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Kulturnation, Staatsnation und Wirtschaftsnation bei Fichte und Herder

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Schwarze <strong>und</strong> Slawen sieht <strong>Herder</strong> als künftige Verfechter der Brüderlichkeit an. Man kann nicht<br />

sagen, daß alle Panslawisten es mit diesem « Verfechten » so friedlich gemeint haben wie er. Man<br />

kann aber auch nicht wie Geiss sagen, daß der Humanismus <strong>und</strong> der frühe Antirassismus von <strong>Herder</strong><br />

später deswegen nicht aufgegriffen wurden oder, wenn sie aufgegriffen wurden, dann ins Gegenteil<br />

gekehrt wurden, weil er seine Urteile über Völker irrational begründet hat (vgl. Geiss 1988, 206-207)<br />

. <strong>Herder</strong> hat es nicht an Rationalität gefehlt, was schon allein an den wenigen hier angeführten<br />

Begründungs<strong>bei</strong>spielen sichtbar wird. Was <strong>Herder</strong> machtlos gemacht hat, war die allgemein<br />

verbreitete Unfähigkeit, Menschen nach anderen Kriterien zu urteilen, als nach ihrer wirtschaftlichen<br />

Lage <strong>und</strong> den eigenen wirtschaftlichen Interessen.<br />

Was <strong>bei</strong> <strong>Herder</strong> selber fehlt, ist eine Darstellung sozialer Strukturen, innerhalb derer sich diese<br />

Unfähigkeit überhaupt überwinden läßt. Er appeliert hierin immer wieder an den Einzelmenschen,<br />

kommt aber nicht darauf, wie ihm der Weg zur Humanität strukturell verbaut wird. Die<br />

Integrationsfunktion der Weltwirtschaft scheitert dann immer wieder an einer national verzerrten<br />

Wissenschaft, die ihren Namen nicht verdient.<br />

Das kann der funktionale Ansatz <strong>bei</strong> <strong>Herder</strong> nicht kritisieren, weil er selber auf eine solche<br />

Darstellung verzichtet. Die bisherige « Verwirklichtkeit » wird von diesem Ansatz einfach<br />

hingenommen. Er schaut nur auf die Eigenkraft der wirtschaftlichen Interessen <strong>und</strong> auf die Tatsache,<br />

daß sie kulturelles <strong>und</strong>/oder politisches Einheitsstreben instrumentalisieren. Man kann darin eine<br />

Selbstverstümmelung der Wissenschaft sehen. Sie will keine Alternativen entwickeln, sondern nur<br />

noch eine möglichst sichere Prognose abgeben. Die Weissagung lautet dann, daß der Nationalismus<br />

vorerst nicht ersetzt werden kann <strong>und</strong> zwar nicht wegen seiner Mobilisierungsfunktion, da hier im<br />

Regionalismus der drei heutigen Wirtschaftsblöcke ein besserer Nachfolger gef<strong>und</strong>en wurde, sondern<br />

gerade wegen seiner Integrationsfunktion (vgl. Bredow 1987, 321).<br />

In seiner Einschätzung der Rolle der Wirtschaft <strong>bei</strong> der Entstehung des Nationalismus ist <strong>Fichte</strong><br />

noch eindeutiger als <strong>Herder</strong>. Berdahl <strong>und</strong> Bredow wären vielleicht überrascht gewesen, bereits <strong>bei</strong><br />

<strong>Fichte</strong> zu lesen, daß hinter dem Nationalismus eigentlich handfeste wirtschaftliche Interessen der<br />

jeweiligen Herrscher zu finden sind. Sie sind es, die die Völker manipulieren <strong>und</strong> aufeinanderhetzen<br />

(vgl. <strong>Fichte</strong> 1800a, 129-135+140-143). Solche methodischen Anregungen konnte ihnen Meinecke<br />

trotz seiner eingehenden Beschäftigung mit <strong>Fichte</strong> natürlich nicht überliefern, da sie von seiner<br />

eigenen Geschichtsauffassung zu weit entfernt waren. Wer sich, statt an <strong>Fichte</strong> selber, lieber an<br />

Meinecke mißt, hat es natürlich ungleich leichter, sich als der Modernere auszugeben.<br />

Statt wie <strong>Herder</strong> eine gerechtere Weltwirtschaft <strong>und</strong> ihre Ergänzung durch einen Meinungswandel<br />

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