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Bedeutung und Defizite der Ethik Spinozas aus Marxistischer Sicht ...

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gr<strong>und</strong>risse 41 | 2012<br />

56<br />

Kapitalverhältnisses. Die zweite von Marx analysierte<br />

Wertform, die unendliche, unabschließbare<br />

Kette von Wert<strong>aus</strong>drücken soll diesen Mangel überwinden.<br />

Jede Ware kann ihren Wert durch eine an<strong>der</strong>e<br />

<strong>aus</strong>drücken, <strong>und</strong> diese Ware wie<strong>der</strong>um in einer<br />

an<strong>der</strong>en Ware <strong>und</strong> so weiter. Wir können somit<br />

schreiben: x Ware A = y Ware B = z Ware C = w<br />

Ware D usw., die Kette ist nicht abschließbar.<br />

Diese Kette von Ausdrücken, von Marx als entfaltete<br />

Wertform bezeichnet, ist keine bloß logische<br />

Stufe <strong>der</strong> Analyse. „Diese Endlosigkeit erklärt eine<br />

<strong>der</strong> gr<strong>und</strong>legenden Beson<strong>der</strong>heiten des Kapitals –<br />

sein Streben nach Unendlichkeit: Es tendiert dazu,<br />

sich selbst beständig <strong>aus</strong>zudehnen – immer mehr<br />

Menschen, Gegenstände <strong>und</strong> Produktion unter<br />

seien Kontrolle zu bringen: ewiges Wachstum, dessen<br />

einziges Ziel die erweiterte soziale Kontrolle<br />

ist.“ (Cleaver 2011; 289) Cleaver referiert an diesem<br />

Punkt auf die These von Marx, dass das Kapital<br />

ungewollt die Vor<strong>aus</strong>setzungen einer freien Gesellschaft<br />

implizit miterzeugt. Durch diese Unendlichkeit<br />

würde die ArbeiterInnenklasse einen eigenen<br />

„Typus an Unendlichkeit“ entdecken: „– die potentiell<br />

unendlichen Möglichkeiten des Lebens. In dieser<br />

wirklichen Bewegung, in <strong>der</strong> das Kapital eine<br />

Welt <strong>der</strong> zunehmenden Güter <strong>und</strong> Tätigkeiten eröffnet,<br />

wird das gewaltige Potential einer künftigen<br />

Gesellschaft für die ArbeiterInnenklasse sichtbar –“<br />

(Cleaver 2011; 289) Ich hebe diese Aussage von<br />

Cleaver schon deshalb hervor, weil es im oben erwähnten<br />

Abschnitt zum Doppelcharakter <strong>der</strong> Arbeit<br />

den Anschein haben könnte, Cleaver würde<br />

eine Art Totalitätstheorie vertreten, in <strong>der</strong> alles vom<br />

Wert bestimmt wird, auch <strong>und</strong> gerade <strong>der</strong> Gebrauchswert.<br />

Die soeben zitierte Passage spricht<br />

gegen eine solche Auffassung.<br />

Vermittlung <strong>und</strong> die allgemeine Wertform<br />

Doch auch die unabgeschlossene Kette von Wert<strong>aus</strong>drücken<br />

wird dem Kapitalverhältnis nicht gerecht.<br />

Es muss einen adäquaten Ausdruck des Werts<br />

geben, in dem sich alle Waren darstellen können<br />

<strong>und</strong> dieser Wert<strong>aus</strong>druck muss zwischen allen<br />

Waren eine Wertbeziehung herstellen. Diese allgemeine<br />

Wertform ist letztlich das Geld, welches den<br />

Wert aller Waren <strong>aus</strong>drücken kann <strong>und</strong> alle Waren<br />

als Werte aufeinan<strong>der</strong> beziehen lässt. Was Cleaver<br />

Darstellung <strong>der</strong> allgemeinen Wertform von so vielen<br />

Einführungen ins Kapital unterscheidet, ist die<br />

Rolle <strong>der</strong> Vermittlung, die das Geld in <strong>der</strong> Realität<br />

spielt <strong>und</strong> die Cleaver sehr präzise darstellt. „Das<br />

Äquivalent [Geld K.R.] ist nun in doppelter Weise<br />

Vermittler. Erstens für den Ausdrucks des Werts<br />

je<strong>der</strong> einzelnen Ware, zweites für die Beziehung<br />

einer jeden Ware zu je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en als Werte.“<br />

(Cleaver 2011; 295f) Durch das Geld wird alles in<br />

den Bannkreis des Kapitalverhältnisses gezogen.<br />

Das Geld vermittelt alles mit allem. Die Vermittlung<br />

zwischen dem Kapital <strong>und</strong> <strong>der</strong> ArbeiterInnenklasse<br />

erfolgt mittels des Lohnes. An diesem Punkt<br />

zeigt sich eine <strong>der</strong> größten Stärken <strong>der</strong> Analyse von<br />

Cleaver. Seine gr<strong>und</strong>legende These lautet, dass die<br />

Spaltung <strong>der</strong> ArbeiterInnenklasse durch Spaltung in<br />

einen entlohnten <strong>und</strong> einen nicht entlohnten Teil<br />

erfolgt. „Damit das Geld die Rolle des Vermittlers<br />

o<strong>der</strong> des allgemeinen Äquivalents spielen kann,<br />

müssen zahlreiche Beziehungen existieren, in denen<br />

es nicht direkt vermittelt.“ (Cleaver 2011; 305) Studierende,<br />

nur H<strong>aus</strong>frauen, die Massen an Menschen,<br />

die keine regelmäßige Lohnarbeit <strong>aus</strong>üben<br />

kann <strong>und</strong> deswegen keine Entlohnung erhält – sie<br />

alle sind auf das allgemeine Äquivalent angewiesen.<br />

Doch zwischen das entlohnende Kapital <strong>und</strong> ihnen<br />

treten an<strong>der</strong>e Vermittler; Männer, Stipendien vergebende<br />

Bürokratien, staatliche Institutionen, <strong>der</strong><br />

Keynesianismus. „Wenn zum Beispiel H<strong>aus</strong>frauen<br />

direkt vom Kapital einen Lohn verlangen, so umgehen<br />

sie die kapitalistische Vermittlung durch die<br />

Männer <strong>und</strong> stellen ein direktes Verhältnis Kapital<br />

– Frauen her.“ (Cleaver 2011; 299) Scheinbar – nur<br />

scheinbar stünden Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> H<strong>aus</strong>frauen nur in<br />

einem privaten Verhältnis zum Ehemann bzw. zum<br />

Vater. Tatsächlich ist <strong>der</strong> Mann bloß <strong>der</strong> Vermittler<br />

zwischen dem Kapital <strong>und</strong> Frau <strong>und</strong> Kin<strong>der</strong>n. Wie<br />

Cleaver mehrfach betont, ist die „Notwendigkeit<br />

<strong>der</strong> gleichzeitigen Existenz von geldförmigen <strong>und</strong><br />

nicht geldförmigen Beziehungen für das Kapital“<br />

(Cleaver 2011; 307) ein wesentliches Mittel seiner<br />

Herrschaft. Gehen wir also <strong>der</strong> allgemeinen Wertform<br />

auf den Gr<strong>und</strong>, so finden wir soziale Herrschaft<br />

mittels <strong>der</strong> allgemeinen Vermittlung des<br />

Geldes, die über das enge Lohnarbeitsverhältnis<br />

weit übergreift. Dieser gesamtgesellschaftliche<br />

Blick erlaubt es Cleaver, den Zugriff des Kapitals<br />

auf die nicht entlohnte Arbeit in den Kontext <strong>der</strong><br />

Ausbeutung zu stellen. Er verweist auf die seinerzeitige<br />

Bewegung Lohn für H<strong>aus</strong>arbeit, in dem <strong>der</strong><br />

Zusammenhag zwischen Lohn – als Mittel <strong>der</strong><br />

Spaltung <strong>der</strong> ArbeiterInnenklasse in bezahlt <strong>und</strong><br />

nicht bezahlt – <strong>und</strong> männlichen Lohn <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

weiblichen H<strong>aus</strong>arbeit erkannt wurde. Aktuell ist<br />

diese Konstellation nicht mehr in dieser Weise relevant<br />

wie in den 70er Jahren, aber es geht um die<br />

Methode: die Durchsetzung des Wertmaßes ist als<br />

gesamtgesellschaftliche Strategie zu dechiffrieren,<br />

<strong>der</strong>en Methoden <strong>und</strong> Ziele jedoch historisch variieren.

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