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Kulturnation, Staatsnation und Wirtschaftsnation bei Fichte und Herder

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läßt, weil sie die « Totalität des Lebens » ergreift. Eine Logik, die nachdem sie die Menschheit fast<br />

zur totalen Zerstörung des Lebens geführt hat, nur umgetauft worden ist, aber weiter in den Köpfen<br />

spukt.<br />

Dieses organische Denken wird mit Recht in enge Verbindung mit dem Nationalismus gebracht: <strong>bei</strong>de<br />

versuchen alles unter einen Hut beziehungsweise eine Grenze zu kriegen. Es liegt allerdings nicht nur<br />

dem <strong>Kulturnation</strong>alismus zugr<strong>und</strong>e, was von vielen schon gemerkt wurde, sondern auch dem<br />

<strong>Staatsnation</strong>alismus <strong>und</strong> <strong>Wirtschaftsnation</strong>alismus, wie sie <strong>bei</strong>de hier (siehe oben) verstanden<br />

werden.<br />

Wie steht es nun um <strong>Herder</strong> <strong>und</strong> <strong>Fichte</strong>, um <strong>Herder</strong> mit seinem « natürlichen Staat » <strong>und</strong> <strong>Fichte</strong> mit<br />

seiner deutschen « organischen Staatskunst »? Kann man sie schon allein wegen ihrer<br />

Ausdrucksweise zu den Nationalisten rechnen?<br />

Hier berührt man ein bis heute aktuelles Mißverständnis in der deutschen Politikwissenschaft.<br />

<strong>Herder</strong>s <strong>und</strong> <strong>Fichte</strong>s politische Theorie hat nichts mit demjenigen organischen Denken zu tun, das<br />

ich jetzt gerade dargestellt habe, so daß nicht daraus auf ihren Nationalismus geschlossen werden<br />

kann. Ihr « lebendiger » Staat ist ein Gegenentwurf zum aufklärerisch allmächtigen Staat ihrer Zeit,<br />

der sich damals immer mehr auf mechanistische Denkmuster berief. Diese Allmacht sollte zugunsten<br />

des Individuums beschränkt werden (vgl. <strong>Fichte</strong> 1808, 353-254+362-366; <strong>Herder</strong> 1774, 58-64;1785,<br />

375-385). Was später von anderen Autoren zunehmend unter organischem Staat verstanden worden<br />

ist, ist genau das Gegenteil . Nur <strong>bei</strong>m « natürlichen Staat » von <strong>Herder</strong> gibt es möglicherweise einen<br />

Berührungspunkt mit dem Nationalismus, nämlich dem <strong>Kulturnation</strong>alismus. Mit der « Totalität des<br />

Lebens » hat es aber trozdem nichts zu tun.<br />

Während <strong>Herder</strong> <strong>und</strong> <strong>Fichte</strong> den Organismusbegriff auf den Staat übertragen, spricht Steiner vom<br />

sozialen Organismus, der aus Wirtschaft, Staat <strong>und</strong> Kultur bestehen soll. Sind aber Wirtschaft, Staat<br />

<strong>und</strong> Kultur Bestandteile eines Organismus, so stellt sich die Frage, ob sie wirklich so unabhängig<br />

voneinander werden können, wie er es behauptet. Steht der Ausdruck « sozialer Organismus » nicht<br />

im Widerspruch zur Idee einer sozialen Dreigliederung? Sind nicht alle Organe voneinander abhängig,<br />

unlösbar verb<strong>und</strong>en? Läßt da nicht wieder das organische Denken grüßen, diesmal in seiner<br />

nationalistischen Form?<br />

Hier verwechselt man einfach Mittel <strong>und</strong> Ergebnisse. Wenn jemand von mir etwas braucht, dann<br />

folgt daraus nicht, daß er mir zu sagen hat, wie ich es tun soll. Es gibt eben doch einen Aspekt, wo<br />

Wirtschaft, Staat <strong>und</strong> Kultur voneinander abhängig sind. Jeder dieser Bereiche leidet nämlich<br />

darunter, wenn aus den <strong>bei</strong>den anderen Bereichen zu wenig oder gar nichts mehr kommt. Wie jeder<br />

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