Nord & Süd | Nummer 2 | Energie - BLS
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Lenz Koppelstätter<br />
Die Möglichkeit<br />
einer Insel<br />
Illustration — Svenja Plaas<br />
<strong>Süd</strong>tirol, das idyllische Tourismusland. Aber was bietet<br />
die Region dem Ökotouristen? Ein Selbstversuch. Der<br />
Deal: Anreise, Übernachtung, Tagesprogramm. Möglichst<br />
umweltbewusst, biologisch und nachhaltig. Der Anspruch:<br />
Der Kurzurlaub soll nicht in Stress ausarten und gleichzeitig<br />
das ökologische Gewissen ruhig halten. Ist diese<br />
Balance möglich?<br />
Alles beginnt, wie bei einer zeitgemäßen Urlaubsplanung<br />
üblich, mit einer Google-Recherche: Gibt man die<br />
Begriffe „Öko“, „Nachhaltigkeit“, „Urlaub“ und „<strong>Süd</strong>tirol“<br />
in die Suchmaske ein, dann erscheinen rund 800.000 Treffer.<br />
Mit Urlaub in <strong>Süd</strong>tirol haben die meisten nichts zu tun,<br />
sie preisen Reisedestinationen irgendwo in der Welt an<br />
– mit so klingenden Begriffen wie „Naturhotel“, „Vitalhotel“,<br />
„Ferien mit Mehrwert“, „Urlaub für Allergiker“, „Tourismus<br />
2 .0“. Ökotourismus, das merkt man schnell, ist ein überreiztes<br />
George-Orwell-Wort. Laut Wikipedia ist Ökotourismus<br />
eine auf die Belange von Umwelt und ansässiger<br />
47 Lenz Koppelstätter<br />
Bevölkerung besonders Rücksicht nehmende Form des<br />
Tourismus. Aber seitdem mir einmal ein Zimmervermieter<br />
in Hongkong ein Sechsbettzimmer mit vergammelten Matratzen<br />
und einem kleinen Fenster zu einer stinkenden Geflügelfarm<br />
hinaus als Ökounterkunft andrehen wollte, bin<br />
ich da skeptisch.<br />
<strong>Süd</strong>tirol ökologisch bereisen heißt erst einmal, sich<br />
durch ein Potpourri im Netz kämpfen. Erst nach einer Weile<br />
stößt man auf Angebote wie die „Alpine Pearls“. Der gleichnamige<br />
Verein vergibt das Qualitätssiegel an <strong>Süd</strong>tiroler<br />
Gemeinden wie Ratschings, Villnöß, Tiers, Karneid-Steinegg,<br />
Moos in Passeier, Welschnofen oder Deutschnofen,<br />
die Ideen für einen nachhaltigen Tourismus entwickelt<br />
haben. Es ist ein Angebot, das vor allem einen möglichst<br />
autofreien Urlaub mit Shuttle-Service bietet. Ein weiteres<br />
Fundstück ist das Qualitätssiegel „Roter Hahn“. Es steht<br />
für Urlaub auf dem Bauernhof mit hauseigenen Produkten.<br />
Und dann trifft man beim Googeln noch auf Sand<br />
in Taufers im Pustertal. 2008 wurde das Dorf im Osten<br />
<strong>Süd</strong>tirols zur ersten Agenda-21-Gemeinde <strong>Süd</strong>tirols gekürt.<br />
Die Agenda wurde bei der UNO-Konferenz 1992 in Rio<br />
de Janeiro entwickelt und bietet einen Leitfaden für nachhaltige<br />
Entwicklung. Sand in Taufers möchte außerdem die<br />
erste CO 2 -neutrale Gemeinde <strong>Süd</strong>tirols werden. Es geht<br />
dabei darum, <strong>Energie</strong>einsparung durch Wasserkraft zu<br />
erlangen, KlimaHaus-Standards bei Gebäuden umzusetzen<br />
oder Fotovoltaik bei der Straßenbeleuchtung zu nutzen.<br />
<strong>Süd</strong>tirol ökologisch bereisen<br />
Anreise von Verona aus, eingepfercht in einem überfüllten<br />
Zugabteil. Ein Herr mit Skiern steht neben mir. Eine italienische<br />
Familie mit Kindern und Nonna. Sie tragen Weihnachtsmützen<br />
und wollen zum Christkindlmarkt. Reise in<br />
Richtung <strong>Nord</strong>en, Blick zum Fenster hinaus, auf den kilometerlangen<br />
Stau auf der Brennerautobahn. Über die Autobahn<br />
in die Berge, mit dem Sessellift über abgeholzte<br />
Hänge auf die Gipfel – sind „Öko“ und „Urlaub“<br />
und „<strong>Süd</strong>tirol“ nicht alles Widersprüche in<br />
sich? In Bozen leert sich das Abteil, endlich ein<br />
Sitzplatz, in Franzensfeste, einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt<br />
im Brennerverkehr, klappt das<br />
Umsteigen problemlos. Aber das ist es ja nicht,<br />
was mich die ganze Zeit gestresst hat. Es war die<br />
Unge wissheit, die Befürchtung, dass das Umsteigen<br />
nicht klappen könnte. Bei meiner Ankunft im<br />
Design hotel Feldmilla ist es schon längst dunkel.<br />
<strong>Süd</strong>tirol ökologisch bereisen heißt: langsam<br />
reisen, mögliche Umwege und Verzögerungen<br />
gelassen in Kauf nehmen. „Urlaub mit gutem<br />
Gewissen“, so steht es in den Prospekten von Feldmilla.<br />
2011 zum ersten klimaneutralen Hotel <strong>Süd</strong>tirols<br />
ausgezeichnet. Seit 1939 im Besitz eines<br />
hauseigenen Wasserkraftwerks. Das Heizsystem<br />
basiert auf Wärmepumpen und Biomasse aus dem Fernheizwerk.<br />
Die nicht vermeidbaren CO 2 -Emissionen werden<br />
durch Emissionszertifikate ausgeglichen. Zudem wird der<br />
Bau eines Wasserkraftwerks in Guatemala unterstützt.