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Bedeutung und Defizite der Ethik Spinozas aus Marxistischer Sicht ...

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Karl Reitter | Rezensionsessay - Cleaver<br />

Das Kapital politisch lesen<br />

Eine Rezensionsessay anlässlich <strong>der</strong> deutschen<br />

Erstveröffentlichung von Harry Cleavers Hauptwerk<br />

Karl Reitter<br />

1979 erschien Reading Capital Politically erstmals in<br />

englischer Sprache <strong>und</strong> wurde seither in zahlreiche<br />

an<strong>der</strong>e übersetzt. Nun ist sein Buch dankt <strong>der</strong> Initiative<br />

des Mandelbaum Verlages endlich auch auf<br />

Deutsch erschienen, übersetzt von Renate Nahar.<br />

Cleaver, in den USA geboren <strong>und</strong> an <strong>der</strong> University<br />

of Texas in Austin lehrend, positionierte sich mit<br />

diesem Buch im Umfeld des italienischen Operaismus<br />

<strong>und</strong> des so genannten autonomous Marxism,<br />

wie <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Darstellung seiner Auffassungen wohl<br />

rasch ersichtlich werden wird. Sein Buch besteht<br />

<strong>aus</strong> zwei unterschiedlichen Teilen, einem sehr langen<br />

Vorwort <strong>und</strong> <strong>der</strong> eigentlichen Interpretation<br />

des Marxschen Textes. Die Einleitung ist tatsächlich<br />

ein summarischer Essay, in dem Cleaver die bisherigen<br />

Kapitalinterpretationen auf dem Stand <strong>der</strong> späten<br />

70er Jahre Revue passieren lässt <strong>und</strong> seine, als<br />

politisch deklarierte Interpretationen, von den ökonomischen<br />

als auch philosophischen Lesarten des<br />

Marxschen Kapital abgrenzt. Im zweiten Teil interpretiert<br />

Cleaver nun keineswegs das Kapital insgesamt,<br />

son<strong>der</strong>n bloß den ersten Abschnitt des ersten<br />

Bandes zu Ware <strong>und</strong> Geld. Um das Kapital gemäß<br />

den eigentlichen Intentionen vom Marx zu lesen,<br />

„müssen wir all unser Wissen <strong>und</strong> all unsere Interpretation<br />

des Rests vom Kapital <strong>und</strong> des Klassenkampfes,<br />

den es analysiert, in einer Lektüre des 1.<br />

Kapitels zur Anwendung bringen.“ (Cleaver 2011;<br />

173) Ich halte diese Methode für korrekt <strong>und</strong> sinnvoll,<br />

<strong>und</strong> zwar <strong>aus</strong> folgenden Gründen: Marx analysiert<br />

in diesem Abschnitt die Oberfläche <strong>der</strong><br />

Zirkulation, in <strong>der</strong> anscheinend bloß Waren gegen<br />

Geld get<strong>aus</strong>cht werden. Diese Sphäre ist we<strong>der</strong> <strong>aus</strong><br />

sich zu begreifen noch kann sie für sich stehen.<br />

Marx schrieb: „Die Zirkulation, die also als das unmittelbare<br />

Vorhandne an <strong>der</strong> Oberfläche <strong>der</strong> bürgerlichen<br />

Gesellschaft erscheint, ist nur, sofern sie<br />

beständig vermittelt ist. In sich betrachtet ist sie die<br />

Vermittlung vor<strong>aus</strong>gesetzter Extreme. Aber sie setzt<br />

diese Extreme nicht. (…) Ihr unmittelbares Sein ist<br />

also reiner Schein. Sie ist das Phänomen eines hinter<br />

ihr vorgehenden Prozesses.“ (MEW 42; 180) Um die<br />

von Marx analysierten Phänomene, den Doppelcharakter<br />

<strong>der</strong> Arbeit, den Gegensatz von T<strong>aus</strong>chwert<br />

<strong>und</strong> Gebrauchswert, das Maß, die Substanz<br />

wie die Form des Werts, um all diese Kategorien zureichend<br />

begreifen zu können, ist es legitim <strong>und</strong><br />

höchst berechtigt, diese auf Erkenntnisse zu beziehen,<br />

die Marx erst in späteren Abschnitten seines<br />

Hauptwerks entwickeln kann. Bei dieser Interpretation<br />

geht es nicht um Kleinigkeiten. Es geht<br />

schlicht um die Frage, ob elementare Kategorien<br />

wie Ware, Wert <strong>und</strong> Geld ohne Rekurs auf den<br />

Klassenkampf – <strong>der</strong> formal im 1.Kapitel abwesend<br />

ist – verstanden werden können o<strong>der</strong> noch drastischer,<br />

ob wir mit Marx einen Vergesellschaftungsmodus<br />

denken können, in dem die Individuen über<br />

bloße Waren Geld Verhältnisse auf einan<strong>der</strong> bezogen<br />

werden <strong>und</strong> zu denen dann <strong>der</strong> Klassenkampf<br />

hinzutritt – o<strong>der</strong> auch nicht. Dem gegenüber zu zeigen,<br />

dass bereits alle Kategorien im 1. Abschnitt des<br />

Marxschen Hauptwerks auf den Klassengegensatz<br />

verweisen <strong>und</strong> nur <strong>aus</strong> dieser Perspektive sinnvoll<br />

entfaltet <strong>und</strong> gebraucht werden können, dieses Verdienst<br />

kommt Cleaver ohne Zweifel zu.<br />

Cleavers Einleitung, ein Essay über die<br />

unterschiedlichen Lektüren des Kapital<br />

Ich gehe nun ein wenig ins Detail. Cleaver beginnt<br />

wie erwähnt mit einer summarischen Kritik vorhergehen<strong>der</strong><br />

Interpretationen des Marxschen Kapital.<br />

Die ökonomische Lesart würde den Anspruch des<br />

Marxschen Hauptwerkes substanziell einengen.<br />

Indem sein Werk <strong>aus</strong>schließlich in die Tradition <strong>der</strong><br />

ökonomischen Theoriebildung gestellt würde,<br />

könne das eigentliche Anliegen von Marx nicht<br />

mehr rekonstruiert werden. Stattdessen wird <strong>aus</strong><br />

Marx ein Autor, <strong>der</strong> eine bessere Ökonomie als<br />

seine Vorgänger geschrieben hätte. Cleaver skizziert<br />

diese fehlerhafte Auffassung folgen<strong>der</strong>maßen: „Das<br />

Kapital von Marx unterscheide sich von Ricardos<br />

Gr<strong>und</strong>sätzen in erster Linie dadurch, dass es korrekt<br />

sei. Marx wird entwe<strong>der</strong> als <strong>der</strong>jenige gesehen, <strong>der</strong><br />

die Versprechen Ricardos erfüllt, o<strong>der</strong> als <strong>der</strong>jenige,<br />

<strong>der</strong> dessen Fehler korrigiert.“ (Cleaver 2011; 83)<br />

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