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Kulturnation, Staatsnation und Wirtschaftsnation bei Fichte und Herder

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damit nicht wie sie die Subjektivität der Einzelmenschen, sondern wie Treitschke die Subjektivität<br />

der Nation selbst meint. Ihm interessiert das Einzelbewußtsein nur als historische Vorstufe des<br />

Kollektivbewußtseins: « Die Nation trank gleichsam das Blut der freien Persönlichkeit, um sich<br />

selbst zur Persönlichkeit zu erheben (Meinecke 1907, 16) ». Eben diese Reihenfolge versucht er in<br />

dem Werk von <strong>Fichte</strong> nachzuweisen, der in seinen « Reden an die deutsche Nation » vom<br />

Individualisten zum fast brauchbaren Nationalisten aufgestiegen sein soll (vgl. 84-112).<br />

Zur Subjektivität der <strong>Kulturnation</strong>: <strong>Fichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Herder</strong><br />

In diesem Abschnitt geht es gleichzeitig um zwei Fragen. Kann <strong>bei</strong> <strong>Fichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Herder</strong> von einer<br />

subjektiven <strong>Kulturnation</strong> im Sinne von Meinecke gesprochen werden? Kann <strong>bei</strong> ihnen von einer<br />

objektiven <strong>Kulturnation</strong> im Sinne der Nachfolger von Meinecke gesprochen werden? Die<br />

Verwirrung, die sich daraus ergeben kann, kann ich nicht vermeiden. Die zwei vorigen Abschnitte<br />

habe ich aber zur Vorbeugung dieses Problems geschrieben.<br />

Zur Zeit des Referats, das ich in dem Projektkurs über <strong>Fichte</strong> gehalten habe, habe ich noch<br />

angenommen, daß Meinecke <strong>Fichte</strong> zu den Vertretern der <strong>Kulturnation</strong> also automatisch auch zu den<br />

Vertretern der Objektivität gezählt hatte. Das war zumindest die gängige Meinung seiner Nachfolger.<br />

Ich versuchte als Antwort auf diese gängige Meinung zu zeigen, daß die <strong>Kulturnation</strong> <strong>bei</strong>m <strong>Fichte</strong><br />

der « Reden an die deutsche Nation » nicht politisch gemeint ist, mußte aber im nachhinein sehen,<br />

daß Meinecke selbst mir hierin Recht gab (vgl. 99-101). Zum Glück hatte ich ihn im Referat nicht<br />

erwähnt.<br />

<strong>Fichte</strong> spricht in der ersten Rede alle Deutsche schlechtweg an (vgl. <strong>Fichte</strong> 1808, 266), meint aber<br />

damit alle Deutschsprachigen, ohne damit den Anspruch auf einen gemeinsamen deutschen Staat zu<br />

verbinden. Einen solchen deutschen Gesamstaat lehnt er in der neunten Rede sogar ab, insofern er<br />

eine Gefahr für die Freiheit bedeuten kann (vgl. 396-397). Er sprach aus Erfahrung, da er gerade<br />

wegen des Atheismusstreits Jena hatte verlassen müssen <strong>und</strong> in Preußen Zuflucht gef<strong>und</strong>en hatte.<br />

Und die Erfahrung bestätigte ihn weiter, da die preußische Zensur seine dreizehnte Rede nicht<br />

durchgehen ließ <strong>und</strong> nach den Karlsbader Beschlüssen sogar den Druck seiner ganzen « Reden an die<br />

deutsche Nation » verbieten ließ. Meinecke, der nicht nur, wie noch Treitschke (vgl. Treitschke<br />

1864, 141), die erste Rede zitiert, sondern auch die neunte Rede berücksichtigt, ist daher klar, daß<br />

<strong>Fichte</strong> zwar eine deutsche <strong>Kulturnation</strong> angestrebt hat, aber nicht das, was Meinecke unter neue<br />

subjektive <strong>Kulturnation</strong> versteht.<br />

In dem Referat über <strong>Fichte</strong> habe ich mich auch dagegen gewehrt, ihn zum Vertreter objektiver<br />

Kriterien der <strong>Kulturnation</strong> zu machen, weil es nicht dem entspricht, was er in seinen « Reden an die<br />

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