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Kulturnation, Staatsnation und Wirtschaftsnation bei Fichte und Herder

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deutsche Nation » als Begriff der Nation entwickelt.<br />

Die Sprache, dieses erste vermeintlich « objektive » Kriterium der <strong>Kulturnation</strong>, scheint er in den<br />

Vordergr<strong>und</strong> zu stellen (vgl. <strong>Fichte</strong> 1808, 311-344), was er aber an der deutschen Sprache lobt, ist<br />

ihre Fähigkeit zur Weiterbildung (vgl. 337-339). Eine Fähigkeit, von der er schon lange vor den<br />

Reden ausgeführt hat, daß sie <strong>bei</strong> der Ursprache besonders ausgeprägt gewesen <strong>und</strong> mit der<br />

allgemeinen Kulturentwicklung zurückgegangen ist (vgl. <strong>Fichte</strong> 1795, 313). « Ursprache » meint also<br />

nicht eine traditionsgeb<strong>und</strong>ene Sprache, die so bleibt, wie sie von jeher gewesen ist, sondern gerade<br />

das Gegenteil davon. Nun betrachtet er die deutsche Sprache von diesem Gesichtspunkte aus <strong>und</strong><br />

macht darauf aufmerksam, daß sie, im Unterschied zu den romanischen Sprachen, nicht den<br />

ungebildeten Germanen als ein schon Vollkommenes, als ein Fertiges gegeben worden ist (vgl. <strong>Fichte</strong><br />

1808, 320-324), sondern sich mit ihnen parallel entwickelt hat <strong>und</strong> daher noch umgeformt werden<br />

kann (vgl. 314-319). Es klingt paradox, aber er lobt ausdrücklich deren « Unvollkommenheit » (vgl.<br />

338), ohne sich da<strong>bei</strong> mit ihrem jetztigen Zustand zufrieden zu geben. Er interessiert sich also für die<br />

Freiheit, die die deutsche Sprache dem Subjekt läßt, nicht für das, was sie objektiv schon ohne sein<br />

Zutun ist.<br />

<strong>Herder</strong> geht in seinen Überlegungen über den Ursprung der Sprache in die selbe Richtung, wenn er<br />

betont, daß dem ursprünglichen Menschen wie auch dem Kind die Sprache nicht gegeben wurde<br />

beziehungsweise wird. Die Sprache soll aus der Vernunft des Einzelmenschen ohne M<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

Gesellschaft erf<strong>und</strong>en worden sein. Eltern lehren die Kinder nie die Sprache, ohne daß diese nicht<br />

immer selbst mit erfänden. Das selbe gilt auch, wenn Gott den Menschen die Sprache <strong>bei</strong>gebracht<br />

hat (vgl. <strong>Herder</strong> 1770, 35-37). Die Sprache ist demnach wie <strong>bei</strong> <strong>Fichte</strong> kein objektiv Gegebenes,<br />

sondern ein subjektiv Erar<strong>bei</strong>tetes. Man könnte glauben, daß <strong>Herder</strong> über <strong>Fichte</strong> den Vorzug hat,<br />

dieses subjektive Element in allen Sprachen statt nur in der deutschen Sprache zu suchen. Es ist aber<br />

nicht der Fall, weil sich ähnliche Aussagen auch <strong>bei</strong> <strong>Fichte</strong> finden, dem die Vernunft nicht aus der<br />

Sprache entstanden ist (vgl. <strong>Fichte</strong> 1795, 309). Unterschiedlich ist eher die Einschätzung der «<br />

gebildeten » französischen Sprache, die laut <strong>Herder</strong> sich doch weiter bildet (vgl. <strong>Herder</strong> 1770, 102),<br />

was <strong>bei</strong> <strong>Fichte</strong> nicht der Fall ist.<br />

Was am meisten zur Mißinterpretation von <strong>Fichte</strong> <strong>bei</strong>getragen hat, ist wahrscheinlich sein<br />

vielzitiertes Schlagwort, die Deutschen ein « Urvolk » sind. Es wird meistens so verstanden, als ob<br />

<strong>Fichte</strong> sich damit auf eine reine oder wenigstens reinere germanische Abstammung der Deutschen<br />

berufen hätte. Ein erster Schritt zum Nationalsozialismus... Die Abstammung als Kriterium der<br />

deutschen Nationalität lehnt <strong>Fichte</strong> aber ausdrücklich ab. Die Deutschen hält er eben genauso für<br />

Mischlinge wie andere Völker, wenn nicht noch mehr, was ihn aber völlig gleichgültig läßt (vgl.<br />

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