Nord & Süd | Nummer 2 | Energie - BLS
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Es ist leicht zu erkennen, dass eine Fortsetzung dieser<br />
Ausplünderung unseres Planeten in eine Sackgasse<br />
führt. Viele glauben noch immer, dass unendliches Wachstum<br />
möglich sei, denn der technologische Wandel senke<br />
zwangsläufig den Materialeinsatz. Dahinter verbirgt sich<br />
die Vorstellung, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) könne von<br />
Materialverwertung und Umweltverschmutzung so abgekoppelt<br />
werden, dass es ins Unermessliche steigen kann,<br />
während der Materialeinsatz schrumpft.<br />
Doch obwohl heute jeder Dollar des BIP einen geringeren<br />
Materialstrom verursacht, hat das Wachstum des<br />
BIP im Verlauf der vergangenen 25 Jahre diesen Effizienzgewinn<br />
fast überall sogar überkompensiert. Zwischen<br />
1980 und 2005 steigerten die USA und Kanada ihren Materialeinsatz<br />
um 54 Prozent. Die Bevölkerungszahl stieg in<br />
der gleichen Zeit allerdings nur um 35 Prozent. Die Folge:<br />
Obwohl der Materialeinsatz pro Dollar des BIP um etwa<br />
ein Viertel sank, verdoppelte sich seine absolute Menge.<br />
109<br />
Mehr menschliches Miteinander<br />
Wir sollten uns auch klarmachen, dass sich unsere<br />
Konsumkultur drastisch geändert hat. Es geht nicht mehr<br />
so sehr um das Produkt an sich, sondern es ist mehr und<br />
mehr zum Statussymbol geworden. Frei nach dem Motto:<br />
Image ist alles! Besonders eindrucksvoll lässt sich das<br />
an Marken-Sportschuhen zeigen. Ihre Herstellung kostet<br />
nur ein paar Dollar, dennoch sind viele Konsumenten be-<br />
Juliet Schor<br />
reit, dafür 200 Dollar und mehr zu zahlen – allein um<br />
zu zeigen, dass sie es sich leisten können.<br />
Solche Rituale müssen wir aufgeben, wenn es<br />
uns ernst ist mit der Rettung der Erde. Wir müssen nicht<br />
nur kritischer einkaufen, sondern auch verzichten lernen,<br />
um die Umwelt zu schonen. Damit komme ich zum vierten<br />
und letzten Grundpfeiler von Plenitude. Er handelt von<br />
der Notwendigkeit, wieder mehr in das menschliche Miteinander<br />
zu inves tieren. Normalerweise werden soziale Beziehungen<br />
nicht unter wirtschaftlichen Aspekten betrachtet.<br />
Ich tue das sehr wohl. Für mich sind sie eine Form von<br />
Reichtum, die mindestens genauso wichtig ist wie Geld<br />
oder materielle Güter. Denn vor allem in schwierigen Zeiten<br />
überleben und entwickeln sich Menschen weiter, indem<br />
sie füreinander einstehen. Wo allein Business und<br />
Geldverdienen im Vordergrund stehen, leidet dieses Verständnis;<br />
die mensch lichen Beziehungen werden schwächer,<br />
denn niemand hat mehr Zeit, außerhalb seiner Kernfamilie<br />
soziale Bezie hungen zu pflegen. Wir verarmen<br />
emotional wie gesellschaftlich.<br />
Zusammengefasst ergeben die vier Grundsätze<br />
eine einfache Formel: Arbeite und konsumiere weniger –<br />
schaffe stattdessen mehr Werte und Produkte selbst und<br />
knüpfe vor allem wieder mehr menschliche Kontakte.<br />
Diese Einstellung würde die Umwelt entlasten und zugleich<br />
das Leben bereichern. Wir könnten es mehr genießen<br />
und würden aufblühen.