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Forschen & Entdecken 2/2012

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Eine Mehrschicht isolation aus Polyester<br />

und Polyimid schützt den Satelliten vor<br />

der Hitze der Sonne. Die Folien sind<br />

teilweise nur ein Vierzigtausendstel<br />

Millimeter (0,000025 mm) dick.<br />

Mehrere Tausend Grad. „Es sind extreme<br />

Bedingungen, der die Sonde ausgesetzt<br />

sein wird. Bisher musste sie noch<br />

kein Raumflugkörper zuvor bestehen“,<br />

sagt Wolfgang Pawlinetz. Der Projektleiter<br />

und sein Team beschäftigen sich<br />

schon seit geraumer Zeit mit der Frage,<br />

„wie man mit diesen feindlichen Bedingungen<br />

umgehen kann“. Mit gutem<br />

Grund: Ruag Space, dessen MitarbeiterInnen<br />

sie sind, baut die Schutzmatten<br />

für den Weltraumsatelliten Solar Orbiter.<br />

Funktioniert alles nach Plan, soll der<br />

ab 2017 der Sonne so nahe kommen<br />

wie kein anderer Satellit zuvor. Nur<br />

dann kann er wissenschaftlich wertvolle<br />

Nahaufnahmen liefern. Angepeilt wird<br />

eine Entfernung von 45 Millionen Kilometern,<br />

was im herkömmlichen Sinn<br />

viel ist. Zum Vergleich: Der Abstand<br />

zwischen der Erde und der Sonne beträgt<br />

149 Millionen Kilometer.<br />

Dadurch wird der Satellit enormer<br />

Hitze ausgesetzt sein. „Sobald er seine<br />

Position erreicht hat, bekommt er zwölf<br />

Mal so viel Sonnenenergie ab wie ein<br />

Satellit, der sich in der Erdumlaufbahn<br />

befindet“, erläutert Pawlinetz. „Wir<br />

sprechen hier von mehr als 17.000 Watt<br />

pro Quadratmeter auf der Seite, die der<br />

Sonne zugewandt ist.“ Soll der Solar<br />

Orbiter seine Mission also unbeschadet<br />

überstehen, braucht er einen Hitzeschild<br />

und eine Spezialisolation. Und<br />

dass die made in Vienna ist, liegt am<br />

Know­how von Ruag Space. Das Unternehmen<br />

hat sich international einen guten<br />

Ruf im Bereich der Weltraumtechnik<br />

erworben.<br />

Geerdete Folien. Das erfahrene Team<br />

arbeitet bereits auf Hochtouren. Gilt es<br />

doch, den gesamten Satelliten mit dieser<br />

thermischen Isolation zu umhüllen.<br />

„Wir fertigen dazu eine Schutzschicht<br />

an, die aus mehreren Lagen aluminiumbedampfter<br />

Polyester­ und Polyimidfolien<br />

aufgebaut ist“, sagt Pawlinetz.<br />

Wichtig dabei: „Die metallbeschichteten<br />

Folien müssen geerdet werden, so<br />

dass ihr elektronisches Potenzial dem<br />

des Solar Orbiter entspricht.“ Damit<br />

soll verhindert werden, dass durch<br />

Entladungen Funken entstehen, die<br />

die Hochgeschwindigkeitsdatenübertragung<br />

zur Erde stören können. Jede<br />

aluminiumbeschichtete Folie wird<br />

daher mit der nächsten Folie darunter<br />

verbunden und dann gemeinsam über<br />

<strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong> Raumfahrt 15<br />

ein Kabel an den Satelliten elektrisch<br />

angeschlossen. „Diese Art der Isolation<br />

hält den Innenraum der Sonde in erträglichen<br />

Temperaturbereichen und die an<br />

Bord befindlichen Messinstrumente intakt“,<br />

erklärt Pawlinetz. Apropos Messinstrumente:<br />

Auch sie erzeugen Hitze,<br />

die abgeleitet werden muss. Das passiert<br />

über Kühlpaneele, an die hochreflektierende<br />

Spiegel mosaikartig angeklebt<br />

werden. Auch diese liefert das Wiener<br />

Unternehmen. Dass bei so einer wichtigen<br />

Mission nichts dem Zufall überlassen<br />

wird, versteht sich wohl von selbst.<br />

Deshalb baut das Unternehmen zunächst<br />

einen Prototypen. Er muss bis<br />

2014 fertig sein und wird zu Testzwecken<br />

verwendet. Ein Jahr später ist<br />

dann Liefertermin für das Flug modell.<br />

Besteht die Gefahr, dass trotz genauer<br />

Berechnungen das Material der Hitze<br />

nicht standhält? Pawlinetz: „Nur wenn<br />

der Satellit, nachdem er seine Position<br />

bezogen hat, die Ausrichtung zur Sonne<br />

ändert. Würde er auch nur um acht<br />

Grad schief stehen, würde unsere Isolationsschicht<br />

überhitzen und die Mission<br />

wäre verloren.“<br />

Drei-D-Modell. Gearbeitet wird übrigens<br />

anhand eines dreidimensionalen<br />

Computermodells der Europäischen<br />

Weltraumorganisation ESA. Sie ist es<br />

auch, die den Solar Orbiter von Amerika<br />

aus auf Weltraummission schicken<br />

wird. Dauer: zehn Jahre. Hauptziel ist<br />

es, den Sonnenwind – ein Strom geladener<br />

Teilchen, der von der Sonne ins<br />

Weltall strömt – zu untersuchen. Seine<br />

Erforschung ist aus mehreren Gründen<br />

interessant, unter anderem erhoffen sich<br />

die WissenschafterInnen Rückschlüsse<br />

auf die chemische Zusammensetzung<br />

des Urnebels. Zurückkehren wird Solar<br />

Orbiter übrigens nicht. Der Satellit<br />

schickt die Daten an die Erde – er selbst<br />

bleibt aucch nach dem Ende seiner Mission<br />

in der Umlaufbahn der Sonne. l<br />

Siobhán Geets,<br />

freie Journalistin in Wien

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