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Kulturnation, Staatsnation und Wirtschaftsnation bei Fichte und Herder

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Drei Ansätze der Nationalismusforschung<br />

Überblick<br />

Als Vertreter des ersten Ansatzes (<strong>Staatsnation</strong> <strong>und</strong> <strong>Kulturnation</strong>) gilt Meinecke. Man mag von<br />

seiner Theorie mehr oder weniger halten, eines steht wenigstens fest: Meinecke ist Opfer des<br />

Querlesens geworden, so daß seine Theorie heute nur in einer amputierten Fassung im Umlauf ist.<br />

Ich muß sogar gestehen, daß ich <strong>bei</strong>m ersten Lesen nicht gleich darauf aufmerksam geworden bin. Ich<br />

war selbst noch zu stark unter dem Eindruck der in späteren Texten üblichen Unterscheidung<br />

zwischen objektiver <strong>Kulturnation</strong> <strong>und</strong> subjektiver <strong>Staatsnation</strong> um zu sehen, daß sie <strong>bei</strong> Meinecke in<br />

dieser Form nicht zu finden ist. Diese Zuordnung der <strong>Kulturnation</strong> zum Objektiven <strong>und</strong> der<br />

<strong>Staatsnation</strong> zum Subjektiven, wie sie ihm noch heute zugeschoben wird, entspricht nicht seinem<br />

eigenen Ansatz, sondern einem älteren Ansatz, den er nur referiert <strong>und</strong> von dem er sich ausdrücklich<br />

distanziert.<br />

Als Vertreter des zweiten Ansatzes (Integration <strong>und</strong> Mobilisierung) wurde Bredow genommen, aber<br />

vor allem Berdahl, der besonders interessant ist, weil er ihn selbst mit dem Ansatz von Meinecke<br />

vergleicht <strong>und</strong> versucht, ihn auf das Deutschland des Vormärz anzuwenden. Berdahl scheint sich die<br />

Mühe gegeben zu haben, Meinecke selbst zu lesen, verfälscht ihn aber trotzdem in dem Punkt der<br />

Zuordnung der verschiedenen Nationentypen zum Objektiven oder Subjektiven, vielleicht unter dem<br />

Eindruck der späteren Literatur. Es ändert aber nichts an seiner Argumentation, weil es ihm im<br />

Folgenden nicht darum geht, was von der Kultur oder vom Staat objektiv oder subjektiv ist, sondern<br />

darum, daß die Kultur <strong>bei</strong> der deutschen Nationalwerdung sowieso keine Rolle gespielt hat. In der<br />

wissenschaftlichen Diskussion gewinnt dieser zweite Ansatz immer mehr an Bedeutung, konnte aber<br />

bisher den ersten Ansatz nicht ganz verdrängen. Schon allein deswegen, weil <strong>bei</strong>de oft verwechselt<br />

werden.<br />

Aus mir unbekannten Gründen spielt der dritte Ansatz bisher keine Rolle in der wissenschaftlichen<br />

Diskussion. Er wird von Steiner vertreten, der den Nationalismus als eine Verwicklung zwischen<br />

Kultur, Staat <strong>und</strong> Wirtschaft ansieht (Einheitsstaat) <strong>und</strong> Wege sucht, sie zu vermeiden (soziale<br />

Dreigliederung).<br />

Erster Ansatz: <strong>Staatsnation</strong> <strong>und</strong> <strong>Kulturnation</strong><br />

Der Ansatz von Meinecke unterscheidet zwei Nationalstaatsbildungen, je nachdem ob Staat oder<br />

Kultur im Ausgangspunkt stehen (vgl. Meinecke 1907, 10). Für viele Historikerseelen wie Meinecke<br />

ist es natürlich selbstverständlich, daß das was zuerst da war auch die Ursache von dem ist, was<br />

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