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Kulturnation, Staatsnation und Wirtschaftsnation bei Fichte und Herder

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Überwindung der Subjektivität beschränkt sich nämlich nicht darauf, die zumeist wirtschaftlichen<br />

Hintergründe des Nationalismus aufzudecken <strong>und</strong> seine Berufung auf kulturelle oder staatliche Werte<br />

für eine Illusion zu halten. Sie macht auch nötig, die kulturelle Subjektivität der einzelnen<br />

Sprachgruppen zu überwinden, sich hier zur individuellen Freiheit durchzuringen (vgl Steiner GA<br />

173, 303-305). Das macht: Wer nach den optimalen kulturellen Grenzen sucht, findet zuletzt das<br />

Individuum, das heißt, sich selbst.<br />

Was haben <strong>Fichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Herder</strong> gef<strong>und</strong>en?<br />

<strong>Fichte</strong> mit seiner deutschen (germanischen) Ursprache plädiert nicht für eine Isolierung vom Ausland<br />

(dem romanischen Frankreich). Er geht sogar so weit, Deutschland so zu beschreiben wie ein Weib,<br />

das der Befruchtung durch das Ausland bedarf (vgl. <strong>Fichte</strong> 1808, 337-343). Überheblich wird er aber<br />

doch, wenn er behauptet, daß alles ins Deutsche, aber umgekehrt nicht alles Deutsche zu übersetzen<br />

ist (vgl. <strong>Fichte</strong> 1808, 326). Denkt man es zu Ende, dann heißt es, daß die Deutschen, einige<br />

Dienstübersetzer ausgenommen, Fremdsprachen gar nicht mehr lernen brauchen. Hier steckt <strong>Fichte</strong><br />

noch zu stark in seiner Gruppe. Andererseits weist seine ständige Betonung des Individuums schon<br />

in die gute Richtung.<br />

<strong>Herder</strong> wird oft schon allein deswegen zu den Nationalisten gerechnet, weil er versucht hat, die<br />

verschiedenen Menschengruppen zu charakterisieren. Man vergißt da<strong>bei</strong>, mit welcher Vorsicht er<br />

vorgegangen ist: Wenn ihm die verschiedenen Nationen wie Apfel <strong>und</strong> Traube sind, so ist ihm doch<br />

auch jede Nation ein « großer ungejäteter Garten voll Kraut <strong>und</strong> Unkraut (vgl. <strong>Herder</strong> 1794, 211-<br />

213) ».<br />

Seine Lobreden auf die Slawen haben trotzdem manche Slawen dazu veranlaßt, überheblich zu<br />

werden. Ihm selbst geht es aber eher darum, den Nur-Deutschen zu zeigen, was sie noch von anderen<br />

Völkern lernen könnten: In Zukunft die Landwirtschaft, Wissenschaft <strong>und</strong> Künste nicht mehr<br />

zugunsten des Militärischen zu vernachlässigen (vgl. <strong>Herder</strong> 1791, 273-274+277). Ihm geht es<br />

wenigstens auf keinen Fall darum, den Slawen zu zeigen, daß sie den kriegerischen Geist der<br />

Deutschen nachahmen sollen.<br />

Vielleicht irrt <strong>Herder</strong>, wenn er nach Nationalcharakteren, nach Wiederholungen <strong>und</strong> Lieblingsgängen<br />

der Phantasie <strong>und</strong> Themen <strong>bei</strong> Nationen sucht (vgl. <strong>Herder</strong> 1796, 56-59). Aber man nehme einmal<br />

an, es gebe sie. Dann fragt sich, wie man sich anders vor dem völligen Aufgehen in der eigenen<br />

Gruppe retten kann, als dadurch, daß man sich zuallererst bewußt wird, was sie mit einem tut. Wie<br />

soll man es sonst schaffen, selber aus sich selbst etwas zu machen, <strong>und</strong> auch das wahrzunehmen,<br />

was andere Gruppen einem bringen können? Wer die These von <strong>Herder</strong> ungeprüft ablehnt, läuft die<br />

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