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Kulturnation, Staatsnation und Wirtschaftsnation bei Fichte und Herder

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durchzusetzen, wenn er nur weiter Herr über die deutschen Staaten bleibt. Es fragt sich nur, was<br />

seine ganze Polemik gegen den napoleonischen mechanistischen Staat nützt, wenn sein deutscher<br />

organischer Idealstaat bezüglich der Sprache genauso wenig freiheitlich ist. Dies wird noch dadurch<br />

verschlimmert, daß sein deutscher Staat noch stärker als der napoleonische Staat die Erziehung seiner<br />

Bürger in die Hand nehmen soll (vgl. <strong>Fichte</strong> 1808, 398+428-437) <strong>und</strong> dadurch den Gebrauch einer<br />

bestimmten Sprache noch massiver bevorzugen kann.<br />

Man wird hier an die frühere Forderung von <strong>Fichte</strong> erinnert, allen Juden die Köpfe abzuschneiden<br />

<strong>und</strong> andere aufzusetzen (vgl. <strong>Fichte</strong> 1793, 175-176). Da<strong>bei</strong> braucht man wirklich nicht an die<br />

Guillotine der Französischen Revolution zu denken , sondern nur sich an die Art zu erinnern, wie er<br />

Kinder von ihren Eltern trennen will, um sie einer staatlichen Zwangserziehung auszuliefern, die sie<br />

zu einem völlig neuen Menschengeschlecht machen soll (vgl. <strong>Fichte</strong> 1808, 406-407). Napoleon hat<br />

<strong>bei</strong> den Juden eigentlich genau dasselbe Ziel verfolgt wie <strong>Fichte</strong>, ihnen aber in seiner rein<br />

militärischen Art 1807 einfach befohlen, sich schleunigst zu assimilieren (vgl. Geiss 1988, 186-187),<br />

ohne auf die Wirkung irgendwelcher Umerziehung warten zu wollen.<br />

In den Abschnitten über <strong>Staatsnation</strong> <strong>und</strong> <strong>Kulturnation</strong> wurde von mir kritisiert, daß Meinecke das<br />

Ziel des Fortschrittes nicht in die Entwicklung der Subjektivität <strong>und</strong> Freiheit <strong>bei</strong>m Einzelmenschen,<br />

sondern <strong>bei</strong> Menschengruppen sieht. Will man eine kulturelle Freiheit verwirklichen, wie es hier am<br />

Beispiel der Sprachenfreiheit gefordert wird, dann fragt sich, ob es nicht genauso dazuführt, Freiheit<br />

für Menschengruppen, nämlich für Sprachgruppen, einzufordern. Dafür gibt es schlagende<br />

Argumente: Sprechen tut kein Mensch allein <strong>und</strong> wenn es ihm doch einfällt, dann wird er nicht frei<br />

gelassen, sondern gleich als Verrückter eingesperrt. Daraus kann leicht gefolgert werden, daß die<br />

Rechte sprachlicher Minderheiten keine Individualrechte, sondern nur Gruppenrechte sein können.<br />

Man braucht sich aber nicht geschlagen zu geben. Solche Gruppenrechte sind keine Freiheitsrechte,<br />

sondern Rechte, die alle Menschen innerhalb einer Gruppe tendenziell gleich machen. Hält man sich<br />

konsequent an die kulturelle Freiheit des Einzelmenschen, so wird es jedem möglich, seine<br />

Sprachkombination selber zu wählen <strong>und</strong> Brücken zwischen Sprachen zu schlagen, die sonst<br />

innerhalb geschlossener Gruppen verkommen. Der Einzelne kann dann durch die Individualisierung<br />

<strong>und</strong> zugleich Erweiterung der eigenen kulturellen Subjektivität die kulturelle Subjektivität, den Wahn<br />

der bisherigen Sprachgruppen überwinden. Tauscht man damit nicht einfach eine Subjektivität gegen<br />

eine andere Subjektivität? Zunächst ja, aber diese andere Subjektivität schlägt leichter in Objektivität<br />

um als die Gruppensubjektivität. Einer ist ein Mensch, viele sind Viecher.<br />

Dies führt uns zum zweiten Ansatz mit seinem Versuch der Objektivität. Die wissenschaftliche<br />

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