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Bedeutung und Defizite der Ethik Spinozas aus Marxistischer Sicht ...

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Karl Reitter | Rezensionsessay - Cleaver<br />

terpretation des Kapital zu sprechen. Cleaver sieht<br />

sich selbst in <strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong> so genannten Johnson-Forester<br />

-Tendenz im US-amerikanischen<br />

Trotzkismus (hinter diesen Pseudonymen verbargen<br />

sich C.L.R. James <strong>und</strong> Raya Dunayevskaya) <strong>und</strong><br />

dem italienischen Frühoperaismus, vor allem repräsentiert<br />

durch Panzieri <strong>und</strong> Tronti. (Über diese<br />

Strömung informiert das Buch von Martin Birkner<br />

<strong>und</strong> Robert Foltin (Post)Operaismus) Auch auf die<br />

frühe Phase von Socialisme ou Barbarie, einer in<br />

Paris nach 1945 von Claude Lefort <strong>und</strong> Cornelius<br />

Castoriadis her<strong>aus</strong>gegebenen Zeitschrift, nimmt<br />

Cleaver positiv Bezug. In neun Punkten summiert<br />

Cleaver die programmatischen Orientierungen dieser<br />

Strömungen, die ich hier vollständig zitierten<br />

möchte:<br />

1) die ArbeiterInnenklasse als autonome Macht;<br />

2) das Kapital als die ArbeiterInnenklasse in sich selbst<br />

beinhaltend, das Kapital folglich als Klassenkampf;<br />

3) Technologie als spezifische Spaltung <strong>der</strong> Macht <strong>der</strong><br />

ArbeiterInnenklasse, die durch den Klassenkampf hervorgebracht<br />

wird;<br />

4) die Organisationen <strong>der</strong> ArbeiterInnenklasse als<br />

Funktion <strong>der</strong> Klassenzusammensetzung <strong>und</strong> daher <strong>der</strong><br />

historische Charakter von Gewerkschaftsbewegungen,<br />

Sozialdemokratie <strong>und</strong> Leninismus als gültige organisatorische<br />

Lösungen <strong>der</strong> ArbeiterInnenklasse;<br />

5) die politische Neuzusammensetzung als die Überwindung<br />

<strong>der</strong> Spaltung <strong>der</strong> ArbeiterInnenklasse durch<br />

das Kapital;<br />

6) die ArbeiterInnenklasse als die Entlohnten ebenso<br />

wie die Nichtentlohnten mit einschließend; <strong>und</strong> somit<br />

7) das Kapital als gesellschaftliches Kapital o<strong>der</strong> als gesellschaftliche<br />

Fabrik;<br />

8) die kapitalistische Krise als Krise <strong>der</strong> Macht zwischen<br />

den Klassen <strong>und</strong><br />

9) die politische Neuzusammensetzung <strong>der</strong> ArbeiterInnenklasse<br />

<strong>und</strong> die kapitalistische Zerschlagung bzw.<br />

Zersetzung ebendieser als die Substanz <strong>der</strong> zwei Momente<br />

<strong>der</strong> Krise (Cleaver 2011; 164f)<br />

Wie diese Auflistung zeigt, geht es Cleaver nicht zuletzt<br />

um eine gesamtgesellschaftliche <strong>Sicht</strong>weise.<br />

Wenn wir das Klassenverhältnis <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Perspektive<br />

des Gesamtkapitals <strong>und</strong> nicht nur des konkurrierenden<br />

Einzelkapitals <strong>aus</strong> betrachten, dann können<br />

wir mittels <strong>der</strong> Marxschen Analyse alle Bewegungen<br />

<strong>und</strong> Kämpfe als Teil des Ringens um Autonomie<br />

verstehen. Auch die Nichtentlohnten, Frauen, Studierenden<br />

<strong>und</strong> formal Beschäftigungslosen zählen<br />

zum Proletariat; auch ihr Schicksal entscheidet sich<br />

in <strong>der</strong> Klassen<strong>aus</strong>einan<strong>der</strong>setzung.<br />

Cleavers Interpretation des ersten<br />

Abschnitts des Kapital<br />

Indem Cleaver die Ergebnisse <strong>der</strong> weiteren Kapitel<br />

des Kapital auf die von Marx entwickelten Begriffe<br />

im ersten Abschnitt bezieht, gelingt es ihm von Anbeginn<br />

an den Klassengegensatz offenzulegen, die<br />

den scheinbar klassenneutralen Begriffen wie Ware<br />

<strong>und</strong> Geld erst ihre Dynamik <strong>und</strong> <strong>Bedeutung</strong> verleihen.<br />

Marx beginnt sein Kapital bekanntlich mit <strong>der</strong><br />

Analyse <strong>der</strong> Ware, <strong>der</strong> Elementarform des Kapitalverhältnisses.<br />

Cleaver fokussiert sofort auf den Klassengehalt<br />

dieser Kategorie. Durchsetzung des<br />

Kapitalverhältnisses bedeutet immer Durchsetzung<br />

<strong>der</strong> Warenform, Kampf gegen das Kapital den<br />

Kampf gegen die Warenform. Die Warenform losgelöst<br />

vom Kapitalverhältnis begreifen zu wollen,<br />

erscheint Cleaver zu recht als absurd. „Die vorhergehende<br />

Klassifizierung des Klassenkampfes durch<br />

die Fragen, ob, wie stark <strong>und</strong> zu welchem Preis die<br />

Warenform durchgesetzt werden kann, ist ebenso<br />

historisch wie analytisch.“ (Cleaver 2011; 196)<br />

Über Ware im Marxschen Sinne zu sprechen bedeutet<br />

über die Durchsetzung <strong>der</strong> Warenform zu sprechen,<br />

die Warenform wie<strong>der</strong>um ist vom Kapitalverhältnis<br />

<strong>und</strong> damit vom Klassenkampf nicht zu<br />

trennen. Die warenproduzierende Gesellschaft ist<br />

zugleich die Kapital produzierende <strong>und</strong> ebenso die<br />

Klassen produzierende Gesellschaft. Schon vom<br />

Ansatz her stellt somit Cleavers Interpretation eine<br />

Alternative zu allen Spielarten <strong>der</strong> Wertkritik <strong>und</strong><br />

des Zirkulationsmarxismus dar.<br />

Abstrakte Arbeit, die Substanz des<br />

T<strong>aus</strong>chwerts<br />

Cleaver zeigt nach meiner Auffassung nach zutreffend,<br />

dass die Kategorie <strong>der</strong> gleichförmigen abstrakten<br />

Arbeit, die Substanz des Werts, nicht von <strong>der</strong><br />

gesellschaftlichen Durchsetzung <strong>der</strong> sozialen Existenzweise<br />

des Proletariats zu trennen ist <strong>und</strong> keinesfalls,<br />

wie es oftmals geschieht, als bloße t<strong>aus</strong>cherzeugte<br />

Abstraktion zu fassen ist. Nicht <strong>der</strong> T<strong>aus</strong>ch<br />

abstraktifiziere die Arbeit <strong>und</strong> lösche den Unterschied<br />

zwischen den konkreten Arbeitsarten <strong>aus</strong>,<br />

son<strong>der</strong>n die gesellschaftliche Geltung <strong>der</strong> abstrakten<br />

Arbeit beruht auf dem Versuch des Kapitals, „die<br />

Arbeit kontinuierlich formbarer für seine Bedürfnisse<br />

zu machen.“ (Cleaver 2011; 229) Die Wertsubstanz,<br />

die abstrakte Arbeit sei nur die an<strong>der</strong>e<br />

Seite des Versuchs des Kapitals, eine homogene, zu<br />

je<strong>der</strong> beliebigen Arbeit bestimmbare ArbeiterInnenklasse<br />

zu schaffen. Das „Verlangen nach einer kontrollierbaren<br />

Homogenität abstrakter Arbeit“<br />

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