tadt gespräche - Stadtgespräche Rostock
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NACHLESE<br />
Das rote Sofa<br />
Wahlkampf mit den <strong>Rostock</strong>er Lokalsendern<br />
Björn Kluger (*1972)<br />
Diplomverwaltungswirt, derzeit Student Politik / Soziologie and der Uni-<strong>Rostock</strong>. Redaktionsmitglied<br />
Kontakt: lokario72@hotmail.com<br />
Ein wenig verloren saß sie da, die FDP-Frontfrau. Der einzigen<br />
weiblichen Vertreterin im Wahlkarussell versagte nicht nur die<br />
Stimme, sondern auch die Fähigkeit zur inhaltlichen Bilanz. Im<br />
Kesselraum der Bühne 602 baten die Lokalsender LOHRO und roktv<br />
zum Rendezvous der Direktkandidaten. Die kamen in lockerer<br />
Kleidung daher, um den anwesenden Jugendlichen ihre Sicht der<br />
Dinge darzulegen. Interessant war schon die vorangehende Weiterbildung<br />
in Sachen Medienkompetenz, so dass die Wartezeit nicht so<br />
zäh dahinfloss.<br />
Die Moderatoren bemühten sich mit Witz und Charme, die drei<br />
Themenblöcke, eingeläutet durch Bilderrätsel, in die Wahlarena zu<br />
streuen. Nur leider verzockten sie sich bei der Hochschulfrage, zumindest<br />
ein wenig: Bei Direktkandidaten für Bundestagswahlen ist<br />
dieses Thema nämlich besonders beliebt. Erstens ist es Ländersache<br />
und zweitens setzt sich da keiner so wirklich in die Nesseln. Unser<br />
Motorrad fahrender Poltergeist aus M-V konnte da noch einmal seine<br />
Oppositionsrolle im Landtag reaktivieren. Und selbst der Youngstar<br />
der Linkspartei lehnte, einvernehmlich mit dem Bass der CDU,<br />
das Ermächtigungsgesetz des Bildungsministers ab.<br />
Zu einer Debatte über das Dritte Reich und Rechtsextremismus kam<br />
es nicht. Hätte die Eintracht der Elefantenrunde wohl auch gestört.<br />
Ziemlich brav hörte sich das alles an. Wir wissen nun, dass die Söhne<br />
und Töchter durchaus mal einen Joint rauchen dürfen, sich nur<br />
nicht erwischen lassen sollen. Die Jugendarbeitslosigkeit verschwindet<br />
nur mit Wachstum, nachwachsenden Rohstoffen und Ausbildungsumlagen.<br />
Oder gehen doch alle in die Pflege?<br />
Aufregung gab es eher auf Seiten der Moderation. Der Herr Rehberg<br />
wurde zum Rehbock, die Zwischenspiele setzten auf Aufruhr<br />
und wenn dann noch Moby gesungen hätte, würde man auf Nora<br />
Tschirner warten und bei den Sternenfängern gelandet sein. Tatsächlich<br />
tendierte die Veranstaltung in Richtung Herzblatt. Die sympathische<br />
Charakterisierung der Kandidaten in den Zwischenpausen,<br />
der gewinnbringende Applauspegel und ein dankbares Publikum<br />
setzten auf Harmonie. Trotz des roten Sofas sah niemand rot, sondern<br />
die Jury grün. Der kochende Pathologe mit dem Fahrrad zeigte<br />
dem robusten Katholiken aus Nordost die Fersen.<br />
Ein inhaltsschwerer Törn wurde aus Rücksicht auf die gescholtene<br />
Jugend vermieden.(?) Ein wenig Recherche hätte durchaus mehr<br />
Würze in die Runde gebracht. So aber wurde aus dem Elefanten eine<br />
Fliege. Erst im Abspann blitzte dann doch so etwas wie realer<br />
Wahlkampf auf. Nur war da Herr Rehberg eigentlich schon bei der<br />
Haushaltsberatung in Schwerin. Sollten wir etwas verpasst haben?<br />
Oder war das alles nur ein Traum? Nicole Kidman lässt grüßen…<br />
Letztes Fazit: Sehenswert, aber steigerungsfähig. ¬<br />
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