Unternehmensethik und Recht, Einige ... - Horst Steinmann
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<strong>Unternehmensethik</strong> wird so als (vernunftbezogene) Dialog- oder Diskursethik verstanden. Sie<br />
ist für ihre Funktionstüchtigkeit auf eine vorökonomische <strong>und</strong> vorpolitische moralische<br />
Ressource (Habermas 10 ) angewiesen, die als solche nicht originär aus ökonomisch-<br />
strategischen Kosten-Nutzenkalkülen resultieren, die aber sehr wohl durch solche<br />
Kalkulationen zerstört werden kann.<br />
Gemeint ist die intrinsische Motivation der Menschen, persönliche Vorteilskalküle immer<br />
dann zu transzendieren, wenn es in Politik <strong>und</strong> Wirtschaft darum geht, sich für das<br />
Gemeinwohl einer Gesellschaft der freien <strong>und</strong> gleichen Bürger einzusetzen<br />
(Transsubjektivität 11 ), verb<strong>und</strong>en mit dem gr<strong>und</strong>sätzlichen Vertrauen, dass sich ein solcher<br />
Einsatz für das Gemeinwohl durch die legitime Handhabung aller Institutionen einer Republik<br />
(historisch immer wieder) im Grossen <strong>und</strong> Ganzen als gerechtfertigt erweist. Ein solches<br />
Vertrauen als Basis menschlichen Zusammenlebens kann nicht manipulativ erzeugt werden,<br />
sondern muss schon reflexiv durch (frühe) Bildung <strong>und</strong> lebenspraktische Erfahrung als<br />
notwendig <strong>und</strong> sinnvoll eingesehen sein, als Ergebnis immer wieder (wenigstens ansatzweise)<br />
gelungener argumentativer Verständigung. Die heute viel beklagte Politikverdrossenheit <strong>und</strong><br />
Systemkritik lässt sich als Indikator für die akute Gefährdung dieser Ressource verstehen.<br />
(4) <strong>Unternehmensethik</strong> muss also einerseits das Vertrauen in das Gelingen argumentativer<br />
Verständigung schon in Anspruch nehmen <strong>und</strong> voraussetzen; das ist das eigentlich<br />
„transzendentale Element“ der Lehre. Sie ist andererseits aber auch als ein Beitrag zu<br />
verstehen, den das Management bzw. die Unternehmungen leisten können, um durch<br />
legitimes Handeln, durch Verantwortung <strong>und</strong> Rechenschaftslegung, das Vertrauen in die<br />
Markt- <strong>und</strong> Wettbewerbswirtschaft <strong>und</strong> – allgemeiner – in die demokratischen politischen<br />
Institutionen (wieder) herzustellen bzw. zu stärken. Alles dies gilt natürlich auch schon für<br />
das <strong>Recht</strong>: der „gutwillige <strong>Recht</strong>sgenosse“ trägt einerseits das <strong>Recht</strong>; andererseits können<br />
illegitime <strong>Recht</strong>sregeln <strong>und</strong> eine illegitime <strong>und</strong>/oder ineffiziente Praxis der Justiz den „guten<br />
Willen“ zerstören, weil das Vertrauen in den <strong>Recht</strong>sstaat unterminiert wird.<br />
Vor diesem (hier nur grob skizzierten) Verständnishintergr<strong>und</strong>, der die <strong>Unternehmensethik</strong> als<br />
ein Mittel zur (freiwilligen) Rückbindung privatwirtschaftlichen Handelns an das öffentliche<br />
Cheltenham 2008, S, 225-248. Zur theoretischen Stützung der Argumentationspraxis als Aufgabe der<br />
Argumentationstheorie hat neuerdings Harald Wohlrapp eine umfassende <strong>und</strong> überzeugende Untersuchung<br />
vorgelegt. Vgl. Wohlrapp, H.: Der Begriff des Arguments, Würzburg 2008. Wohlrapp hat kürzlich einige<br />
Verbesserungsvorschläge vorgetragen, wie der Begriff des Friedens methodisch eingeführt werden sollte. Siehe<br />
Wohlrapp, H.: Praxis, Wert, Friede. <strong>Einige</strong> Argumente zu den pragmatischen Gr<strong>und</strong>lagen der<br />
<strong>Unternehmensethik</strong> – Für <strong>Horst</strong> <strong>Steinmann</strong> zum 75. Geburtstag, in: Zeitschrift für Wirtschafts- <strong>und</strong><br />
<strong>Unternehmensethik</strong> 10 (2009), S. 273-286.<br />
10 Habermas, J.: Vorpolitische moralische Gr<strong>und</strong>lagen eines freiheitlichen Staates, in: Zur Debatte. Themen der<br />
Katholischen Akademie Bayern 35 (2005), S. I-III (Nachdruck aus: Zur Debatte Heft 1, 2004, über den<br />
Gesprächsabend mit Kardinal J. Ratzinger am 19. Januar 2004).<br />
11 Zum Begriff der Transsubjektivität genauer Wohlrapp, H., (FN 9), Kapitel 10, S. 471 ff.