08.10.2013 Aufrufe

Der dressierte Mann - WikiMANNia

Der dressierte Mann - WikiMANNia

Der dressierte Mann - WikiMANNia

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

daß er keinen Wert darauf legt, daß seine Frau zur Pflege ihrer Augenlider drei verschiedene Puderfarben<br />

verwendet (genauso, wie er weiß, daß er keine Zimmerpflanzen und keine Spitzenvorhänge an seinem<br />

Fenster brauchte), doch er denkt, genau wie bei der Hausarbeit, daß die anderen Männer oder die Gesellschaft<br />

dies von einer Frau verlangen, und er bedauert sie deswegen und fühlt sich für diese Entwicklung<br />

persönlich verantwortlich. Da er weiß, daß er und seine Geschlechtsgenossen nur auf das Äußere einer<br />

Frau Wert legen, auf Sexsymbole und eine gewisse Verfremdung durch Schminke, die sich jedoch in<br />

Grenzen hält (worauf sollen sie bei der Dummheit und Gefühlsarmut der Frau eigentlich sonst Wert legen?),<br />

folgert er, daß deren unermüdliche Beschäftigung mit ihrem Körper sich nur mit einem Übereifer<br />

bei der Erfüllung der männlichen Ansprüche erklären läßt, und fühlt sich schuldbewußt und gerührt. Durch<br />

seine primitiven Bedürfnisse mache er die Frau zum Objekt, meint er (zum Lustobjekt), unterdrücke ihre<br />

wertvollen Eigenschaften (die ja tatsächlich nirgends zu finden sind!) - und geht damit natürlich wieder<br />

einmal haarscharf an der Wahrheit vorbei. Denn daß diese ganze Entwicklung die bisher höchste Stufe<br />

weiblicher Kultur ist, daß Frauen sich durch Mode und Kosmetik nicht zu Objekten machen, sondern daß<br />

ihre fortwährende Beschäftigung mit diesen Dingen der geistigen Aktivität unendlich primitiver Subjekte<br />

entspricht, mag er in seinem eigenen Interesse nicht denken.<br />

Und noch etwas kann er nicht wissen: daß nämlich die Art, wie eine Frau sich sozusagen Tag für Tag völlig<br />

neu erschafft, wie sie sich durch ihre vielfältigen Maskeraden immer wieder vor sich selbst verfremdet,<br />

sie nicht nur amüsiert, sondern auch noch ihr ohnehin sehr schwaches Religionsbedürfnis (das, wie wir im<br />

Kapitel über die »Lust an der Unfreiheit« gesehen haben, durch ihre geringe Intelligenz bedingt ist) befriedigt.<br />

Jeder Schritt zu einer solchen Verwandlung erfordert ja ganz neutrale, kritische Selbstbeobachtung<br />

von ihr und zwingt sie praktisch dazu, sich ständig mit den Augen einer fremden Zuschauerin zu sehen und<br />

ihr Werk mit deren Maßstäben im Laufe eines Tages tausendmal zu überprüfen. Folglich kann sie sich,<br />

wenn die Verwandlung gelingt, wenn die Maskerade den Anforderungen der Fremden entspricht oder diese<br />

sogar noch übertrifft, mit deren Augen auch hemmungslos bewundern. Sie ist durch diesen Trick sozusagen<br />

in der Lage, sich selbst zu verherrlichen, und bleibt damit vor jedem System, das dazu dient, die<br />

menschliche Lust an der Unfreiheit zu befriedigen (Ideologien, Religionen, Verherrlichung eines anderen),<br />

weitgehend verschont.<br />

Aus allem, was die Frauen mit sich anstellen, und was immer ihrer Verschönerung dient, ergibt sich für die<br />

Männer eine logische Konsequenz: daß Frauen nämlich Männer, selbst wenn sie sie beachten würden, auf<br />

keinen Fall schön finden könnten. Es heißt zwar, »ein <strong>Mann</strong> muß nicht schön sein«, und viele Männer zitieren<br />

diese Weisheit ganz ohne Hintergedanken sogar noch selbst, aber offensichtlich ist es doch so, daß<br />

er nicht nur nicht schön sein muß, sondern daß er, selbst wenn er es wünschte, in den Augen der Frauen<br />

nicht einmal schön sein könnte. Wenn die Frauen sich in ihrer albernen Maskerade selbst schön finden<br />

(und nichts deutet das Gegenteil an), können sie nicht zugleich die weitgehend ungeschminkten, uniformierten<br />

Männer schön finden; diese wären in ihren Augen ja bestenfalls Vorstufen zu Menschen, Rohmaterial,<br />

Entwürfe. Ein <strong>Mann</strong> ist daher für die Frau in gewissem Sinn sowieso immer häßlich, und folglich<br />

kann sie bei ihrer Wahl sein Äußeres auch völlig ignorieren und sich ganz frei - das heißt nur nach dem<br />

Lebensstandard, den er ihr bieten könnte - entscheiden.<br />

Besonders sensible Männer müssen dies in jüngerer Zeit auch selbst empfunden haben und versuchen daher,<br />

nach den Maßstäben der Frau schön zu werden und diese endlich auch einmal durch ihr Äußeres zu<br />

beeindrucken. Doch dieser Ausbruchversuch ist inzwischen so gut wie gescheitert: Erstens konnten alle<br />

diese Männer unmöglich von heute auf morgen das erreichen, was Frauen in Generationen kultiviert haben<br />

(das lange Haar eines <strong>Mann</strong>es ist nie so seidig, seine Haut nie so zart und seine Garderobe nie so erlesen<br />

extravagant wie die einer Frau), zweitens haben die Legionen versklavter Männer diese Verräter sofort aus<br />

ihrer Gemeinschaft ausgestoßen und ihnen weitgehend die Verdienstmöglichkeiten gesperrt.<br />

Heute maskieren sich fast nur noch jene - Dichter, Maler, Musiker in Beatbands, Hippies, Schauspieler,<br />

Journalisten, Fotografen - die gerade mit dieser Maskerade, als eine Art Hofnarren der Bourgeoisie, ihr<br />

Geld verdienen, und fast jeder von ihnen hat auch eine Frau, die dieses Geld sofort wieder verwertet. Beim<br />

Dichter ist es die Muse, beim Maler das Modell und bei den jungen Beatmusikern das Groupie, das auf<br />

ihre Kosten lebt. Und sollten sich wirklich einmal lange Haare oder Halsketten für Männer allgemein<br />

durchsetzen (was durchaus möglich ist, denn alle hundert Jahre gibt es, meist wegen der inzwischen veränderten<br />

Arbeitsbedingungen, auch in der Herrenmode kleine Varianten), dann werden diese langen Haare<br />

44

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!