tadt gespräche - Stadtgespräche Rostock
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TITELTHEMA: VIRTUELLE LAUDATIO<br />
An der Schnittstelle von Pflicht und Freiwilligkeit<br />
Über Einen, der den Kulturpreis der S<strong>tadt</strong> <strong>Rostock</strong> verdient hätte<br />
Wenn ich jemanden für den <strong>Rostock</strong>er Kulturpreis<br />
verschlagen sollte, würde der Frank<br />
Sakowski heißen.<br />
Meine Begründung könnte etwa so lauten:<br />
Jens Langer (*1939)<br />
Dr. theol. habil., seit 1964 in verschiedenen kirchlichen Aufgabenbereichen<br />
tätig, bis 2003 Pastor der Evangelisch-Lutherischen<br />
Innens<strong>tadt</strong>gemeinde an St. Marien<br />
Kontakt über: redaktion@s<strong>tadt</strong>gespraeche-rostock.de<br />
Frank Sakowski hat als freischaffender Denkmalpfleger, Berater und<br />
Bauleiter im vergangenen Jahrzehnt mit der Liebe für das Überlieferte<br />
nachhaltig konstruktiv und zukunftsorientiert gewirkt. Ohne<br />
Anspruch auf Vollzähligkeit seien einige Projekte genannt, bei denen<br />
Herr Sakowski im erwähnten Sinne tätig war: Rathaus, Hopfenmarkt<br />
und beratend bei den Professorenhäusern an der Universitätskirche.<br />
Er hat das Ensemble eines Gutshofes in Groß Viegeln bei Kessin<br />
vor dem Verfall gerettet und die moderne Nutzung ermöglicht.<br />
In einem kritischen Abschnitt bei der Installierung des Jakobikirchplatzes<br />
hat er im Sommer 2003 als einzelner Bürger verantwortungsvoll<br />
interveniert bei der <strong>Rostock</strong>er Gesellschaft für S<strong>tadt</strong>erneuerung<br />
und Wohnungsbau sowie der Denkmalpflege. Er hat damit zu einer<br />
Phase besonderer Nachdenklichkeit beigetragen, die diesem Memorial<br />
für eine durch Bomben und Ideologie lädierte S<strong>tadt</strong>kultur zugute<br />
gekommen ist. Wie stets lag Herrn Sakowski auch in diesem Falle<br />
daran, Verlorenes zu akzeptieren, aber die Kontinuität des noch Vorhandenen<br />
gerade in dieser städtischen Lücke als offene Wunde zu erinnern.<br />
Gemeinsam mit der Sensibilität der zuständigen Einrichtungen<br />
und Personen ist ihm dies gelungen, wie zu sehen ist.<br />
Auch an anderen Plätzen seines Wirkens entdeckt er in der Zusammenschau<br />
von überlieferter S<strong>tadt</strong>kultur und hastiger Tageskultur die<br />
Chance existentiell gelebter urbaner Identität, die sich an die Quellen<br />
unserer heutigen Kultur stellt, aus ihnen Kontur und Charme empfängt,<br />
ohne das Heute zu diskreditieren.<br />
Seit 2001 arbeitet er als Baupfleger und Bauleiter eines Architekturbüros<br />
für die Rettung der Marienkirche in <strong>Rostock</strong>. Seine ständige<br />
Präsenz um und in St. Marien hat Quantität und Qualität aller Bemühungen<br />
zur Sanierung akzelerieren lassen. Das geht weit über<br />
den Einsatz eines angestellten Mitarbeiters hinaus, wie auch seine<br />
Tätigkeit als Vorsitzender des Fördervereins der Marienkirche verdeutlicht.<br />
Im Interesse der S<strong>tadt</strong>kultur arbeitet er mit unterschiedlichsten<br />
Kräften und Qualifikationen zusammen - von Handwerkern<br />
bis zu ABM-Kräften und Ehrenamtlichen, mit Architekten, Pastoren,<br />
Spendern und Wissenschaftlern wie etwa denen von der Potsdamer<br />
Forschungsstelle für mittelalterliche Glasmalerei bei der Akademie<br />
der Wissenschaften Berlin-Brandenburg. Er versteht es, zeitweilige<br />
und ständige Aktivitäten zu einem Energiepool für die in<br />
widrigen Zeitläufen erhaltene Kirche zu bündeln, die zugleich ein<br />
Magnet für den Tourismus (ca. 200.000 Touristen pro Jahr) und<br />
größte Baustelle der Mecklenburgischen Landeskirche ist. Es würde<br />
zu weit führen, wollte ich alles in dieser Hinsicht Bemerkenswerte<br />
auflisten. Aber die Rettung der Kapelle der Familie von Heinen und<br />
die Restaurierung der Votivfenster der Mannschen Kapelle (Tiroler<br />
Glasmalerei) samt Wiederherstellung des Kapellenraumes wären<br />
ohne Frank Sakowski nicht möglich gewesen - und beides lag außerhalb<br />
der jährlichen Projekte.<br />
Ein leicht übersehenes Kleinod von Kirche und S<strong>tadt</strong> verdankt<br />
schließlich seine kulturelle Restitution ebenfalls dem hier preiswürdigen<br />
Genannten: die ältesten mittelalterlichen Buntglasscheiben <strong>Rostock</strong>s,<br />
die sich seit Jahrzehnten im Archiv des Kunstdienstes der<br />
Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs befanden<br />
bzw. im Kulturhistorischen Museum ausgestellt waren, wurden<br />
2003/2004 nach Jahrhunderten der Verborgenheit in der Bröker-<br />
Kapelle wieder der Öffentlichkeit zur originalen Nutzung übergeben:<br />
11 Glasscheiben zeugen von der Geschichte unserer urbanen<br />
Kultur und dem Können heutiger Restauratoren und Handwerker.<br />
Auch Kleinigkeiten können groß sein, auf jeden Fall die Mühe um<br />
und die Sorgfalt für sie. Das Gespür für einen einmaligen kulturellen<br />
Schatz, der Blick für die geeigneten Mitarbeiter und Unterstützer, das<br />
Glück unerwartet geflossener privater Stiftung, der Sensus für die<br />
Gunst der Stunde sowie der Mut zur Entscheidung führten hier zu<br />
einem großartigen Erfolg, mit dem gleichwohl unspektakulär umgegangen<br />
wurde, weil er von vornherein als Teil des Gesamtvorhabens<br />
konzipiert worden war.