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Als PDF downloaden - Volksoper Wien

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Für die musikalische Komödie hat der bedeutende<br />

Musik-Forscher Carl Dahlhaus einmal mit Verweis auf<br />

ein Wort Gustave Flauberts von jenem „Schwebezustand“<br />

gesprochen, der jedem Drama, dem komischen<br />

zuvörderst der „angemessene“ Zustand sei, jener Zustand,<br />

der den Betrachter zuletzt auch ein wenig ratlos<br />

zurückläßt: „Ein Komödien-Ende, das nichts offen<br />

läßt, ist keins“, schreibt Dahlhaus. Damit trifft er den<br />

sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf – oder, je nachdem,<br />

mitten ins Herz der Johann Strauß‘schen „Fledermaus“.<br />

Sie vermag als Ganzes und in ihren Teilen<br />

geradezu paradigmatisch für jenen „Schwebezustand“<br />

zu stehen.<br />

Karl Kraus, um ihn noch einmal zu zitieren, macht aber<br />

gerade dieses Stück für die „Gräßlichkeiten der Salonoperette“,<br />

wie er sie nennt, verantwortlich. Die „Fledermaus“<br />

sei, so Kraus, geradezu „des Übels Urquell“,<br />

führe „über die Mittelmäßigkeit des ‚Opernballs‘ in die<br />

geistigen Niederungen der ‚Lustigen Witwe‘“.<br />

Ein Jahrhundert später werden sowohl Heubergers<br />

als auch Franz Lehárs populärste Stücke nach wie<br />

vor gern gespielt. Irgendwo liegt also wohl doch ein<br />

Irrtum verborgen. Vielleicht kommen wir ihm auf die<br />

Spur, wenn wir die musikalischen Qualitäten der aufgerufenen<br />

Zeugen für den angeblichen Niedergang<br />

der Kunstform näher betrachten, die dem Sprachanalytiker<br />

Kraus weniger zugänglich gewesen sein<br />

dürften als Fragen von Text, Poesie und Dramaturgie.<br />

Ist es nicht Richard Heuberger, dem eine fulminante<br />

Transplantation französischen Esprits ins (musikalisch)<br />

wienerische Unterhaltungstheater gelang? Ist es<br />

nicht gerade die „Opernball“-Musik, die Offenbachs so<br />

zwingenden Theater-Rhythmus<br />

aufnimmt – und mit einem an<br />

Strauß geschulten Raffinement<br />

verfeinert?<br />

Wer, apropos, die musikalischen<br />

Kreationen der wienerischen<br />

Operette studiert, wird nicht<br />

umhin können, einem Johann<br />

Strauß zu konzedieren, daß er<br />

mit dem zweiten Akt-Finale seiner<br />

„Fledermaus“ ein ungleich<br />

subtileres, feiner gegliedertes<br />

Gebilde zu konstruieren wußte,<br />

als es Offenbach einst in seinem<br />

„Pariser Leben“ gelang. Kraus<br />

verweist angelegentlich auf die<br />

Vorbildwirkung gerade dieses<br />

Werks für das <strong>Wien</strong>er Operettenmeisterstück.<br />

Er bewertet<br />

Offenbach freilich höher - aus den genannten Gründen.<br />

Doch wollen wir nicht ein wenig auf den Schwebezustand<br />

vertrauen, in den uns gerade der Mittel- und emotionale<br />

Höhepunkt der „Fledermaus“, die Verbrüderungsszene in<br />

jenem Finale des 2. Aktes entführt? Und zwar mit den Mitteln<br />

musikalischer Steigerungskunst, die ganz auf der Höhe<br />

ihrer Zeit Vergleiche mit den Spitzenwerken der „Ernsten<br />

Musik“ nicht zu scheuen braucht.<br />

Der Text in jenem Moment höchster Spannung? Er lautet:<br />

„Duidu, duidu, lala la la lala“. Womit wir wieder bei<br />

unserer Eingangsthese gelandet wären. Es braucht nicht<br />

den Verweis auf spätere poetische Trouvaillen vom Format<br />

von Morgensterns „Großem Lalula“ oder gar Kurt Schwitters‘<br />

„Ursonate“, ja es bedarf nicht einmal der liebevollen<br />

Sprachspiele eines Ernst Jandl, um auch die literaturhistorische<br />

Bedeutung dieses Moments in der Verschwisterung<br />

von Text und Musik zu markieren. Es genügt der Seitenblick<br />

auf ein zwei Jahre nach der „Fledermaus“-Uraufführung<br />

aus der Taufe gehobenes Werk wie Wagners „Ring des<br />

Nibelungen“, wo nicht nur wiederholt und mit Nachdruck<br />

„Hojotoho“ und „Heiahei“ gerufen wird, sondern in tatsächlich<br />

wunderbarer Verschmelzung der Kunstformen Tonund<br />

Sprachgirlanden mit anmutigem „Weia, waga, woge<br />

du Welle, walle zur Wiege, wigalaweia“ ineinander verschlungen<br />

sind. Die Tetralogie beginnt mit solcher Kunstfertigkeit<br />

– in der „Fledermaus“ steht sie am Höhe- und Scheitelpunkt<br />

der Handlung. Und kein Publikum der Welt hat<br />

sich je der magischen Kraft dieses Augenblicks entziehen<br />

können, in dem Musik und Sprache ineinander übergehen.<br />

Der Idealfall tritt ein. Operette.<br />

Wilhelm Sinkovicz, 2008<br />

150 Jahre Operette<br />

Mit Werken von Paul Abraham, Ralph Benatzky, Heinrich Berté, Nico Dostal,<br />

Edmund Eysler, Bruno Granichstaedten, Richard Heuberger, Emmerich<br />

Kálmán, Franz Lehár, Carl Millöcker, Jacques Offenbach, Robert Stolz, Oscar<br />

Straus, Johann Strauß, Franz von Suppé, Carl Zeller, Carl Michael Ziehrer u. a.<br />

Mit: Martina Dorak, Daniela Fally, Edith Lienbacher, Birgid Steinberger;<br />

Sebastian Holecek, Mehrzad Montazeri, Sándor Németh, Sebastian Reinthaller<br />

und Jörg Schneider<br />

Gäste: Natalia Ushakova, Jochen Kowalski und Daniel Prohaska<br />

Gestaltung und Präsentation: Christoph Wagner-Trenkwitz<br />

Orchester der <strong>Volksoper</strong> <strong>Wien</strong><br />

Musikalische Leitung: Rudolf Bibl, Alfred Eschwé und Gerrit Prießnitz<br />

Konzerte am 24. und 28. Oktober 2008

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