeug. Indem sie den Spieltrieb ihrer kleinen Kinder zuerst<br />
fördert und dann ausnützt, lenkt die Frau wie zufällig in die gewünschte Richtung. Dem kleinen Mädchen<br />
gibt sie Puppen und Puppenaccessoires: Wagen, Bettchen, Miniaturgeschirr; dem kleinen Jungen alles, was<br />
das Mädchen nicht bekommt: Baukästen, Modelle von elektrischen Eisenbahnen, Rennwagen, Flugzeugen.<br />
So erhält das weibliche Kind früh Gelegenheit, sich mit seiner Mutter zu identifizieren, die Rolle der Frau<br />
zu) erlernen: Es überträgt deren Dressursysteme auf die Puppen, lobt und tadelt, wie es selbst gelobt und<br />
getadelt wird, lernt spielerisch die Grundgesetze der Menschenführung. Und weil auch das kleine Mädchen<br />
auf Lob angewiesen ist, dieses Lob aber nur für Identifikationen mit der Frauenrolle bekommt, wird es<br />
auch später nichts anderes sein wollen als »weiblich«. Seine maßgebende Instanz werden deshalb immer<br />
Frauen sein, nie Männer, weil nur Frauen beurteilen können, wie gut es diese Rolle spielt (den Männern<br />
wird gelehrt, die Frauenrolle sei minderwertig, sie kommen daher als Lobredner nicht in Frage).<br />
Dem männlichen Kind wird für alles applaudiert, nur nicht für das Spiel mit Miniaturmenschen. Es baut<br />
Modelle von Schleusen, Brücken, Kanälen, zerlegt aus Neugier Spielzeugautos, feuert Schüsse aus Spielzeugpistolen<br />
und übt so alles, was es später zum Unterhalt der Frau einmal brauchen wird. Wenn ein kleiner<br />
Junge ins Schulalter kommt, kennt er bereits die Grundgesetze der Mechanik, Biologie, Elektrotechnik<br />
aus eigener Erfahrung, er kann Hütten aus Brettern bauen und in Kriegsspielen verteidigen. Je mehr eigene<br />
Initiative er dabei entwickelt, desto sicherer erntet er Lob. Die Frau ist ja daran interessiert, daß er bald<br />
mehr weiß als sie - sie selbst könnte sich mit ihren Kenntnissen in einer Welt ohne Männer kaum am Leben<br />
erhalten -und daß er sich in allem, was Arbeit betrifft, ganz von ihr unabhängig macht. <strong>Der</strong> <strong>Mann</strong> ist<br />
für sie zwar eine Maschine, aber keine gewöhnliche: Eine solche müßte ja von ihr fachkundig bedient oder<br />
zumindest programmiert werden. Wenn eine Frau wüßte, was das ist, würde sie ihn als eine Art Roboter<br />
mit Bewußtsein bezeichnen, der fähig ist, sich selbst zu programmieren (und daher, sich weiterzuentwickeln)<br />
und sich jeder neuen Situation mit neuem Programm ideal anzupassen (auch die Wissenschaftler<br />
arbeiten an der Entwicklung solcher Roboter, die für sie arbeiten, entscheiden und denken und ihnen die<br />
Früchte ihrer Aktivität zur Verfügung stellen - freilich Roboter aus unbelebter Materie).<br />
So ist der <strong>Mann</strong>, noch bevor er sich für die eine oder andere Lebensweise selbständig entscheiden könnte,<br />
derart süchtig geworden nach Lob, daß er sich nur noch bei solchen Tätigkeiten wohl fühlt, für die ihm<br />
jemand Beifall zollt. Und er wird, weil er süchtig ist, immer mehr Beifall brauchen und daher immer größere<br />
Leistungen in der von der Frau gewünschten Richtung vollbringen müssen. Natürlich könnte der Beifall<br />
im Prinzip auch von einem <strong>Mann</strong> kommen, aber die Männer sind - aus eben diesen Gründen - ununterbrochen<br />
beschäftigt und stehen gegeneinander in feindseliger Konkurrenz. Deshalb holt sich ein <strong>Mann</strong>,<br />
'sobald er es sich leisten kann, seinen eigenen, exklusiven Lobredner ins Haus: jemand, den er jederzeit<br />
fragen kann, ob er gut und brav war oder nicht, und wie gut und wie brav er war. Die Frau ist, scheinbar<br />
zufällig, für diese Rolle die ideale Besetzung - aber sie hat ja alles so inszeniert und nur darauf gewartet,<br />
sie zu übernehmen.<br />
Nur selten gelingt es einem <strong>Mann</strong> - einem erfolgreichen Künstler oder Wissenschaftler etwa - diesen Bann<br />
zu brechen und seinen dringend benötigten Beifall auch von Männern zu beziehen. So macht er sich zwar<br />
von den Frauen unabhängig, aber nie von der Sucht nach Beifall selbst. <strong>Der</strong> Beweis dafür ist, daß ein<br />
<strong>Mann</strong>, der auf einem bestimmten Gebiet erfolgreich war und daher auch materiell gesichert ist, sich nie<br />
freiwillig in ein anderes begibt, um dort seine Fähigkeiten zu erproben und seine Neugier zu befriedigen.<br />
In der Regel arbeitet er - wie zum Beispiel Mirö mit seiner Strichpunkt-Technik, Strauß mit seinen Walzern,<br />
oder Tennessee Williams mit seinen Frauendramen - immer auf dem Terrain, auf dem er schon einmal<br />
Lob geerntet hat. Er scheut das Risiko, sein eigener Maßstab zu sein.<br />
<strong>Der</strong> Verdacht, daß der sogenannte »persönliche« Stil eines Künstlers nichts Positives ist, liegt sehr nah. Ein<br />
Autor wie Beckett etwa, der im Lauf von zwanzig Jahren immer GoJot-Varianten produziert, tut das nicht<br />
aus Vergnügen (dafür ist er zu intelligent). Er scheut - lobsüchtig - das Risiko wie eine Entziehungskur.<br />
Könnte er sich doch von seiner konditionierten Verhaltensweise lösen! Längst hätte er etwas anderes gemacht,<br />
vielleicht Flugzeuge konstruiert (die zuverlässige Mechanik seiner Stücke läßt auf technische Begabung<br />
schließen), seltene Pflanzen gezüchtet oder zumindest einmal eine Komödie geschrieben (soviel<br />
Erfolg verprellt bestimmt die beste Verzweiflung). Vielleicht eine Komödie, in der eine Frau bis zur Taille<br />
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