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Kulturnation, Staatsnation und Wirtschaftsnation bei Fichte und Herder

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die eigenen Bewertungskriterien auszuar<strong>bei</strong>ten (vgl. <strong>Herder</strong> 1774a, 83-84; 1785, 333-338). In seiner<br />

Suche nach wissenschaftlicher Objektivität geht ihm aber, anders als dem funktionalen Ansatz, der<br />

kritische Geist der Gegenwart <strong>und</strong> ihrem Nationalismus gegenüber nicht aus.<br />

Dritter Ansatz: Einheitsstaat versus soziale Dreigliederung<br />

Der erste Forschungsansatz hat nur die Alternative zwischen zwei Formen des Nationalismus<br />

gelassen: damit steckt er selbst voll im Nationalismus. Auch wenn er in seiner vereinfachten Fassung<br />

nur noch eine der <strong>bei</strong>den Formen der Nation befürwortet. Bei dem zweiten Forschungsansatz geht es<br />

um die zwei Funktionen eines dritten Nationalismus, der eigentlich hinter jeder Form des<br />

Nationalismus stecken soll. Bei einer dieser <strong>bei</strong>den Funktionen scheint es eine Alternative zum<br />

Nationalismus zu geben, aber leider nicht <strong>bei</strong> der zweiten Funktion. Damit steht dieser Ansatz<br />

immer noch mit einem Bein im Nationalismus. Nun kommt ein dritter Forschungsansatz, der (unter<br />

anderem) versucht, eine Alternative zum Nationalismus zu bieten. Sie soll darin bestehen, den<br />

Einheitsstaat durch eine soziale Dreigliederung zu ersetzen.<br />

Nation als Einheitsstaat<br />

Noch bevor darauf eingegangen wird, was mit « soziale Dreigliederung » gemeint ist, stellt sich die<br />

Frage, was Nationalismus überhaupt mit Einheitsstaat zu tun hat.<br />

Bei Steiner <strong>und</strong> seinen Nachfolgern heißt Einheitsstaat etwas anderes als in der sonstigen<br />

wissenschaftspolitischen Literatur. Während sonst unter Einheitsstaat ein zentralistischer Staat im<br />

Gegensatz zu einem föderalistischen Staat verstanden wird, geht es Steiner um eine andere<br />

Unterscheidung.Bei ihm heißt Einheitsstaat ein Staat, der tendenziell alle Lebensbereiche verwaltet.<br />

Dies kann auch <strong>bei</strong> einem föderalistischen Staat sehr wohl der Fall sein. Die Allmacht bleibt doch<br />

auch dann in Staatshänden, wenn sie nur zwischen einem Oberstaat <strong>und</strong> mehreren Unterstaaten<br />

verteilt wird.<br />

Der Gegensatz zum Einheitsstaat in dem Sinne von Steiner ist eher der Rechtsstaat: ein Staat, der<br />

sich darauf beschränkt, in das Rechtsleben einzugreifen, <strong>und</strong> sowohl Kultur wie Wirtschaft sich<br />

selbst verwalten läßt. Das Wort Rechststaat ist aber auch stark <strong>und</strong> zum Teil anders besetzt. Das<br />

Losungswort von Steiner, die « soziale Dreigliederung », fällt dagegen völlig aus der traditionnellen<br />

Reihe (vgl. Steiner GA 23, 72).<br />

Die Selbstverwaltung von Kultur <strong>und</strong> Wirtschaft <strong>bei</strong> einer sozialen Dreigliederung ist durchaus ernst<br />

gemeint. Der Widerspruch zum Einheitsstaat soll so weit gehen, daß diese <strong>bei</strong>den Bereiche ihre<br />

eigenen Grenzen selbst setzen, unabhängig vom Verlauf der Staatsgrenzen. Kulturgrenzen,<br />

Wirtschaftsgrenzen <strong>und</strong> Staatsgrenzen können also auseinanderklaffen (vgl. Steiner GA 23, 117-118;<br />

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