Nord & Süd | Nummer 2 | Energie - BLS
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Arbeiter des Unternehmens Soleto Città del Sole auf einem<br />
12 Hektar großen Fotovoltaikfeld in der süditalienischen Provinz<br />
Lecce<br />
In 60 Metern Höhe schwebt die 340.000 Tonnen schwere<br />
Stahlbrücke über dem Mittelmeer. Sie überspannt die<br />
Straße von Messina zwischen Sizilien und der Stiefelspitze<br />
auf 3,3 Kilometern Länge – allerdings nur im Werbefilm.<br />
Das gigantische Prestigeprojekt von Silvio Berlusconi,<br />
Phantom vieler Wahlkämpfe, ist endgültig begraben. Dafür<br />
wird ein anderer Brückenschlag Realität. Das weltweit<br />
längste verlegte Unterseekabel zum Transport von Wechselstrom<br />
bindet künftig das Wind- und Sonnenkraft-Dorado<br />
Sizilien ans Festland an. 700 Millionen Euro investiert<br />
der römische Netzbetreiber Terna gerade in die „Brücke der<br />
<strong>Energie</strong>“, die modernste elektrische Infrastruktur Italiens.<br />
Die neue Stromtrasse auf dem Meeresgrund ist nur<br />
ein kleiner Teil der Modernisierungsvorhaben von Terna.<br />
Mit insgesamt sieben Milliarden Euro soll Italiens Netz<br />
hochgerüstet werden. Viele Projekte befinden sich in der<br />
Planung – zum Beispiel der Bau von zwei Hochspannungsleitungen<br />
auf Sizilien. Keine Frage: Der Ökostromboom hat<br />
Italien unter Zugzwang gesetzt. Denn der rapide ansteigende<br />
Beitrag des grünen Stroms sorgt für Probleme, etwa<br />
in der Weiterleitung. Italien steht in den kommenden Jahren<br />
vor enormen Veränderungen, prophezeit darum die<br />
Aufsichtsbehörde für <strong>Energie</strong> in Rom. „Bislang war die<br />
stürmische und unplanmäßige Entwicklung der erneuerbaren<br />
<strong>Energie</strong>n der wesentliche Driver des Strommarktes“,<br />
konstatieren die Aufseher. Nun stößt das unkoordinierte<br />
Wachstum an seine Grenzen.<br />
Denn auf eine nationale <strong>Energie</strong>strategie wartet man<br />
in Italien wie bei Samuel Beckett auf Godot. Ein längst in<br />
Vergessenheit geratener Industrieminister legte vor einem<br />
Vierteljahrhundert die Grundsätze der <strong>Energie</strong>politik fest.<br />
Qualitätskontrolle in einer Barilla-Fabrik. Nudelkönig Guido Barilla:<br />
„Die exorbitanten <strong>Energie</strong>preise sind unser größtes Handycap.“<br />
Das war 1988. Seither drückt sich Rom vor der Planung.<br />
Zwar versprach jede italienische Regierung in der Vergangenheit,<br />
die Säumnis schleunigst zu beenden. Doch nichts<br />
geschah.<br />
30 Unternehmen Italien: <strong>Energie</strong>riese ohne Regie<br />
Für seine notorische Zukunftsvergessenheit bezahlt<br />
Italien einen hohen Preis – auch in der <strong>Energie</strong>versorgung.<br />
Das rohstoffarme Mittelmeerland ist extrem abhängig vom<br />
Import: 84 Prozent des <strong>Energie</strong>bedarfs werden durch Einfuhren<br />
aus dem Ausland gedeckt. Der EU-Durchschnitt<br />
liegt bei 53 Prozent. So kostet eine Megawattstunde Strom<br />
in Italien 41 Prozent mehr als in Deutschland. „Die exorbitanten<br />
<strong>Energie</strong>preise sind unser größtes Handicap“, sagt<br />
Nudelkönig Guido Barilla. Die Klage des Weltmarktführers<br />
aus Parma teilen viele Unternehmer auf dem Apennin. Inzwischen<br />
ist der Leidensdruck so hoch, dass sich die Politik<br />
dem Handlungsbedarf nicht mehr entziehen kann. Boxt<br />
nicht ein Aufschwung das Land aus zwei Jahrzehnten Stagnation<br />
und Rezession, gibt es für Italien kein Entrinnen<br />
aus der Schuldenkrise. Godot ante portas also?<br />
Ambitionierter Plan<br />
Die Notregierung von Wirtschaftsprofessor Mario Monti<br />
unternahm im Herbst 2012 einen Anlauf, dem vergeblichen<br />
Warten ein Ende zu bereiten. Industrieminister Corrado<br />
Passera legte im Oktober eine Nationale <strong>Energie</strong>strategie<br />
(SEN) vor. Erklärtes Ziel: Bis 2020 soll sich Italien von den<br />
überhöhten Stromtarifen befreien. Die Verbraucher zahlen<br />
im Schnitt 25 Prozent mehr für <strong>Energie</strong> als ihre europäi-