Forschen & Entdecken 2/2012
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Herbert Weissenböck<br />
fand heraus, dass die<br />
tiere an multiplem<br />
Organversagen starben.<br />
„Wenn die Vögel in Massen sterben,<br />
denkt man sofort an biblische Szenen.“<br />
Herbert Weissenböck, Vetmeduni Wien<br />
hat: Denn schon im Jahr 1996, also fünf<br />
Jahre vor dem Ausbruch des Usutu-Virus<br />
in Wien, gab es in der italienischen<br />
Toskana schon einmal ein ähnliches<br />
Vogelsterben, bei dem vor allem Amseln<br />
betroffen waren. Damals wurde der<br />
tatsächliche Auslöser zwar nicht identifiziert,<br />
doch Giacomo Rossi, Tierarzt<br />
an der Universität von Camerino in<br />
der italienischen Stadt Matelica, hatte<br />
Gewebeproben von verendeten Vögeln<br />
genommen und aufbewahrt. Das kam<br />
Weissenböck vor Kurzem zufällig zu<br />
Ohren, er ließ sich die Proben schicken<br />
und untersuchte sie.<br />
„Damit konnten wir herausfinden,<br />
dass es sich in der Toskana um einen<br />
Vorläufer des in Österreich aufgetretenen<br />
Virus-Stammes handelte.“ Das<br />
widersprach den bisherigen Annahmen,<br />
dass Zugvögel den Krankheitserreger<br />
direkt aus Afrika nach Wien eingeschleppt<br />
haben. Eine weitere Vermutung<br />
war, dass sich bestimmte Tierarten<br />
durch den Klimawandel weiter nach<br />
Norden ausbreiten würden – und dadurch<br />
das Virus häufiger in Europa auftreten<br />
könnte. Gestoppt werden konnte<br />
es bisher dennoch nicht. Warum aber<br />
überlebt das Virus so hartnäckig, wenn<br />
sein Überträger im Winter stirbt? „Das<br />
war auch unser erster Gedanke“, sagt<br />
Weissenböck. „Doch die klassische<br />
Hausmücke überwintert in Kellergewölben.<br />
Da, wo es nicht gefriert.“<br />
Hühner resistent. In Österreich hat<br />
sich die Amsel population mittlerweile<br />
erholt. Mehr als 50 Prozent der untersuchten<br />
Tiere haben bereits Antikörper<br />
gebildet. Bleibt die Frage, ob das Usutu-<br />
Virus auch anderen Vogelarten gefährlich<br />
werden kann. Weissenböck: „Wir<br />
haben Hühner getestet. Sie sind zum<br />
Glück resistent.“ Auch gesunde Menschen<br />
mit intaktem Immunsystem müss-<br />
<strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong> Virus 17<br />
ten sich keine Sorgen<br />
machen. Das<br />
Usutu-Virus ist allerdings<br />
nicht der einzige<br />
Grund, warum viele Tiere zeitgleich verenden.<br />
Bakterien, Parasiten, Salmonellen<br />
oder Infektionen können ebenfalls<br />
Auslöser sein. „Wenn Vögel in Massen<br />
sterben, denkt man sofort an biblische<br />
Szenen, die dann schnell Verschwörungstheoretiker<br />
auf den Plan rufen“,<br />
sagt Weissenböck. Moderne molekularmedizinische<br />
Techniken könnten künftig<br />
helfen, Ursprung und Verbreitung<br />
von Infektionskrankheiten besser aufzuklären.•<br />
• gefragter experte<br />
Der tierpathologe<br />
Herbert Weissenböck, Jahrgang 1962,<br />
ist ein europaweit gefragter experte<br />
zum thema Vogelsterben und Usutu-<br />
Virus. Seine Laufbahn begann 1989 als<br />
assistent an der Veterinärmedizinischen<br />
Universität Wien, 1999 folgte die<br />
Habilitation über gehirnhautentzündungen<br />
bei verschiedenen tierarten.<br />
Heute umfasst seine Lehrtätigkeit als<br />
außerordentlicher professor alle Lehrveranstaltungen,<br />
die mit pathologie<br />
zu tun haben. Weissenböck war maßgeblich<br />
daran beteiligt, die Ursache<br />
für das Vogelsterben in Wien vor zehn<br />
Jahren aufzuklären. Seine expertise<br />
ist international gefragt: er wird auch<br />
in anderen Ländern immer wieder in<br />
Studien zur thematik eingebunden.<br />
Siobhán Geets,<br />
freie Journalistin in Wien<br />
In Österreich<br />
war 2003 der<br />
Höhepunkt der<br />
epidemie, die<br />
viele amseln<br />
das Leben<br />
kostete.