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Bedeutung und Defizite der Ethik Spinozas aus Marxistischer Sicht ...

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Karl Reitter | Rezensionsessay - Cleaver<br />

Dieser Blick ermöglicht es, die begrifflose Addition<br />

sozialer Verhältnisse zu überwinden. Ich meine<br />

damit das Nebeneinan<strong>der</strong>stellen von unterschiedlichsten<br />

Unterdrückungsverhältnissen, in denen es<br />

scheinbar um je spezifische Verhältnisse geht, die<br />

dann entwe<strong>der</strong> in diversen politischen Bekenntnissen<br />

als bekämpfenswert aufgezählt werden (nur keinen<br />

Ismus <strong>und</strong> keine Phobie vergessen!) o<strong>der</strong><br />

mittels politischer Strategiebildung „vernäht“ (eine<br />

neogramscianische Begriffsperle) werden sollen.<br />

Wohl sind seine Ausführungen etwas knapp <strong>und</strong> oft<br />

auch unscharf, aber Cleaver gelingt besser, was auch<br />

ich versuchte zu begründen, nämlich die übergreifende<br />

<strong>Bedeutung</strong> des Kapitalverhältnisses. Ich<br />

schrieb: „Kein Verhältnis, keine Form <strong>der</strong> Unterdrückung<br />

kann von Geld <strong>und</strong> kapitalistischen Eigentumsformen<br />

abstrahieren. Je<strong>der</strong> nur denkbare<br />

Prozess <strong>der</strong> Befreiung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Unterdrückung vollzieht<br />

sich im Medium <strong>der</strong> dominanten kapitalistischen<br />

Formen.“ (Reitter 2011; 29) Durch den<br />

Fokus auf die Vermittlung durch das allgemeine<br />

Äquivalent wird diese Aussage dynamisiert <strong>und</strong> bezieht<br />

die Strategie <strong>der</strong> herrschenden Klassen mit<br />

ein. Cleaver hat sein Buch 1979 veröffentlicht.<br />

Daher seine oftmalige Erwähnung <strong>der</strong> Inflation. In<br />

den 70er Jahren versuchten die herrschenden Klassen<br />

die ArbeiterInnenklasse dadurch zu schwächen,<br />

in dem sie den Lohn durch Inflation zu entwerten<br />

versuchte. Wohl verteuert die Inflation alle Preise,<br />

nur besitzt das Kapital bessere Möglichkeiten, die<br />

Preise zu erhöhen als das Proletariat, das Lohnsteigerungen<br />

erst erkämpfen muss <strong>und</strong> nicht bloß das<br />

Preisschild <strong>aus</strong>wechseln kann. Auch hier, eine gewisse<br />

Unschärfe bei Cleaver. In manchen Passagen<br />

scheint es, als ob er meinte, das Kapital kann Preise<br />

sehr willkürlich manipulieren. Im aktuellen Vorwort<br />

zeigt unser Autor jedoch, dass das Wertgesetz<br />

weiter Geltung besitzt. Cleaver redet somit <strong>der</strong> Auflösung<br />

des Ökonomischen in bloße Machtverhältnisse<br />

keineswegs das Wort. Wichtiger als solche<br />

Unschärfen ist jedoch sein klarer Blick auf die Zirkulationssphäre<br />

als Feld <strong>der</strong> Klassen<strong>aus</strong>einan<strong>der</strong>setzung.<br />

„Än<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Form, wie z.B. Geldentwertung<br />

durch Inflation, werden durch unkontrollierbare<br />

Folgeerscheinungen von Än<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong><br />

Produktionssphäre erklärt. Mit an<strong>der</strong>en Worten:<br />

Weil die Zirkulation nur als Wi<strong>der</strong>spiegelung von<br />

Kämpfen in <strong>der</strong> Produktion <strong>und</strong> um sie angesehen<br />

wird, werden Geld <strong>und</strong> Waren nicht als wichtige<br />

Aspekte des Kampfes selbst erkannt.“ (Cleaver<br />

2011; 272) Zweifellos haben sich die Instrumente<br />

seit den 70er Jahren verän<strong>der</strong>t. Angesicht <strong>der</strong> <strong>Bedeutung</strong><br />

des fiktiven Kapitals scheint Inflation gegenwärtig<br />

kein Mittel <strong>der</strong> herrschenden Klassen zu<br />

sein. Ihre Angriffe sind weit<strong>aus</strong> direkter <strong>und</strong> substanzieller.<br />

Ebenso ist das Kalkül <strong>der</strong> herrschenden<br />

Klassen, Frauen an den Herd zu verbannen, schon<br />

lange durch das Konzept <strong>der</strong> Einfügung in den unmittelbaren<br />

Verwertungsprozess – selbstredend zu<br />

allen noch so schlechten Bedingen – gewichen. Erneut<br />

können wir den Begriff des Kapitals nicht von<br />

<strong>der</strong> Geschichte des Kapitalismus ablösen. Cleaver<br />

selbst betont, dass wir die Fragen nach <strong>der</strong> aktuellen<br />

Rolle <strong>der</strong> Verknüpfung von Geld <strong>und</strong> Klassenkampf<br />

im Kapital nicht beantwortet bekommen. Wir können<br />

jedoch „einige f<strong>und</strong>amentale Einsichten in die<br />

Natur des Geldes <strong>und</strong> seinen Stellenwert für das<br />

Kapital“ (Cleaver 2011; 270) entnehmen. In diesem<br />

Sinne sollten wir auch Das Kapital politisch<br />

lesen diskutieren.<br />

E-Mail: k.reitter@gmx.net<br />

57<br />

Literatur:<br />

Cleaver, Harry (2011), „Das Kapital politisch lesen. Eine alternative Interpretation des Marxschen Hauptwerks“, Wien<br />

Marx, Karl (MEW 23), „Das Kapital, Band 1“, Berlin<br />

Marx, Karl (MEW 42), „Gr<strong>und</strong>risse <strong>der</strong> Kritik <strong>der</strong> politischen Ökonomie“, Berlin<br />

Reitter, Karl (2011), „Prozesse <strong>der</strong> Befreiung. Marx, Spinoza <strong>und</strong> die Bedingungen eines freien Gemeinwesens“, Münster<br />

Harry Cleavers Webseite: https://webspace.utexas.edu/hcleaver/www/

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