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Interview Ali Samadi Ahadi<br />

In Bildern bloggen<br />

er Kölner Regisseur Ali Samadi Ahadi<br />

Derzählt in „The Green Wave“ mit Hilfe dokumentarischen<br />

Materi<strong>als</strong> und aufwändiger Animationen<br />

von der „grünen Revolution“ im Iran.<br />

Kurz vor seinem Abflug nach Sundance, wo er<br />

den von der <strong>Filmstiftung</strong> NRW geförderten<br />

und im Februar in Deutschland startenden<br />

Film vorstellte, sprach er mit Oliver Baumgarten<br />

auch über die Inhaftierung und das Berufsverbot<br />

des iranischen Filmemachers Jafar Panahi,<br />

der auf der Berlinale in der Internationalen<br />

Jury sitzen sollte.<br />

„The Green Wave“ läuft <strong>als</strong> einziger<br />

deutscher Beitrag auf dem<br />

Sundance Filmfestival. Was bedeutet<br />

Ihnen das?<br />

Das ist erst einmal eine große Ehre, doch<br />

ich bin auch sehr nervös und gespannt, wie die<br />

Reaktionen der amerikanischen Zuschauer sein<br />

werden. Zumindest sind sie aber sehr neugierig<br />

auf den Film, denn die Vorstellungen sind<br />

schon seit Tagen ausverkauft.<br />

Was hat Sie veranlasst, sich mit<br />

dem Originalmaterial, das den Szenen<br />

zugrunde liegt, zu beschäftigen?<br />

Es war der 12. Juni 2009. Wir hatten zwei<br />

Jahre sehr hart gearbeitet, und nun freuten wir<br />

uns alle zusammen auf die Premiere unserer Komödie<br />

„Salami Aleikum“. Aus der ganzen Republik<br />

strömten die Kollegen zum Filmfest Emden,<br />

wo der Film zum ersten Mal der Öffentlichkeit<br />

gezeigt werden sollte. Noch am selben<br />

Tag waren meine Frau und ich nach Bonn gefahren,<br />

um dort unsere Stimmzettel für die Präsidentschaftswahlen<br />

im Iran abzugeben. Ich habe mich<br />

immer sowohl <strong>als</strong> Iraner <strong>als</strong> auch <strong>als</strong> Deutscher<br />

gefühlt. Meine Frau auch. Wir hatten uns im Niemandsland<br />

der Kulturen getroffen und versucht,<br />

die positiven Aspekte der zwei Welten in unserem<br />

Leben zusammen zu führen.<br />

Gelang Ihnen das?<br />

Noch am Abend der 12. Juni war es plötzlich<br />

klar, dass eine dieser Welten in Flammen<br />

stand. Und obwohl „Salami Aleikum“ in Emden<br />

einen riesigen Erfolg feierte, war unserem Team<br />

Nachruf auf<br />

Peter Hanemann<br />

Am 5. Januar 2011 ist mein Kollege und Freund<br />

Peter Hanemann gegen 15 Uhr nach langer und<br />

schwerer Krankheit friedlich eingeschlafen. Er<br />

bleibt in unserer Erinnerung.<br />

Es ist schon etwas her, <strong>als</strong> wir zusammen im<br />

Büro vor dem Computer saßen und uns durch<br />

die Weiten des Internets kämpften. Irgendwann<br />

kam die Idee, die Popularität unserer Namen zu<br />

testen und uns so unserer Identitäten zu versichern.<br />

Es gab im Netz viele Personen, die unter<br />

Peter Hanemann firmierten. Im Gedächtnis<br />

geblieben sind mir vor allem zwei, über die man<br />

trefflich spekulieren konnte: ein mittelalterlicher<br />

Pfarrer des Namens, der in Zeiten der Pest eine<br />

Hinrichtung bezeugt hatte, und ein Bierbrauer,<br />

der wegen seiner Verdienste um die Braukunst<br />

einen Orden erhalten hatte.<br />

Natürlich fallen nicht nur mir bei Peter Ge-<br />

14<br />

„The Green Wave“ war zu Gast in Sundance: Animation der grünen Revolution, Foto: WDR /Dreamer Joint Venture<br />

überhaupt nicht zum Feiern zumute. Wir waren<br />

wie gelähmt. Und dieses Gefühl der Ohnmacht<br />

sollte für Wochen anhalten. Solange hat<br />

es wirklich gedauert, bis ich aus diesem taumelnden<br />

Zustand heraus kam und den Entschluss<br />

fasste, das zu machen was ich am besten<br />

kann: einen Film über die iranischen Ereignisse<br />

im Sommer 2009.<br />

Warum haben Sie sich für die<br />

Animation <strong>als</strong> Erzählform entschieden?<br />

Während der Recherche wurde uns sehr<br />

schnell klar, dass wir dafür eine besondere Erzählsprache<br />

finden müssten, denn für die Geschehnisse,<br />

die hinter uns lagen,<br />

gab es nur bruchstückhafte Bilder<br />

in schlechter Qualität der Handys<br />

oder Bilder aus den Archiven, die<br />

nur fragmenthaft die Situation<br />

abdeckten.<br />

Ali Samadi<br />

Ahadi<br />

Foto: privat<br />

Ein Reenactment kam für<br />

mich nicht in Frage. Zumal mir<br />

klar war, dass ich, solange dieses<br />

Regime im Iran regierte, nicht<br />

mehr in den Iran würde reisen können. Iran ist<br />

eine Bloggernation. Tausende junger Menschen<br />

schreiben ihre Gefühle, das was sie bewegt, in<br />

ihre Blogs. Wenn ich <strong>als</strong>o nicht mehr im Iran drehen<br />

konnte, die Menschen nicht mehr interviewen<br />

konnte, wären genau diese Blogs die richtigen<br />

Quellen, um an die inneren Stimmen der<br />

Leute heran zu kommen.<br />

schichten ein. Aus jüngster Zeit vielleicht die<br />

Kampagne für 11.000 (oder waren es 1.100)<br />

multikulturelle BauchtänzerInnen, die zusammen<br />

mit anderen aktiven Antifaschisten den kläglichen<br />

Anti-Islamisierungskongress der Neonazis<br />

von Pro Köln verhindern sollten und mit verhindert<br />

haben. Bei der Vorbereitung spielte auch<br />

das Internet eine Rolle. Die Idee<br />

wurde von Peter und Jan Krauthäuser<br />

zunächst zwischen Brasilien<br />

und Köln diskutiert und<br />

dann über unsere Website<br />

comcologne und das Netzwerk<br />

des humba e.V. umgesetzt.<br />

Oder der Versuch, in Köln einen<br />

Platz für Nico, bürgerlich Christa<br />

Päffgen, durchzusetzen.<br />

Doch für die Kommunalpolitik<br />

war die weltweit bekannte gebürtige<br />

Kölnerin, Pop-Ikone und<br />

Muse von Andy Warhol, kein<br />

rechtes Vorbild für die kölsche Ju-<br />

Welche Technik haben Sie verwendet?<br />

Lange haben Ali Soozandeh und ich nach<br />

einer adäquaten Bildsprache gesucht, bis wir<br />

den so genannten „Motion Comic“ zum Erzählen<br />

dieser Blogs für uns entdeckten.<br />

Dafür wählte ich aus 1.500 Seiten Blogs 15<br />

aus, die wir dann in Bildern auflösten. Mit<br />

Schauspielern stellten wir die Szenen nach und<br />

fotografierten sie. Alireza Darvish, ein wunderbarer<br />

Künstler, übernahm das Zeichnen der Figuren,<br />

und Sina Mostafawy und sein Team begannen<br />

die Animation dieser Szenen.<br />

Wie würden Sie angesichts der<br />

Verurteilung von Jafar Panahi die<br />

Auswirkungen der „grünen Revolution“<br />

einschätzen?<br />

Der Grund, warum die Menschen in 2009<br />

zu den Wahlurnen gegangen sind und später<br />

auf die Straßen, waren ganz handfeste Wünsche:<br />

Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Bekämpfung<br />

der Inflation, Perspektiven für junge Menschen,<br />

Verbesserung der Frauenrechte, Pressefreiheit,<br />

Meinungsfreiheit, Verbesserung der Beziehungen<br />

Irans zur internationalen Gemeinschaft.<br />

Das waren die Gründe, warum die Menschen<br />

das Gefühl hatten, sie müssten eine Änderung<br />

in der Gesellschaft herbeiführen. Eineinhalb<br />

Jahre später kann man sich die Frage stellen,<br />

ob irgendeiner dieser Punkte sich zum Positiven<br />

verändert hat und die Antwort lautet:<br />

gend – trotz eines breiten Votums der Kulturszene<br />

für Nico.<br />

Peters Karriere <strong>als</strong> Journalist begann schon<br />

früh. Er schrieb in der Schülerzeitung des Heilig-Geist-Gymnasiums<br />

in seiner Geburtsstadt<br />

Menden/Sauerland und volontierte beim Main<br />

Echo Alzenau. Doch dann entschied er sich nach<br />

seiner Bundeswehrzeit, „in den<br />

Betrieb zu gehen“, wie man es<br />

unter „68ern“ nannte. Er arbeitete<br />

fast ein Jahrzehnt im Kölner<br />

Kabelwerk 2 von F&G, war<br />

dort ein „angesehener Vertrauensmann“.<br />

Aber auch da dachte<br />

er weiter ans Schreiben. Anfang<br />

der 80er Jahre begann er<br />

schließlich <strong>als</strong> freier Journalist zu<br />

arbeiten, zunächst für die taz,<br />

das Kölner Volksblatt, die Kölner<br />

StadtRevue. In dieser Zeit<br />

Gedenken an Peter Hanemann,<br />

Foto: privat<br />

lernten wir uns auch kennen.<br />

Nach unserem Rauswurf aus<br />

newsletter 1/2011 – Meldungen<br />

nein. Die Inflation ist in die Höhe geschnellt, die<br />

Arbeitslosigkeit genauso, junge Menschen werden<br />

unterdrückt wie noch nie zuvor, Frauen<br />

ebenso. Laut „Reporter ohne Grenzen” hat sich<br />

Iran in den letzten eineinhalb Jahren zum Gefängnis<br />

für Journalisten verwandelt. Die Beziehung<br />

zur internationalen Gemeinschaft ist so<br />

schlecht wie noch nie zuvor, und das Schlimmste<br />

für dieses Regime ist, dass das iranische Volk<br />

die Regierung nicht mehr <strong>als</strong> seinen Vertreter<br />

sieht. Auch wenn heute die Regierung auf die<br />

Situation mit Gewalt regiert, wird sie an einen<br />

Punkt kommen, wo sie die Unterstützung des<br />

Volkes braucht. Man kann nicht mit Hundertschaften<br />

auf der Straße ständig ein so großes<br />

Land regieren. Die Spaltung innerhalb des Systems<br />

ist in vollem Gange, und dementsprechend<br />

ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Regierung<br />

in eine Situation kommen wird, in der sie<br />

sich dem Wunsch des Volkes beugen muss.<br />

Drückt sich die steigende<br />

Furcht des Regimes in dieser Form<br />

der Unterdrückung von der Freiheit<br />

der Kunst aus?<br />

Ich glaube, dass der Fall Jafar Panahi eher<br />

für die Künstler und Journalisten des Landes ein<br />

Beispiel sein soll: Mischt Euch nicht in Menschenrechte<br />

ein, denn wir werden Euch sonst<br />

hart bestrafen. Ich denke aber nicht, dass mit<br />

der Bestrafung von Journalisten und Filmschaffenden<br />

die Probleme der Gesellschaft gelöst<br />

werden. Das muss die Regierung von der Geschichte<br />

lernen.<br />

Zwischen „Lost Children“ und<br />

„The Green Wave“ haben Sie die<br />

temporeiche Komödie „Salami Aleikum“<br />

gedreht – ein ziemlicher<br />

Gegensatz, nur wenige spielen die<br />

filmische Klaviatur derart aus. Reizt<br />

Sie die Herausforderung?<br />

Ich versuche schon immer, bei meinen Projekten<br />

Neuland zu betreten und neue Erzählweisen<br />

zu entdecken. Zudem denke ich nicht<br />

in Genres, sondern in Themen. Wenn mich ein<br />

Thema reizt, versuche ich herauszubekommen,<br />

wie diese Geschichte von mir erzählt werden<br />

will. Das kann manchmal komisch sein, manchmal<br />

traurig. Manchmal kann man eine Geschichte<br />

in einem <strong>Dokument</strong>arfilm erzählen und<br />

manchmal in einem Spielfilm.<br />

dem StadtRevue-Kollektiv gründeten wir gemeinsam<br />

mit anderen die Agentur für Recherche<br />

und Text (A.R.T.) und widmeten uns fortan<br />

der Kultur- und Medienwirtschaft wie -politik.<br />

Peters Themenschwerpunkte waren neben<br />

Kommunalem der MediaPark, die neuen Medienhochschulen,<br />

die Entwicklung der Filmförderung.<br />

Dabei gab es Kontakte zur <strong>Filmstiftung</strong>,<br />

für die er dann den Newsletter mitentwickelte<br />

und in dessen Redaktion er von der Nr. 1 an mitarbeitete.<br />

Daneben gab es den Branchendienst<br />

comcologne, der zunächst im Auftrag der Stadt<br />

Köln „intelligentes Standortmarketing“ ohne<br />

Schönfärberei betrieb und den wir später <strong>als</strong> unabhängige<br />

Website fortführten. Mitte 2008 wurde<br />

Peter mit der Diagnose Krebs konfrontiert.<br />

Beim Schreiben ist er geblieben und hat zwischen<br />

den Operationen im Rahmen des Möglichen<br />

weiter publiziert. Am Ende starb er friedlich<br />

im Kreis von Familie und Freunden. Er wurde<br />

nur 61 Jahre alt. RIP.<br />

WOLFGANG HIPPE

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