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AUSGABE 6 - Herzzentrum

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WEM NUTZT DIE CHELAT-THERAPIE?<br />

Wem nutzt die Chelat-Therapie?<br />

– Kristina Dahlem, Esther Biesenbach,<br />

Priv.-Doz. Dr. Natig Gassanov,<br />

Univ.-Prof. Dr. Erland Erdmann,<br />

Priv.-Doz. Dr. med. Fikret Er<br />

Klinik III für Innere Medizin,<br />

Klinikum der Universität zu Köln –<br />

Die Therapie mit Chelatbildnern wird von<br />

Anhängern der alternativen, also ungesicherten<br />

Medizin als eine Option zur Behandlung von<br />

kardiovaskulären Erkrankungen, wie der koronaren<br />

Herzkrankheit (KHK) und der peripheren<br />

arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) angewendet.<br />

Sie umfasst die wiederholte intravenöse<br />

Applikation von Ethylendiamintetraessigsäure<br />

(EDTA), welche häufig mit der Gabe von Vitaminen<br />

und Spurenelementen kombiniert wird.<br />

Meist werden etwa 30 Infusionen mit jeweils<br />

50 mg EDTA/kg Körpergewicht über einen Zeitraum<br />

von mehreren Wochen durchgeführt 1,2 .<br />

Die Kosten für eine Therapie mit Chelatoren<br />

werden nicht von der Krankenkasse übernommen<br />

und belaufen sich auf mehrere tausend<br />

Euro 1,3 .<br />

Kurz: „Eine Chelat-Kur kann sich auf mehrere<br />

tausend Euro belaufen, die der Patient selbst<br />

zahlen muss.“<br />

Der vermutete protektive Effekt einer Therapie<br />

mit Chelatbildnern beruht auf einem längst<br />

überholten Verständnis der Atheroskleroseentstehung<br />

und der Theorie, dass atherosklerotische<br />

Plaques durch die Bindung von Kalzium<br />

aufgelöst und Stenosen reduziert werden<br />

könnten 4,5 .<br />

Kurz: „Chelatbildner sollen das Kalzium aus<br />

den Verkalkungen entfernen und dadurch<br />

Gefäßverkalkungen sogar rückgängig machen.“<br />

Insbesondere in den 1960’er Jahren wurden<br />

„Studien“ veröffentlicht, die eine subjektive<br />

symptomatische Verbesserung bei Patienten<br />

mit KHK durch eine Therapie mit Chelatoren<br />

zeigten. Bei diesen scheinbar vielversprechenden<br />

Ergebnissen handelte es sich jedoch mehrheitlich<br />

um einzelne Fallberichte und Ergebnisse<br />

aus nicht-kontrollierten, nicht-randomisierten<br />

Studien mit zumeist geringen Fallzahlen 3 .<br />

Im Jahre 2002 haben Knudtson et al. erstmalig<br />

in einer doppelblinden, randomisierten,<br />

Placebo-kontrollierten Studie gezeigt, dass<br />

eine Therapie mit Chelatbildnern bei Patienten<br />

mit ischämischer Herzkrankheit keinen positiven<br />

Effekt zur Folge hat 6 . Jeweils 39 Patienten<br />

in der Kontrollgruppe sowie im Interventionsarm<br />

vollendeten ein Follow-up Protokoll von<br />

27 Wochen. Es zeigte sich kein signifikanter<br />

Unterschied zwischen den beiden Gruppen im<br />

Hinblick auf die körperliche Leistungsfähigkeit,<br />

die Lebensqualität und auf die in der Ergometrie<br />

gemessene Zeit bis zum Auftreten von<br />

ischämischen Veränderungen im EKG.<br />

Kurz: „Chelatbildner zeigen keine Besserung<br />

der Beschwerden von Patienten mit koronarer<br />

Herzkrankheit.“<br />

Anderson et al. konnten 2003 in einer Subanalyse<br />

der PATCH Studie (Program to Assess<br />

Alternative Treatment Strategies to Achieve<br />

Cardiac Health) 53 Patienten einschließen und<br />

demonstrieren, dass eine Therapie mit EDTA<br />

bei Patienten mit KHK keinen positiven Effekt<br />

auf die Endothel-abhängige vasomotorische<br />

Funktion zeigt 7 . Somit wurde bewiesen, dass<br />

EDTA keine antioxidativen protektiven Eigenschaften<br />

besitzt und keinen Einfluss auf die<br />

endotheliale Dysfunktion nimmt, die in der<br />

Pathogenese der Atherosklerose eine bedeutende<br />

Rolle spielt.<br />

Zwei große systematische Übersichtsarbeiten<br />

haben den Effekt einer Therapie mit EDTA<br />

bei Patienten mit einer pAVK evaluiert. Die<br />

Auswertung der randomisierten, Placebokontrollierten<br />

Studien zeigt eindeutig, dass es<br />

keine Evidenz für den Einsatz einer Therapie<br />

mit Chelatoren in diesem Patientenkollektiv<br />

gibt. Es konnte kein signifikanter Unterschied<br />

in der maximalen Gehstrecke oder der Schmerzfreiheit<br />

nachgewiesen werden 5,8 .<br />

Kurz: „Die Chelat-Therapie bringt keine<br />

Vorteile bei Patienten mit peripherer Verschlusskrankheit.“<br />

Im Jahre 1994 konnten Van Rij et al. beispielsweise<br />

32 Patienten mit pAVK in eine doppelblinde,<br />

randomisierte, Placebo-kontrollierte<br />

Studie einschließen. Es zeigte sich kein signifikanter<br />

Unterschied zwischen der Interventionsund<br />

der Placebogruppe in Bezug auf die<br />

subjektiv geschätzte oder die objektiv gemessene<br />

maximale Wegstrecke, noch auf den<br />

Knöchel-Arm-Index 9 .<br />

Auch Guldager et al. fanden in einer<br />

doppelblinden, randomisierten, multizentrischen<br />

Studie mit insgesamt 153 Patienten nach<br />

einem Follow-up von 6 Monaten keine<br />

positiven Effekte nach einer Therapie mit<br />

EDTA. Die untersuchten Endpunkte waren<br />

hier die subjektiv empfundene Schmerzfreiheit,<br />

die maximale Gehstrecke und der Knöchel-<br />

Arm-Index 10 .<br />

Aufgrund aller dieser Ergebnisse spricht sich<br />

auch die American Heart Association ausdrücklich<br />

gegen eine Therapie mit Chelatoren bei<br />

Patienten mit pAVK aus 4 .<br />

Neben fehlender wissenschaftlicher Evidenz,<br />

birgt die Therapie mit Chelatoren zudem<br />

das Risiko für ernste Komplikationen. Beschrieben<br />

wurden unter anderem lebensbedrohliche<br />

Hypokalzämien, Herzrhythmusstörungen,<br />

schwere Nierenschädigungen, Knochenmarksschäden,<br />

allergische Reaktionen, sowie ein<br />

erhöhtes Risiko für Blutungen und thromboembolische<br />

Komplikationen 1,4 .<br />

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