Feministischer Wissenstransfer - Verband Wiener Volksbildung
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Masterlehrgang<br />
"Internationale Genderforschung und Feministische Politik"<br />
Viersemestriger Lehrgang universitären Charakters<br />
Jänner 2005 bis Dezember 2006<br />
MASTER - THESIS<br />
Grundlagen feministischer Politikberatung<br />
<strong>Feministischer</strong> <strong>Wissenstransfer</strong> in die Politik<br />
Petra Unger<br />
Erstbegutachtung: Univ.Prof. in Dr. a Birgit Sauer<br />
Zweitbegutachtung: Univ.Lekt. in Dr. a Ursula Kubes-Hofmann<br />
Abgabetermin: 30.Mai 2007<br />
Rosa - Mayreder - College<br />
Wien
2<br />
Inhalt<br />
1. Vorwort ________________________________________________________ 5<br />
2. Einleitung _____________________________________________________ 10<br />
3. Fragestellung und Zielsetzung _____________________________________ 13<br />
4. Aufbau der Arbeit _______________________________________________ 15<br />
4.1. Frauenbewegung und Frauenforschung – eine wechselvolle Geschichte______ 15<br />
4.2. Wechselwirkung Bewegung - Theorie _________________________________ 16<br />
4.3. Postmoderne - Postfeminismus ______________________________________ 18<br />
4.4. Sex – Gender – Queer_____________________________________________ 20<br />
4.5. Zusammenfassung _______________________________________________ 23<br />
5. Anwendbarkeit feministischen Wissens – Geschlechterkonstruktionen______ 25<br />
5.1. Alltagswissen versus wissenschaftliches Wissen ________________________ 26<br />
5.2. Doing Gender____________________________________________________ 27<br />
5.3. Die Schwierigkeit der Anwendung ____________________________________ 29<br />
6. Parteipolitikerinnen in Österreich – eine Annäherung ___________________ 33<br />
6.1. Der Weg ins Parlament - Die ersten Schritte ____________________________ 34<br />
6.2. Fortschritte und Rückschläge _______________________________________ 35<br />
Exkurs: Frau - sein ist kein politisches Programm ___________________________ 37<br />
7. Im und gegen den Staat __________________________________________ 38<br />
7.1. Der geschlechtslose Staat?! ________________________________________ 38<br />
7.2. Repräsentation von Frauen _________________________________________ 41<br />
Exkurs: Das Parlament als Spiegel der Gesellschaft?_________________________ 42<br />
7.3. Zusammenfassung _______________________________________________ 45<br />
8. Politik(en) _____________________________________________________ 46<br />
8.1 Verknüpfte Kategorien _________________________________________ 46<br />
Exkurs: Junge Politikwissenschaft________________________________________ 47<br />
8.2 Politische Prozesse – politisches Handeln _____________________________ 50<br />
9. Frauenpolitik ___________________________________________________ 53
3<br />
9.1. Implikationen und Themen__________________________________________ 54<br />
9.2. Feministische Frauenpolitik _________________________________________ 55<br />
9.3. Frauenpolitikerinnen - Parteifrauen ___________________________________ 59<br />
9.4. Frauenbilder_____________________________________________________ 62<br />
9.4.1. Das Frauenbild der Sozialdemokratischen Partei ______________________ 62<br />
9.4.2. Das Frauenbild der Österreichischen Volkspartei ______________________ 63<br />
9.4.3. Das Frauenbild der Grünen Alternativen _____________________________ 65<br />
9.4.4. Das Frauenbild der Freiheitlichen Partei _____________________________ 67<br />
9.4.5. Das Frauenbild Bündnis Zukunft Österreich __________________________ 67<br />
9.5. Zusammenfassung _______________________________________________ 68<br />
10. Politikberatung _______________________________________________ 69<br />
10.1. Problemfelder wissenschaftlicher Politikberatung ________________________ 70<br />
10.2. Verschiedene Modelle der Politikberatung _____________________________ 72<br />
11. Empirischer Teil: Methode und Forschungsverlauf____________________ 76<br />
11.1. Methodenwahl ___________________________________________________ 76<br />
11.2. Auswahl der Interviewpartnerinnen ___________________________________ 78<br />
11.3. Transkription ____________________________________________________ 81<br />
11.4. Ergebnisse der empirischen Untersuchung _____________________________ 82<br />
11.4.1. Kategorie Frauenpolitik __________________________________________ 82<br />
11.4.2. Kategorie Feminismus ___________________________________________ 85<br />
11.4.3. Kategorie Wissen_______________________________________________ 87<br />
11.4.4. Kategorie Politikberatung_________________________________________ 89<br />
11.4.5. Praxis feministischer Politikberatung ________________________________ 92<br />
12. Beantwortung der Forschungsfrage und Schluss _____________________ 98<br />
13. Anhang ____________________________________________________ 102<br />
13.1. Interviewleitfaden für politische Akteurinnen ___________________________ 102<br />
13.2. Interviewleitfaden Politikberatung ___________________________________ 102<br />
13.3. Interviews Frauenpolitikerinnen _____________________________________ 103<br />
13.4. Abkürzungen ___________________________________________________ 103<br />
13.5. Tabellenverzeichnis ______________________________________________ 104<br />
13.6. Abbildungsverzeichnis ____________________________________________ 104
4<br />
13.7. Frauenvolksbegehren ____________________________________________ 105<br />
13.8. Literaturliste Master Thesis ________________________________________ 112<br />
13.9. Linkliste _______________________________________________________ 116
5<br />
1. Vorwort<br />
Mein Beruf als Kunst- und Kulturvermittlerin hat mich gelehrt, von meinem Publikum<br />
kein Vorwissen zu erwarten. Historisches oder kunsthistorisches Wissen, Wissen<br />
über lokale Eigenheiten und Begebenheiten ist Spezialwissen. Der Anspruch an<br />
Allgemeinbildung sowie der Wissensgesellschaft an alle, Spezialwissen aus<br />
möglichst vielen Bereichen möglichst lebenslang anzuhäufen, steht im Raum und<br />
schafft Hierarchien. Hierarchien zwischen den Wissenden und den Nicht-Wissenden,<br />
zwischen wissenschaftlichem Wissen und Alltagswissen, Arbeits- und Berufswissen,<br />
Erfahrungswissen, Faktenwissen und emotionalem Wissen. „Es ist wissenschaftlich<br />
erwiesen...“ gerät in dieser Wissenskultur zu einem Totschläger-Argument. Jede<br />
damit verknüpfte Aussage erhält Verkündigungscharakter, den Nimbus<br />
unumstößlicher Wahrheit. Die Orte der wissenschaftlichen Wissensproduktion haben<br />
eigene Regeln und Abläufe entwickelt, um Glaubwürdigkeit und Legitimation zu<br />
sichern. 1 Wissenschaftliches Wissen ist „hochgradig institutionalisiert und organisiert“<br />
(Weingart, In: Falk/ Rehfeld et. al. 2006:35) Doch der Wahrheitsanspruch hat sich<br />
relativiert und wurde als eine Form von Wahrheitskonstruktion entlarvt - auch durch<br />
feministische Wissenschaftskritik, die Mechanismen der Wissensproduktion als<br />
vergeschlechtlicht identifiziert hat. Wissen ist Macht und wird machtvoll eingesetzt.<br />
Welches Wissen, das hängt wiederum von der jeweiligen Definitionsmacht ab. Auch<br />
in feministischen Kreisen. In den Anfängen der Zweiten Frauenbewegung wurde<br />
nicht-wissenschaftliches Erfahrungswissen von Frauen zur Handlungsmotivation und<br />
damit aufgewertet. Wechselseitiger Austausch und ständige Reflexion war der hohe<br />
Anspruch. Ein Anspruch, der in der realen Auseinandersetzung nicht immer<br />
konfliktfrei und reibungslos erfüllt werde konnte. Dennoch war diese<br />
Auseinandersetzung in höchstem Maße fruchtbar. Feministisch –<br />
wissenschaftliches Wissen verbunden mit Alltags- und Praxiswissen führte zu einer<br />
starken Professionalisierung der Frauenbewegung und ihren institutionalisierten<br />
Organisationen, aber auch zu einer feministischen Professionalisierung der<br />
politischen Akteurinnen in den verschiedenen Parteien.<br />
1 Vgl. Bourdieu 1992b
6<br />
Funktioniert dieser Wissensaustausch noch? Wissen die aktuellen politischen<br />
Akteurinnen und Praktikerinnen von den neuesten Erkenntnissen der mittlerweile mit<br />
eigenen Instituten und Lehrgängen etablierten feministischen Forschung? Mein<br />
Eindruck in meinen verschiedenen Arbeitsfeldern war: Nein, sie wissen nicht. Mein<br />
nächster Gedanke dazu war: Neue, andere Formen der Wissensvermittlung müssen<br />
geschaffen werden. Während der Recherchen zu dieser Arbeit habe ich die<br />
umgekehrte Frage gestellt: Wissen die feministischen Wissenschafterinnen von den<br />
Realitäten der politischen Akteurinnen? Welches Wissen brauchen<br />
Wissenschafterinnen von den politischen Akteurinnen, um die richtigen Fragen in<br />
ihren Forschungen stellen zu können? Meine Überzeugung, dass dieser Austausch<br />
nur auf Augenhöhe in gegenseitiger Anerkennung des unterschiedlichen Wissens<br />
Früchte tragen kann, bildet den Hintergrund dieser Arbeit. Politische Akteurinnen<br />
brauchen feministische Theorien, um nicht in die eigenen, ständig mit neuem<br />
Gewand verkleideten, alten Fallen zu tappen. Feministische Wissenschafterinnen<br />
brauchen die Praktikerinnen, um die wichtigen, aktuellen Themen außerhalb ihrer<br />
homogenen Community aufgreifen zu können und um ihre Theorien an der Praxis zu<br />
messen. Es gibt das feministische Wissen nicht. Ebenso wenig wie es das Wissen<br />
um die richtige Frauen- oder Geschlechterpolitik gibt. Aber es gibt die Möglichkeit der<br />
Annäherung und des Austauschs. Und nicht zuletzt der Versuch der Vermittlung<br />
zwischen zwei Kulturen.<br />
Für mich als Praktikerin, als Kunst- und Kulturvermittlerin, als feministische<br />
Stadtführerin und Vortragende, Workshop- und Seminarleiterin ist dieser Anspruch<br />
der wechselseitigen Fragestellungen und des damit verbundenen Austausches Teil<br />
meiner Arbeits- und Berufsethik. Wissensinhalte werden nur dann zu Erkenntnis und<br />
können Veränderungen im Denken und Handeln hervorrufen, wenn es an schon<br />
vorhandenes, persönlich - emotionales Alltags- und Erfahrungswissen und/oder<br />
schon erworbenes Fakten- und inhaltliches Wissen – sei es wissenschaftlich oder<br />
nicht – anknüpfen kann. Wenn es etwas mit den Personen zu tun hat und wenn ihr<br />
eigenes Wissen Anerkennung und Wertschätzung erfährt. Wenn Fragen stellen nicht<br />
dazu führt, als „Nicht-Wissende“ entlarvt und bloß gestellt zu werden. Meinem<br />
Publikum das Vertrauen geben, Fragen stellen zu können und die Sicherheit, dass<br />
alle Fragen willkommen sind, dass ihr Wissen gleich – wert mit meinem<br />
Spezialwissen ist, ist ein weiterer Bestandteil meiner Arbeitsweise. Im daraus<br />
entstandenen Austausch habe auch ich viele Fragen gestellt und viel gelernt. Von<br />
den Teilnehmer/innen meiner Frauenstadtspaziergänge, den Feministinnen aus der
7<br />
Autonomen Frauenbewegung und den Parteifrauen unterschiedlichster<br />
Zugehörigkeit, von Studentinnen und Professorinnen, Touristinnen und Touristen, die<br />
an meinen Stadtrundgängen teilgenommen haben. Diese Erfahrungen anzuwenden<br />
in der Konzeption einer feministischen Politikberatung ist eines der praktischen Ziele<br />
dieser Arbeit. Ein weiteres Ziel ist es, erneut und wieder grundsätzliche<br />
Überlegungen anzustellen, die eigenen Methoden kritisch in den Blick zu nehmen,<br />
die jene Vermittlung zwischen unterschiedlichen Sprach- und Wissenskulturen<br />
ermöglichen.<br />
Feministische Politikberatung könnte auch – soviel sei vorweg genommen - wieder<br />
Anregung zu Solidarisierung über alle Parteigrenzen und institutionellen Grenzen<br />
hinweg bedeuten. Der Energieverlust im Streit darum, wer das bessere<br />
Frauenprogramm hat, wer die meisten Stimmen für die eigene Partei damit gewinnen<br />
kann, ist enorm und dient vor allem den Männern. Besonders dann, wenn „Politik mit<br />
Frauen“ gemacht wird, in dem Sinne, dass Frauenpolitik nur dazu dient, politisches<br />
Kleingeld zu zählen und Wahlen zu gewinnen, aber nicht, um die Situation von<br />
Frauen realiter zu verbessern. Hier stellt sich die Frage, ob es nicht wieder Gebot der<br />
Stunde ist, Frauensolidarität – oder nennen wir es lieber „Vernetzung“, nachdem der<br />
Solidaritätsbegriff rückblickend eher als kurzlebiger Glücksfall während der Zweiten<br />
Frauenbewegung und heute als utopisch empfunden wird - zu üben. In meiner<br />
teilnehmenden Beobachtung während meines Forschungspraktikums, während<br />
meiner Interviews mit Frauenpolitikerinnen der verschiedenen Parlamentsparteien<br />
und im Zuge meiner vergleichenden Analyse der jeweiligen Frauenprogramme,<br />
stellte sich mir immer wieder die Frage, warum die Querschnittsmaterie „Frau“ nicht<br />
quer über alle Parteigrenzen hinweg, verhandelbar und durchsetzbar ist. So<br />
unterschiedlich sind die Konzepte in vielen Bereichen dann doch wieder nicht.<br />
„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, bessere Ausbildung und ein besseres Netz an<br />
Kinderbetreuungseinrichtungen fordern alle Parteien, selbst jene rechts außen. Bei<br />
„Abtreibung auf Krankenschein“ wird noch gestritten werden müssen und bei der<br />
Anerkennung anderer, migrantischer, religiöser oder nicht heterosexueller<br />
Lebensformen ebenso. Weiblichkeits- und Männlichkeitskonstruktionen brauchen<br />
den Streit darum, um sich verändern zu können. Was spricht gegen diesen Streit?<br />
Und was spricht gegen eine Frauenpolitik, die wieder vermehrt von den Männern<br />
spricht? Darüber, was sie (in Frauen schädigender Weise an-) tun und darüber was<br />
sie ( in ebenso schädigender Weise) nicht tun? Aktuelle Frauenpolitik spricht nicht<br />
mehr von Männern. Ständig hören wir, was Frauen tun, was sie tun sollten und was
8<br />
für sie getan werden sollte. Die „Spezies Mann“ steht nicht mehr im Kreuzfeuer der<br />
Kritik. Die Spezies „Parteikollege“ oder „Parlamentskollege“ scheinbar noch weniger.<br />
So als hätte Erfolg und Scheitern von Frauenpolitik oder frauenpolitischen<br />
Forderungen nichts mit den Männern zu tun. Vielleicht sollten im Nationalrat<br />
provokante, polemische Fragen gestellt werden. Vielleicht dieser Art: „ Meine Herren!<br />
Was haben Sie in den letzten Jahren konkret getan, um den Frauenanteil in den<br />
Ausschüssen zu erhöhen und ihren Parteikolleginnen die besseren Listenplätze zu<br />
verschaffen? Haben Sie heute schon Ihre Hausarbeit geleistet und sich um<br />
Betreuung und Erziehung Ihrer Kinder gekümmert? Wissen Sie schon, wie Sie die<br />
Pflege Ihrer alten Eltern mit Ihrem Beruf vereinbaren werden? Haben Sie bei Ihren<br />
männlichen Freunden und Kollegen in letzter Zeit Bewusstseinsarbeit geleistet?<br />
Betonen Sie, dass richtige Männer ihre Frauen nicht schlagen, sexistische Witze<br />
nicht lustig sind und beim Besuch einer Prostituierten darauf zu achten ist, ob sie<br />
unter menschenwürdigen, existenzsichernden Umständen arbeiten kann? Haben Sie<br />
über Ihr Männerbild heute schon nachgedacht? Was Sie zum Mann macht? Ob sie<br />
einer sind? Was die Konstruktion von Geschlecht bedeuten könnte? Wann haben Sie<br />
zuletzt ein Buch über Geschlechterforschung gelesen?“<br />
Die Reihe der Fragen lässt sich noch lange fortsetzen. Derartige Fragen zu stellen,<br />
könnte die gelangweilten (oder nicht anwesenden) Abgeordneten bei Diskussionen<br />
um Frauenthemen, Gender Mainstreaming oder Gender Budgeting ein wenig<br />
interessierter werden lassen und würde vermutlich heftige Diskussionen hervor rufen.<br />
Dringend notwendige Diskussionen. Derartiges überhaupt zu denken, könnte auch<br />
Teil einer feministischen Politikberatung sein. Anregung zur Widerständigkeit geben.<br />
Im neu-modernen „Gendersprech“ wird viel von Empowerment gesprochen.<br />
Ermächtigung. Politikerinnen zu ermutigen und zu ermächtigen, Machtstrukturen zu<br />
kritisieren. Sie auch darin zu bestärken, sich mit den eigenen Verstrickungen mit der<br />
(Männer-) Macht auseinander zu setzen. 2 Solange Politikerinnen loyaler zu ihren<br />
Parteikollegen stehen als zu ihren Parteikolleginnen, Männer immer berücksichtigen<br />
und „mitnehmen“ wollen, kommt Frauenpolitik nur als „...ein (sehr kleines, Anm. u.p.)<br />
Beet im Paradiesgarten Politik“ vor (Rosenberger 1991: 47) und wird nicht die<br />
2 Christina Thürmer-Rohr schreibt dazu: „...dass diese Welt, deren Unordnung und Ordnung wir<br />
anklagen, ohne die Mitwirkung der Frau als aktive und passive Würdigerin des Mannes nicht wäre wie<br />
sie ist; dass auch Frauen nicht wären, wie sie sind, wenn sie nicht den Hauptschub ihrer Kraft, Zeit<br />
und Fähigkeiten der Machtermächtigung des Mannes widmen würden.“ (Thürmer-Rohr 1989: 87)
9<br />
Querschnittsmaterie, die es werden sollte. In diesem Sinne plädiere ich für<br />
Empowerment, Widerständigkeit, Vernetzung und intensivem Wissen- und<br />
Erfahrungsaustausch. Und ich plädiere dafür, dissident zu sein, auch in den eigenen<br />
Lebens- und Berufsfeldern, auch wenn es Mut erfordert. Oder, um es mit anderen<br />
Worten zu formulieren, die Rolle der „integrierten Außenseiterinnen“ in Betracht zu<br />
ziehen. 3 Barbara Holland – Cunz schreibt dazu: „Der einzig sichere Lohn, den es für<br />
diese harte Arbeit gibt, ist nicht der Erfolg, sondern die Würde.“ (ebd)<br />
3 Vgl. Harding 1994
10<br />
2. Einleitung<br />
Was ist eine Frau? Was ist ein Mann? Was ist Gender Mainstreaming und womit<br />
beschäftigen sich Gender Theorien? Ist Feminismus „out“ oder stehen wir schon<br />
mitten in der Dritten Frauenbewegung? Das sind einige der vielen Fragen, die heute<br />
wieder und/oder immer noch in Zusammenhang mit dem Geschlechterverhältnis<br />
gestellt werden. Seit es der 4. Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking gelungen ist,<br />
Gender Mainstreaming als politische Strategie für die Arbeit der Vereinten Nationen<br />
zu verankern und 1999 die Mitgliedstaaten der EU mit dem Amsterdamer Vertrag die<br />
gesetzliche Verpflichtung zur Umsetzung von Gender Mainstreaming festgeschrieben<br />
haben, ist der umfangreiche Themenkomplex der Geschlechtergerechtigkeit<br />
zumindest vordergründig in den Mainstream der Politik gelangt. Gender<br />
Mainstreaming scheint die „Verstaatlichung der Frauenpolitik“ (Hark 2005: 22) mittels<br />
Gesetzen, Verordnungen und Gleichstellungsbeauftragten voranzutreiben, auch<br />
wenn nicht allen politischen Akteur/innen Herkunft und Bedeutung dieser Strategie<br />
geläufig ist. Gleichzeitig werden im universitären Raum Gender Theorien und<br />
feministische Ansätze in den verschiedensten Disziplinen diskutiert. Seit der<br />
Veröffentlichung des Buches „Gender Trouble – Feminism and the Subversion of<br />
Identity“ von Judith Butler sind nicht nur Vorstellungen zur „Kategorie Frau“ ins<br />
Wanken geraten. Auch die dominante Norm der Heterosexualität findet sich im<br />
Kreuzfeuer der Kritik wieder. So manche Aktivistin der Zweiten Frauenbewegung der<br />
70er und 80er Jahre lehnt derartige feministisch - akademische Ansätze als zu<br />
intellektuell und zu wenig praxisorientiert ab, Andere finden gerade darüber ihren<br />
Zugang zu feministischem Gedankengut. Sabine Hark stellt hierzu die Frage: „Was<br />
folgt aus der Tatsache, dass gegenwärtig (junge) Frauen und Männer Feminismus<br />
womöglich eher in ihrer akademischen Ausbildung kennen lernen als in politischen<br />
(Bewegungs-) Zusammenhängen?“ (Hark 2005: 64)<br />
In den aus der Zweiten Frauenbewegung entstandenen Frauenorganisationen findet<br />
zunehmend ein Generationenwechsel statt, in dessen Verlauf mitunter das<br />
feministische „Bewegungswissen“ verloren geht. Nicht selten kommt damit auch der<br />
feministisch – politische Impetus der Gründerinnen abhanden. Es stellen sich auch<br />
hier die Fragen: Was ist Feminismus? Was können Gender Theorien leisten und<br />
welche Vorteile bringt Gender Mainstreaming? Auch unter Akteurinnen der<br />
parlamentarischen Parteipolitik gehen die Meinungen zu diesen Fragen auseinander.<br />
So manche Grüne und Sozialdemokratische Parteifrau scheut sich nicht, sich selbst
11<br />
in Verbindung mit feministischem Gedankengut zu bringen, während auf der<br />
Homepage der ÖVP Frauen der Begriff „Opferfeminismus“ zu lesen ist. 4 Frauen der<br />
Freiheitlichen Partei verwenden Begriffe, die eng mit der Zweiten Frauenbewegung<br />
verbunden sind, wie „selbstbestimmt“ oder „partnerschaftlich“, und setzen sie gegen<br />
den Sinn der Erfinderinnen für ein Frauenbild ein, das vor allem die Mutterrolle ins<br />
Zentrum stellt. 5<br />
Abseits der Debatten in den Parteien, an den Universitäten oder den<br />
Frauenorganisationen sind viele Frauen und Männer in den westlichen Ländern der<br />
Ansicht, dass Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern längst verwirklicht ist.<br />
Von der Diskriminierung der Frauen zu sprechen ist „out“. „Frauen haben mittlerweile<br />
echte Chancen- und Wahlfreiheit“, ist eine weit verbreitete Meinung 6 . Männer seien<br />
zunehmend bereit, sich aktiv an Hausarbeit und Kindererziehung zu beteiligen, wird<br />
eifrig versichert.<br />
Statistische Zahlen sprechen jedoch eine deutlich andere Sprache: „Erwerbstätige<br />
Frauen verbringen im Schnitt 35 Wochenstunden am Arbeitsplatz. Für den Haushalt<br />
wenden sie wöchentlich 18 Stunden, für Kinderbetreuung 11 Stunden auf. In Summe<br />
ergibt das 64 bezahlte und unbezahlte Arbeitsstunden. Bei erwerbstätigen Männern<br />
macht die wöchentliche Gesamtbelastung nur 48 Stunden aus. Davon entfallen 41<br />
Stunden auf bezahlte Erwerbsarbeit, 4 Stunden auf Hausarbeit und 3 Stunden auf<br />
die Betreuung der Kinder. Am größten ist die zeitliche Belastung berufstätiger Mütter.<br />
Sie leisten im Schnitt 32 Stunden bezahlte und 40 Stunden unbezahlte Arbeit. Dies<br />
sind in Summe 72 Stunden pro Woche. Ähnlich hoch ist mit 69 Stunden die<br />
4 Maria Rauch-Kallat: „Diese Theorie des alten Feminismus ist negativ und destruktiv und trifft nicht<br />
das neue Lebensgefühl von Frauen. Die Klagen über die Opferrolle der Frau nehmen den Frauen<br />
Kraft und Mut. Ja, es gibt Probleme. Aber nicht alle Frauen haben „frauenbedingt“ ein trauriges<br />
Schicksal! Nicht alle Frauen sind von ihren Müttern falsch erzogen und von ihren Vätern schlecht<br />
behandelt worden. Quelle: ÖVP Frauenbewegung<br />
http://www.frauenoffensive.at/frauenpolitik/artikel.aspx?where=006208<br />
5 Monika Mühlwerth: „Die FPÖ versteht unter Frauenpolitik vor allem auch Familienpolitik und steht für<br />
ein partnerschaftliches Miteinander der Geschlechter und Generationen. Wichtig ist ein<br />
selbstbestimmtes Leben von Frauen, das die Wahlfreiheit von Familie, Beruf oder beidem miteinander<br />
möglich macht. Durch wirtschaftliche Zwänge müssen sich Frauen oft früher von ihren Kindern<br />
trennen, als es ihnen lieb ist. Dies ist eine Folge feministischer Frauenpolitik, die Kinder als<br />
Karrierehindernis sieht (...).“ (Monika Mühlwerth ist Abgeordnete zum Bundesrat, Anm. u.p.), Quelle:<br />
Freiheitliche Frauen<br />
http://www.freiheitlichefrauen.at/index.php?id=3771&backPID=3768&tt_news=12873<br />
6 Welche Wahlfreiheit damit gemeint ist, wird in der Regel selten ausgeführt.
12<br />
Gesamtbelastung alleinerziehender berufstätiger Frauen.“ 7 Ein weiteres Beispiel aus<br />
dem Themenbereich Gewalt gegen Frauen sei angeführt: „Etwa jede 2. bis 3. Frau<br />
erleidet körperliche Übergriffe in ihrem Erwachsenenleben. Etwa jede 7. Frau erfährt<br />
sexuelle Gewalt durch bekannte oder unbekannte Personen. Nicht wie bisher<br />
angenommen jede 5., sondern jede 4. Frau erlebt körperliche und/oder sexuelle<br />
Gewalt durch ihren Beziehungspartner. “ (Schröttle/ Glammeier: 2005) Die Zahlen<br />
widersprechen demnach deutlich dem Alltagsverständnis der meisten Frauen und<br />
Männer in bezug auf ihr Verhältnis zueinander. Alltagswissen allein reicht also nicht<br />
aus, um das Geschlechterverhältnis in seinen zahlreichen Facetten erfassen zu<br />
können. 8<br />
Selbst als Jugendliche in der Zweiten Frauenbewegung sozialisiert und vielfach<br />
konfrontiert mit geschlechtsspezifischer Diskriminierung, begleitet mich die Frage<br />
nach der Konstitution des Geschlechterverhältnisses und die Möglichkeit einer<br />
Geschlechterdemokratie seit mittlerweile Jahrzehnten. Meine vielfältigen beruflichen<br />
Tätigkeitsfelder bringen den Kontakt mit den verschiedensten gesellschaftlichen<br />
Gruppen mit sich. (Privatpersonen, Mitarbeiterinnen von Frauenorganisationen,<br />
Parteipolitikerinnen und Wissenschafterinnen etc.) Damit ist auch die<br />
Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Zugängen und Meinungen zu den Fragen<br />
des Geschlechterverhältnisses Teil meiner Arbeit. Eine meiner Beobachtungen ist,<br />
dass eine - wie ich es nenne - „heillose Begriffsverwirrung“ im Umgang mit diesem<br />
komplexen Themenfeld zu konstatieren ist. Die Begriffe werden „in einer Vielzahl von<br />
Bedeutungen und Verwendungsweisen“ (Hark 2005: 256) in den Diskussionen<br />
eingesetzt. Teile unterschiedlicher Erklärungsmodelle und Theorien werden aus dem<br />
Zusammenhang gerissen, verschiedene Zugangsweisen werden gegeneinander<br />
ausgespielt oder abgewertet. Ob diese Begriffsverwirrung in dieser angenommenen<br />
Form existiert und wie dieser „Begriffsverwirrung“ begegnet werden könnte, ist eine<br />
der Grundfragen dieser Arbeit. Weitere „große“ Fragen standen ganz zu Beginn<br />
meiner Arbeit im Raum: Was ist Politik? Was kann Politik im neoliberalen Mainstream<br />
bedeuten? Was bedeutet Frauenpolitik oder feministische Politik oder feministische<br />
7 Die präsentierten Ergebnisse stammen aus den Mikrozensus-Erhebungen September 2001 („Fragen<br />
zur Familie") sowie September 2002 („Pflegeleistung – Haushaltsführung – Kinderbetreuung"). Befragt<br />
wurden dabei jeweils rund 55.000 Personen in privaten Haushalten, deren Antworten auf die<br />
österreichische Bevölkerung hochgerechnet wurden. Quelle: Statistik Österreich www.statistik.at<br />
Mikrozensus<br />
8 Vgl. Stiegler: 2002
13<br />
Frauenpolitik? Oder müssen wir im „Gender Mainstreaming – Mainstream“ von<br />
„Geschlechterpolitik“ sprechen? Wie könnte eine geschlechtergerechte<br />
Demokratietheorie aussehen? Und wie können politische Akteurinnen darin<br />
unterstützt werden, Frauenpolitik und Geschlechterdemokratie voranzutreiben?<br />
Im postmodernen Bewusstsein um die Unmöglichkeit, „wahre“ Antworten zu finden,<br />
verstehe ich die folgende Arbeit als Annäherung an diese Begrifflichkeiten und<br />
Problemstellungen, ohne jedoch darauf zu verzichten, klare Standpunkte<br />
einzunehmen.<br />
3. Fragestellung und Zielsetzung<br />
Grundlegende Fragestellungen meiner Arbeit lauten:<br />
Welche Wissensinhalte sind Voraussetzung, um eine gültige Aussage zum<br />
Geschlechterverhältnis machen zu können und fundierte Ansätze zur Veränderung<br />
dessen präsentieren zu können? Welche Personen können diese Veränderungen in<br />
Gang setzen? Wie muss dieser <strong>Wissenstransfer</strong> sinnvoller Weise gestaltet sein?<br />
Angesichts der schon angemerkten „Vielzahl von Bedeutungen und<br />
Verwendungsweisen“ (Hark 2005: 256) feministischer Begriffe halte ich die<br />
Auseinandersetzung mit der historischen Entwicklung der feministischen<br />
Terminologie mit besonderem Fokus auf die Entwicklung seit der Zweiten<br />
Frauenbewegung für eine wesentliche Voraussetzung zur Beantwortung meiner<br />
Fragen. In logischer Konsequenz und mit Blick auf die beabsichtigte Richtung des<br />
<strong>Wissenstransfer</strong>s – vom universitären Bereich in das parlamentarisch -<br />
parteipolitische Feld – wird die Verbindung zwischen Frauenforschung,<br />
Frauenbewegung und „Parteifrauen“ beleuchtet. Die Zielgruppe des beabsichtigten<br />
<strong>Wissenstransfer</strong>s wird mit parteipolitisch organisierten Akteur/innen definiert. Sie<br />
nehmen eine Stelle im aktuellen politischen System ein, die meiner Ansicht nach<br />
feministische Bildung unabdingbar macht. Ziel und Forschungsfrage dieser Arbeit ist<br />
demnach:
14<br />
Wie kann feministische Politikberatung konzipiert werden, um dem Ziel eines<br />
„feminist turn“ 9 näher zu kommen? D.h. feministisch orientierte<br />
Transformationsprozesse in politischen Feldern mittels <strong>Wissenstransfer</strong><br />
anzustoßen und zu fördern?<br />
9 Vgl. Nickel, Zit. in: Hark 2005: 76)
15<br />
4. Aufbau der Arbeit<br />
Die Arbeit nähert sich schrittweise an das Thema „Feministische Politikberatung“ an.<br />
Der erste Schritt beschäftigt sich auf Basis der Diskursanalyse Sabine Harks mit dem<br />
Begriff „Feminismus“ in Verbindung mit Frauenbewegungsgeschichte. Anhand des<br />
Theoriestrangs der Geschlechterkonstruktionen wird einer der zahlreichen<br />
feministischen Ansätze mittels einer Analyse von Andrea Leitner exemplarisch auf<br />
Möglichkeiten und Grenzen der Anwendbarkeit feministischer Erkenntnisse überprüft.<br />
Der nächste Schritt wendet sich Geschichte, Repräsentation und Verortung von<br />
Frauen im österreichischen Staat zu. Unterschiedliche Kategorien der Annäherung<br />
an den Politikbegriff werden anschließend in ihren Grundzügen erläutert, um sie in<br />
Beziehung mit feministischen Politikbegriffen setzen zu können. Was unter<br />
Frauenpolitik und Frauenpolitikerinnen verstanden werden kann, welche (un-)<br />
ausgesprochenen Zuschreibungen und Erwartungen festzustellen sind, ist Thema<br />
des 6. Kapitels. Parteieigene Darstellungen von frauenpolitischen Zielsetzungen in<br />
den jeweiligen Frauenprogrammen untersucht eine Textanalyse in Kapitel 9. Damit<br />
wurden alle erforderlichen Schritte und Begriffsklärungen getätigt, die in die<br />
Auseinandersetzung mit Politikberatung einfließen können. Im letzten empirischen<br />
Teil werden die theoretischen Überlegungen in Beziehung gesetzt mit den<br />
Ergebnissen der Expertinneninterviews. Den Schluss bildet die Zusammenfassung<br />
grundsätzlicher Überlegungen zur Konzeption institutionalisierter, feministischer<br />
Politikberatung in Österreich.<br />
4.1. Frauenbewegung und Frauenforschung – eine wechselvolle Geschichte<br />
„Feminismus muss (...) als historisches Projekt verstanden werden – und zwar nicht nur in<br />
dem Sinne, dass er als eine Kraft in der Geschichte zu verstehen ist, dass Feminismus<br />
Geschichte macht, also auf geschichtlich gewordene Prozesse einwirkt und als Teil dieser<br />
Verhältnisse begriffen werden muss; vielmehr ist Feminismus selbst historisch gemacht und<br />
damit kontingent. Insofern ist die Zukunft von Feminismus tatsächlich eine stets offene<br />
Frage.“ (Hark 2005: 33)<br />
Dieses Zitat aus Sabine Harks Werk „Dissidente Partizipation. Eine<br />
Diskursgeschichte des Feminismus“ steht am Anfang dieses Kapitels als<br />
Begründung für den historischen Rückblick, in dem es um Begriffsdefinitionen von
Feminismus und die Beleuchtung einiger Aspekte der wechselvollen Geschichte des<br />
Begriffes gehen soll.<br />
16<br />
4.2. Wechselwirkung Bewegung - Theorie<br />
Der Begriff Feminismus ist historisch entstanden, hat sich verändert, wurde<br />
ideologisch aufgeladen, diffamiert und negativ besetzt, aber auch immer wieder<br />
rehabilitiert und neu definiert. Dieser Prozess über Jahrhunderte ist zudem von der<br />
Rede über das Ende des Feminismus begleitet worden. Wann hat die<br />
Frauenbewegung und Feminismus begonnen? In welcher Zeit ist die Entstehung zu<br />
verorten? Um diese Frage zu beantworten, erscheint es sinnvoll einen kurzen Blick<br />
in das 18. Jahrhundert der Französischen Revolution zu werfen. Charles Fourier<br />
(1772 - 1837) Sozialphilosoph, Frühsozialist und Sozialutopist prägt in einer seiner<br />
Schriften erstmals den Feminismusbegriff und definiert ihn folgendermaßen:<br />
„Feminismus ist die Anstrengung zur Gleichberechtigung und Emanzipation der Frauen (...).<br />
Die Veränderung einer geschichtlichen Epoche lässt sich immer aus dem Verhältnis des<br />
Fortschritts der Frauen zur Freiheit bestimmen (...) Der Grad der weiblichen Emanzipation ist<br />
das natürliche Maß der allgemeinen Emanzipation.“ (Fourier, Zit. in: Andel 1997)<br />
Im Laufe der Entwicklung erhält Feminismus eine umfassendere Definition:<br />
„Feminismus lässt sich als Ensemble von Debatten, kritischen Erkenntnissen, sozialen<br />
Kämpfen und emanzipatorischen Bewegungen fassen, das die patriarchalen<br />
Geschlechterverhältnisse, die alle Menschen beschädigen, und die unterdrückerischen und<br />
ausbeuterischen gesellschaftlichen Mächte, die insbesondere Frauenleben formen,<br />
begreifen und verändern will.“ (Hennessy, Zit. in: Haugg 2003: 155ff)<br />
Diese Definition stellt bewusst die Verbindung zwischen Frauenbewegung und<br />
Frauenforschung her. Hark meint dazu:<br />
„ >Frauenforschung< versteht sich von Anfang an auch als Reflexionsraum für die<br />
unbegriffene Praxis der Frauenbewegung.“ (Hark 2005: 253)
17<br />
Zur Veranschaulichung zitiert Hark aus der Einleitung zum ersten Heft der Beiträge<br />
zur feministischen Theorie und Praxis, Zeitschrift der autonomen Frauenbewegung“<br />
1978:<br />
„Eine der wesentlichen Ursachen (für die Unfähigkeit zur Strategiebildung, Anm. Hark) (...)<br />
dürfte der Mangel an theoretischer Arbeit sein. Dieses Theoriedefizit der Frauenbewegung ist<br />
keinesfalls das Ergebnis einer spezifischen weiblichen Schwäche, sondern ist die Folge der<br />
bewussten Ablehnung von Theorie überhaupt durch große Teile der Frauenbewegung, weil<br />
die heute herrschende technokratische Theoriebildung und Analyse als etwas Männliches,<br />
gleichzeitig aber auch als die einzig mögliche Form von Theorie überhaupt angesehen wird.<br />
Heute beginnen mehr und mehr Frauen zu verstehen, dass die unhistorische und<br />
undialektische Umkehrung und Umwertung der gesellschaftlichen Spaltung in weibliche und<br />
männliche >Rollen< der Verzicht auf >KopfarbeitBaucharbeitneuen Weiblichkeit< geradezu stabilisiert.<br />
Diese Erkenntnis macht das Bemühen um theoretische Klarheit zu einer dringlichen<br />
Forderung der Bewegung.“ (Hark 2005: 253)<br />
Interessant an diesem Zitat ist nicht nur das Plädoyer für Frauenforschung und der<br />
damit verbundenen Theoriearbeit, sondern auch der angedeutete Richtungsstreit<br />
innerhalb der Frauenbewegung entlang der Fragen, welche Art von Weiblichkeit<br />
Frauen in einer selbstbestimmten Formulierung definieren wollen und inwieweit diese<br />
neue Definition Geschlechterstereotype eher verfestigt als auflöst. Vor allem aber<br />
zeigt dieses Zitat, dass sowohl die Debatten um Weiblichkeit als auch die<br />
Erarbeitung feministisch-wissenschaftlicher Theorie von Anfang an Teil der<br />
Diskussionen innerhalb der Frauenbewegung waren. Der Austausch zwischen<br />
Theoretikerinnen an den Universitäten und Praktikerinnen der Bewegung sollte es<br />
ermöglichen, wissenschaftlich gewonnene Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen.<br />
Gleichzeitig sollte feministische Praxis mittels wissenschaftlicher Theorien reflektiert<br />
werden können. Diese Beziehung zwischen feministisch - wissenschaftlicher<br />
Erkenntnis und feministisch - politischer Praxis ist selten konfliktfrei verlaufen.<br />
Dennoch oder gerade deshalb zeichnet sich feministische Theorie durch einen hohen<br />
(Selbst-) Reflexionsgrad aus:<br />
„ Die feministische Kritik, die durch die radikale Infragestellung tradierter Geschlechterrollen<br />
ausgelöst wurde und in Fortführung ihrer Wissenschaftskritik ihre eigenen Prämissen und
18<br />
Denkvoraussetzungen im Hinblick auf die Kategorie >Frau< und >Geschlecht< in Frage stellt<br />
oder überprüft, zeugt zunächst einmal von einem hohen Grad an Souveränität und<br />
Selbstreflexion.“ (Gerhard, Zit. in: Hark 2005: 91)<br />
Anders formuliert beschreibt Gudrun-Axeli Knapp die Debatten als einen Diskurs, der<br />
sich durch ein<br />
„vergleichsweise hohes Maß an theoretischer Sensibilität gegenüber Generalisierungen als<br />
auch durch Reflexivität in bezug auf die eigenen Aussagebedingungen (auszeichnet).“<br />
(Knapp 1998: 2ff)<br />
4.3. Postmoderne - Postfeminismus<br />
Nicht nur Selbstreflexivität zeichnet die Diskursgeschichte des Feminismus aus,<br />
sondern auch die Beschäftigung mit anderen Theorien, u.a. der Kritischen Theorie<br />
der Frankfurter Schule, Marxismus, Psychoanalyse, Diskurstheorie,<br />
Poststrukturalismus oder postkolonialen Theorieansätzen. Feministisches Denken<br />
zeigt sich hier vor allem anschlussfähig an postmodernes Gedankengut. 10 Der<br />
daraus entstandene Begriff des Postfeminismus „verwischt (...) allzu oft die Grenze<br />
zwischen diesen kritischen Verwendungsweisen und der affirmativen Behauptung<br />
vom >Ende des Feminismus
19<br />
Trotz der Widerstandsfähigkeit feministischen Gedankengutes – entgegen aller<br />
Diffamierungen und Unkenrufe von außen (d.h. von Seiten der patriarchalen,<br />
heterosexuellen Normgesellschaft) – und auch trotz des hohen Maßes an<br />
Selbstreflexion und der äußerst fruchtbaren Auseinandersetzung mit anderen<br />
Theorien der Postmoderne lassen sich Hegemonien und Ausgrenzungen – begrifflich<br />
wie praktisch – auch innerhalb der feministischen Gruppen nicht leugnen. Schon in<br />
der Ersten Frauenbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts weisen heftige<br />
Auseinandersetzungen zwischen bürgerlichen und proletarischen Feministinnen auf<br />
bedeutende Auffassungsunterschiede hin, die erkennen lassen, dass „Frau-sein“<br />
kein politisches Programm ist. Die Zweite Frauenbewegung setzt die Debatte um die<br />
vielfältigen Auswirkungen der Unterdrückungszusammenhänge zwischen Klasse und<br />
Geschlecht fort und erweitert sie um weitere Dimensionen von Diskriminierung. In<br />
den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts beginnt – angestoßen von afro -<br />
amerikanischen Feministinnen in den Vereinigten Staaten - die Auseinandersetzung<br />
mit dem so genannten „weißen Mittelschichtfeminismus“. Ignoranz und Ausgrenzung<br />
gegenüber schwarzen Frauen, Migrantinnen und Andersgläubigen werden in den<br />
Blick genommen. Damit wird die Aufmerksamkeit auf die Vieldimensionalität von<br />
Machtverhältnissen gelegt. Im deutschsprachigen Raum führt Birgit Rommelspacher<br />
hierzu den Begriff der „Dominanzkultur“ (1995) ein. Sie beschreibt kulturelle<br />
Dominanz als bedeutend für das Selbstverständnis der jeweils herrschenden<br />
Gesellschaft und entlarvt die Funktion von Rassismus, Antisemitismus,<br />
Antiislamismus, Antislawismus etc. als wesentlichen Bestandteil einer praktizierten<br />
Selbstvergewisserung der eigenen Lebensweise. Rommelspacher verweist hierzu<br />
darauf, dass jede/r zugleich Subjekt und Objekt der jeweiligen Machtverhältnisse ist<br />
– auch Frauen. Christina Thürmer-Rohrs analysiert weibliche Mittäterschaft(en) mit<br />
Blick auf die Rolle von Frauen im Nationalsozialismus. 12 Zudem kritisiert sie die<br />
„Definition aller Frauen als kollektive Opfer historischen Geschlechterskandals und<br />
struktureller Gewalt.“ (Thürmer-Rohr, Zit. in: Becker/Kortendiek 2004: 85)<br />
„Frauen werden nicht nur unterdrückt, missbraucht und in ein schädigendes System<br />
verstrickt, sondern steigen auch eigentätig ein, gewinnen Privilegien, ernten fragwürdige<br />
Anerkennung und profitieren von ihren Rollen, sofern sie sie erfüllen.“ (ebd)<br />
12 Vgl. dazu Christina Thürmer-Rohr, 1983 und 1989
20<br />
Damit widerspricht Thürmer-Rohr dem Mythos der „friedfertigen Frau“, formuliert von<br />
Margaret Mitscherlich, die generalisierend von „den Frauen“ spricht und sie<br />
durchwegs als Opfer des patriarchalen Systems beschreibt. Auch Mittäterschaft von<br />
Frauen im Nationalsozialismus relativiert sie mit diesem Ansatz ihres gleichnamigen<br />
Buches. (Mitscherlich: 1989) Im Verlauf der Diskussion wird in logischer Konsequenz<br />
der Blick auf heutige, weiße, eurozentristische Rassismen gelenkt. Thürmer-Rohr<br />
kommt zu dem Schluss:<br />
„Heute wendet die Forschung sich gegen Abstraktionen und begriffliche Verkürzungen, die<br />
die vielfältigen Lebensrealitäten der verschiedenen Frauen verstellen, und es herrscht<br />
weitgehender Konsens darüber, dass die eindeutige Zuordnung zum Entweder-Oder der<br />
Opfer-Täter-Kategorie den Realitäten kaum gerecht wird.“ (Thürmer-Rohr, Zit. in:<br />
Becker/Kortendiek 2004: 87) 13<br />
4.4. Sex – Gender – Queer<br />
Einfache Antworten sind im feministischen Diskurs auch zum Thema weiblicher<br />
Sexualität nicht zu erwarten. Essentialistisch Konzepte, die versuchen auf eine<br />
„unveränderliche Weiblichkeit“, die „wahre Frau“ zurück zu greifen, werden radikal<br />
verworfen. Vor diesem Schritt steht jedoch die Erkenntnis, dass die Zuschreibungen<br />
zu dem „Konstrukt Frau“ über Jahrhunderte von Männern vorgenommen wurden<br />
bzw. in Anlehnung an die männliche Norm: Mann = Mensch und Frau = das<br />
Andere. 14 Zuschreibungen und Einschreibungen in den weiblichen Körper werden<br />
Gegenstand der feministischen Analyse: Was bedeutet es für jede Einzelne einen<br />
weiblichen Körper zu haben? Wer gibt diesem Körper welche Bedeutung? Mit<br />
welchen Mitteln und warum wird der weibliche Körper diszipliniert? Eigene<br />
Definitionen von Weiblichkeit mussten (und müssen immer) wieder oder neu<br />
gefunden werden. Einer der Auslöser für diese Überlegungen war die heftige<br />
öffentliche Diskussion um die Abschaffung der Abtreibungsparagraphen in<br />
Frankreich, Deutschland und Österreich, womit auch der Beginn der Zweiten<br />
Frauenbewegung datiert wird. Mit Slogans wie „Ob Kinder oder keine, entscheiden<br />
13 Mit dem Wissen um diese Debatte und ihren Ergebnissen können die eingangs zitierten<br />
Behauptungen der Vertreterinnen der Österreichischen Volkspartei und der Freiheitlichen Partei<br />
widerlegt werden.<br />
14 Vgl. Beauvoir: 1987 (1949)
21<br />
wir alleine“ oder „Mein Bauch gehört mir“ reklamieren Feministinnen das Recht auf<br />
Selbstbestimmung über ihren Körper und ihre Sexualität. Die Durchsetzung der<br />
Abschaffung des § 144 und die Einführung der Fristenlösung ist in Österreich als<br />
einer der größten Erfolge in die Geschichte der Frauenbewegung eingegangen. Es<br />
bleibt jedoch innerhalb der Frauenbewegung nicht bei der Diskussion um die „Folgen<br />
der Sexualität“, der Schwangerschaft. Es geht schließlich auch um die Frage einer<br />
selbstbestimmten und/oder genuin weiblichen Sexualität. Es kommt zu intensiven<br />
Debatten über lesbische Sexualität und den damit verbunden Lebensformen. Im<br />
lesbischen Feminismus wird der Slogan „Feminismus ist die Theorie, Lesbianismus<br />
die Praxis“ ausgegeben. Lesbische Feministinnen kritisieren den Heterosexismus<br />
ihrer feministischen Mitstreiterinnen und deren mangelnde Solidarität im Kampf um<br />
die gesellschaftliche Anerkennung ihrer Lebensform abseits „männlich identifizierter<br />
Räume“ (Thiessen, Zit. in Becker/Kortendieck 2004: 39) Lesbisch - sein als bewusst<br />
gewählte Lebensform und politische Praxis definiert, wird zuweilen auch mit<br />
essentialistischen Argumenten begründet, die wiederum auf Kritik stoßen. Die<br />
lesbische Kritik und die damit einhergehende Distanzierung lesbischer Feministinnen<br />
wird schließlich von vielen heterosexuellen Feministinnen als weitere, andere Form<br />
von Ausgrenzung wahrgenommen, für deren Abschaffung Feminismus unter<br />
anderem angetreten war. In diese Debatten um Homosexualität und<br />
Heterosexualität, geht schließlich der Begriff „Heteronormativität“ ein, den Judith<br />
Butler mit ihrem bis heute viel diskutierten Buch „Gender Troubles“ einführt und der<br />
in enger Beziehung mit dem Theoriestrang der Queer Theory steht, die eine<br />
analytische Dekonstruktion essentialistischer Konzepte vorantreiben wird. Judith<br />
Butler kann mit ihrem konstruktivistischen Ansatz durchaus in der Tradition Simone<br />
de Beauvoirs gesehen werden, die schon 1949 in ihrem Werk „Le deuxième sex“ 15<br />
mit dem Satz:<br />
„Wir werden nicht als Frauen geboren, sondern zu Frauen gemacht“ 16<br />
auf die Konstruiertheit von Geschlecht hingewiesen hat. 17 Vor allem aber steht Judith<br />
Butler in enger Verbindung mit poststrukturalistischen und postmodernen Ansätzen<br />
15 Die deutsche Übersetzung mit „Das andere Geschlecht“ beinhaltet andere Konnotationen, daher<br />
führe ich hier den Originaltitel an.<br />
16 Vgl. Beauvoir 1987 (1949)
22<br />
von Lyotard, Derrida und Foucault. Judith Butler kommt in ihrer Abhandlung zu dem<br />
Schluss, dass sowohl das biologische (sex) als auch das soziale Geschlecht<br />
(gender) als gesellschaftliches Konstrukt zu verstehen ist und lehnt generell<br />
Geschlecht als Einheit, um Menschen zu klassifizieren, ab. „Gender Trouble“<br />
radikalisiert nun diese Kritik an der sex/gender - Differenz, 18 insofern Butler hier<br />
konsequent mit der Vorstellung bricht, Geschlecht sei eine natürliche Eigenschaft von<br />
Körpern, die wiederum die Grundlage einer wie auch immer natürlich gegebenen<br />
Geschlechterdifferenz oder einer in Natur verbürgten sozialen Ordnung der<br />
Geschlechter bilden. Alle Aussagen über Identität und das „natürliche“ Geschlecht<br />
würden, so Butler, letztlich durch kulturelle und wissenschaftliche Diskurse erst<br />
ermöglicht.<br />
„ (...) dass Heterosexualität in diesem Sinne der Zweigeschlechtlichkeit vorausgeht, es die<br />
>heterosexuelle Matrix< ist, die die Einheit von Geschlecht, Identität, Begehren und<br />
Sexualität organisiert und aufrechterhält, ist wohl Butlers – und das die feministische Theorie<br />
am meisten verstörende – Argument in Gender Trouble.“ (Hark 2005: 28)<br />
Die kontinuierliche Ablehnung, Unterdrückung und häufig auch Verfolgung anderer<br />
sexueller Praktiken und Lebensformen (außer jener der Heterosexualität zwischen<br />
Frauen und Männern) wie Homosexualität, Transvestie, Transsexualität und<br />
Intersexualität ist damit benannt. 19 Mit ihrer Theorie ermöglicht Judith Butler eine frei<br />
gestaltete Identität - unabhängig von biologischem Geschlecht und gesellschaftlichen<br />
Zwängen - zu denken. Nachdem Butler, so argumentieren in der Folge viele<br />
Feministinnen, mit ihrer Theorie auch die politische Dimension des Weiblichen<br />
17 Als österreichische Vordenkerin ist an dieser Stelle Rosa Mayreder zu erwähnen, die in ihrer<br />
Essaysammlung „Zur Kritik der Weiblichkeit“ unter anderem schreibt: „Das Weib als Abstraktion, als<br />
Objekt des Denkens existiert nur im Kopfe des denkenden Subjektes und ist so abhängig von diesem,<br />
wie es in der Natur des Denkens liegt; das Weib als Individuum besteht für sich, und ist so edel oder<br />
so gemein, so begabt oder so dumm, so schwach oder stark, so gut oder so böse, so ähnlich dem<br />
Manne oder ihm so entgegengesetzt, kurz so verschiedenartig, als es in der Natur der menschlichen<br />
Gattung liegt (...) Gegen das Weib als Idol müssen sie kämpfen, wenn sie als reale Personen ihr<br />
Recht in der Welt erobern wollen.“ (Mayreder 1998/1905: 226)<br />
18 Vgl. Lauretis 1987<br />
19 Mit dem Begriff Intersexualität sind Menschen gemeint, die mit uneindeutigem Geschlecht geboren<br />
und als Säuglinge operativ einem der beiden Geschlechter zugewiesen werden. Siehe hierzu: Eva<br />
Matt: http://www.dieuniversitaet-online.at/beitraege/news/intersexualitat-und-recht/65/neste/3.html
23<br />
dekonstruiert hat, stellt sich die Frage, wie sich für die politisch - feministische<br />
Bewegung ein politisches Subjekt (bisher war es das angenommene politische<br />
Subjekt „Frau“) formulieren lässt, wenn es die Kategorie „Frau“ nicht mehr zu geben<br />
scheint. Wie sollen/ können frauenpolitische Forderungen noch gestellt werden,<br />
wenn es „die Frauen“ nach Butler nicht mehr gibt?“, ist die häufig gestellte Frage.<br />
Judith Butler hat den anti-essentialistischen und dekonstruktivistischen Gedanken zu<br />
Ende gedacht und schlägt Performance, Maskerade, Parodie und Subversion als<br />
neue Form politischer Kultur vor und sie betont, dass die Abschaffung der Kategorie<br />
„Frau“ nicht die Abschaffung von Politik bedeutet.<br />
4.5. Zusammenfassung<br />
Ziel dieses kursorischen Überblicks zu feministischer Diskursgeschichte war es, die<br />
Kontinuität der Verbindung zwischen universitär - akademischer Wissensproduktion<br />
und feministischer Praxis aufzuzeigen sowie wesentliche Strömungen und<br />
Themenbereiche feministischer Debatten darzustellen, um eine mögliche Bandbreite<br />
für einen <strong>Wissenstransfer</strong> dieser Inhalte zu skizzieren. Feministische Aktivistinnen<br />
und im universitären Raum verortete Frauenforscherinnen standen und stehen in<br />
intensiven Kontakt mit diesen Themen und Diskursen, wobei sich die Themenfelder<br />
zunehmend ausweiten. Feministische Erkenntnisse erreichen „langsam, aber sicher“<br />
nahezu alle Forschungsfelder. Gerhard fasst zusammen:<br />
„In den Fächern und zwischen den Fächern (ist) es zu einer Verbreiterung und zu<br />
Ausdifferenzierungen gekommen, die es verbieten, von der Frauenforschung oder<br />
generalisierend von einer feministischen Perspektive auf die Wissenschaft zu sprechen.“<br />
(Gerhard, Zit. in: Hark 2005: 91)<br />
Was den Begriff Feminismus anbelangt, hält Hark fest:<br />
„Unübersehbar ist zunächst die Ausdifferenzierung der Benennungen. Statt<br />
>Frauenforschungfeministischer Wissenschaftfeministischer Studien< finden<br />
sich gegenwärtig immer häufiger – und diese Benennungen ersetzend – die Bezeichnungen<br />
>Frauen- und GeschlechterforschungGeschlechterforschungGeschlechterstudienGender Studien< (...) Allerdings sind bis dato fließende Übergänge in der Verwendung<br />
all dieser Benennungen festzustellen, und auch das Wort Feminismus ist nicht gänzlich<br />
verschwunden. Dabei wird die Bezeichnung Gender Studies insbesondere dann genutzt,
24<br />
wenn es gilt wissenschaftliche Dignität zu demonstrieren oder eine im Unterschied zur<br />
Frauenforschung oder feministischen Wissenschaft größere analytische Reichweite, aber<br />
auch einen umfassenderen Gegenstandsbereich der „Gender Studies“ zu behaupten.“ (Hark<br />
2005: 256)<br />
Zu ergänzen ist an dieser Stelle der häufig zu beobachtende strategische Umgang<br />
mit dem Feminismus-Begriff, der sowohl Vermeidung als auch Betonung des<br />
Begriffes bedeuten kann. Durch die Jahrhunderte lange Diffamierung und negative<br />
Konnotation des Wortes Feminismus werden vorurteilsbehaftete Abwehrhaltungen<br />
schnell aktiviert, so dass ein differenzierter Meinungsaustausch unmöglich bzw.<br />
erschwert wird, sobald das Wort „Feminismus“ ausgesprochen ist. Gleichzeitig kann<br />
die Betonung der eigenen feministischen Verortung in anderen Kontexten<br />
Voraussetzung für eine Auseinandersetzung sein. Es ist also in verschiedenen<br />
Situationen durchaus angezeigt, entsprechend des Kontextes strategisch mit den<br />
Begriffen umzugehen, um nicht von vornherein Türen zuzuschlagen, die eine<br />
Öffnung dringend nötig hätten.<br />
Als Ausdruck meiner persönlichen und politischen Haltung bevorzuge ich den<br />
Feminismus – Begriff gegenüber anderen Benennungen nach wie vor. Um noch<br />
einmal mit Sabine Hark zu sprechen: Ich verstehe feministisches Wissen nicht<br />
„(...) in einer Version, in der wir das Dunkel der Wirren und Irrwege feministischer<br />
Wissenschaft hinter uns gelassen haben und (endlich) im Licht der aufgeklärten Gender –<br />
Forschung angekommen sind“ (Hark 2005: 266)<br />
Sondern vielmehr als:<br />
„Geschichte eines umstrittenen Wissens (...) als Geschichte eines spannungs- und<br />
konfliktreichen, heterogenen und unabschließbaren Wissens“ (ebd)<br />
Und ich schließe mich zudem jenem widerständigen Moment an, das Joan Scott<br />
„die Weigerung (...) den Status quo zu bedienen“ (ebd)<br />
genannt hat. Bleibt noch abschließend hinzuzufügen: Zentrales Thema des<br />
Feminismus-Begriffes ist und bleibt über alle unterschiedlichen Zugangsweisen<br />
hinweg, die Kritik an Herrschaftsmechanismen, Unterdrückungs- und
25<br />
Ausgrenzungsstrukturen, verbunden mit einem mehr oder weniger starken<br />
politischen Impetus und der Zielsetzung der Veränderung unterdrückender<br />
Geschlechterverhältnisse.<br />
5. Anwendbarkeit feministischen Wissens – Geschlechterkonstruktionen<br />
Im Folgenden stellt sich die Frage: Welches Wissen brauchen nun politische<br />
Akteur/innen, um eine Veränderung in feministischem oder<br />
geschlechterdemokratischem Sinne zu unterstützen oder diese in verschiedenen<br />
Bereichen in Gang zu setzen? Oder anders formuliert: Welche Bereiche oder Teile<br />
des feministischen Wissens nützt politischen Akteur/innen?<br />
Exemplarisch wende ich mich nun dem Konzept der Geschlechterkonstruktionen zu.<br />
Ich habe dieses Konzept aus der Fülle feministischer Ansätze aus verschiedenen<br />
Gründen als Beispiel für den <strong>Wissenstransfer</strong> von feministischer Forschung zu<br />
politischen Akteur/innen gewählt:<br />
Erstens handelt es sich hier um ein Erklärungsmodell mit langer<br />
sozialwissenschaftlicher Tradition und einer Serie empirischer Belege. Dieser Faktor<br />
lässt die Theorie in der politischen Praxis einfacher argumentierbar und an schon<br />
vorhandene Meinungsdispositionen anknüpfbar werden. Die Theorie beinhaltet<br />
zudem Anknüpfungspunkte an das allgemeine Alltagswissen über Geschlechter, das<br />
auch das Handeln politischer Akteur/innen wesentlich beeinflusst.<br />
Zweitens werden zahlreiche andere, bedeutsame Aspekte angesprochen, wie<br />
beispielsweise der Einsatz von geschlechtsbezogenen Symbolen (Sprache,<br />
Kleidung, Körperhaltung etc.), wobei auch diese Erfahrung Teil des Alltagswissens<br />
ist. Es ist auch hier der Anschluss an vorhandenes Lebenswissen möglich, um<br />
weiterführende feministische Erkenntnisse zu vermitteln. 20<br />
Drittens beinhaltet die Theorie eine Fülle von Veränderungspotential: Die Erkenntnis,<br />
nicht einer unveränderbaren Naturhaftigkeit ausgeliefert zu sein, innovativ und<br />
phantasievoll mit der Ausgestaltung der eigenen Geschlechterrolle umgehen zu<br />
können. Damit ist auch die Chance zu einem respektvollen und konstruktiven<br />
Umgang mit der Minderheit der Transsexuellen, Transgender und Transvestiten<br />
20 z.B. Konzepte aus der Linguistik für eine geschlechtergerechte Sprache, Habitus-Theorie des<br />
Soziologen Pierre Bourdieu, welche ebenfalls intensiv von der feministischen Forschung rezipiert<br />
wurden.
26<br />
gegeben. Ein derartiger Umgang erlaubt es, in diesem „Mut zum Anderssein“ eine<br />
wertvolle gesellschaftliche Ressource zu erkennen.<br />
Viertens und nicht zuletzt bieten die Erkenntnisse der konstruktivistischen<br />
Geschlechtertheorie eine Fülle von Argumentationshilfen und –material an, um in der<br />
konkreten politischen Praxis der Rekonstruktion der binären Geschlechterordnung<br />
entgegen wirken zu können.<br />
5.1. Alltagswissen versus wissenschaftliches Wissen<br />
„Ich weiß wie Frauen/Männer sind – ich bin selbst eine/r“.<br />
„Ich kenne meine Frau/ meinen Mann – ich weiß was sie brauchen“.<br />
„Das ist typisch Frau/Mann“ oder Frauen/Männer sind nun mal so“.<br />
Hinter diesen Aussagen steht die Annahme, die Menschheit ließe sich in zwei<br />
Geschlechter einteilen und an den entsprechenden körperlichen Merkmalen<br />
erkennen. Zu dieser Auffassung gehört auch die Vorstellung, dass dies zu allen<br />
Zeiten bei allen Völkern der Erde so gewesen sei und nach wie vor so ist. Hinzu<br />
kommt, dass Geschlecht als naturgegeben, nicht beeinflussbar und nicht<br />
veränderbar wahrgenommen wird. Diese Aussagen und Annahmen kennzeichnen<br />
das Alltagsverständnis der Mehrheit der Bevölkerung – auch der Mehrheit der<br />
politischen Akteur/innen. Die Erkenntnisse der konstruktivistischen<br />
Geschlechterforschung jedoch stehen diesen Selbst- und Fremdbildern der<br />
Geschlechter diametral gegenüber und sind mittlerweile durch zahlreiche Studien in<br />
verschiedensten Anwendungsbereichen bestätigt.<br />
Wissenschaftsgeschichtlich gehen die Wurzeln der konstruktivistischen Theorie auf<br />
die Erkenntnisse von Margaret Mead zurück, die Ende der 50er Jahre während ihrer<br />
Studien in Samoa feststellt, dass es Gesellschaften gibt, die „institutionalisierten<br />
Geschlechtswechsel oder mehr als zwei Geschlechter kennen“ (Wetterer, Zit. in:<br />
Becker/ Korteniek 2004: 122) Ein weiterer wesentlicher Schritt in der Entwicklung der<br />
Theorie der Geschlechterkonstruktionen sind die Studien Harold Garfinkels, der<br />
anhand der Erfahrungen der „Mann – zu – Frau –Transsexuellen“ Agnes nachweisen<br />
konnte, wie sehr gesellschaftliche Zuschreibungen von Eigenschaften wirken und<br />
ständig reproduziert werden. In der Folge wird dem Prozess der<br />
Geschlechterkonstruktion in der Forschung vermehrt Beachtung geschenkt.
27<br />
5.2. Doing Gender<br />
„Doing gender“ wird zum Schlüsselbegriff feministischer Geschlechterforschung.<br />
Candice West und Don Zimmermann prägen diesen Begriff 1987 in ihrem<br />
vielbeachteten Artikel mit dem selben Titel. Von den Erkenntnissen Meads,<br />
Garfinkels, West und Zimmermanns ausgehend entwickeln sich mehrere<br />
konstruktivistische Strömungen in der Geschlechterforschung. Leitner erwähnt<br />
exemplarisch den ethno - methodologischen Konstruktivismus von West und<br />
Zimmermann, den Ansatz der diskurstheoretischen Dekonstruktion von Judith Butler<br />
und den systemtheoretischen Zugang „Luhmannscher Prägung“ von Ursula Pasero.<br />
Sie bezieht sich im Zuge ihrer im Folgenden aufgegriffenen Abhandlung v.a. auf die,<br />
wie sie es bezeichnet, „Klassiker des Doing Gender Ansatzes“ West und<br />
Zimmermann, sowie Regine Gildemeister und Angelika Wetterer, die diese Ansätze<br />
für den deutschsprachigen Raum bearbeitet haben. West und Zimmermann führen in<br />
Anlehnung an Garfinkels Studie zu Agnes drei grundsätzliche Faktoren des Doing<br />
Genders ein:<br />
1. Sex als das körperliche, biologische Geschlecht,<br />
2. Sex Category als die soziale Zuordnung zu Geschlecht und<br />
3. Gender als das soziale Geschlecht.<br />
Diese drei Faktoren stehen ständig in Beziehung zueinander und bedingen einander.<br />
So wird das biologische Geschlecht an bestimmten körperlichen Merkmalen<br />
festgemacht. Dadurch dass sie im Alltag nicht sichtbar sind, werden sie durch ein<br />
ausdifferenziertes System von Attributen, Kleidung und Körperhaltungen symbolisch<br />
sichtbar gemacht. Über diese Symbole findet in der Folge die Zuordnung zu dem<br />
einen oder anderen Geschlecht – mit West und Zimmermann gesprochen - zu einer<br />
bestimmten Geschlechterkategorie statt. Diese Zuordnung wiederum bestimmt das<br />
Verhalten der einzelnen Akteurinnen zueinander und die geschlechtsspezifische<br />
Bewertung dieses Verhaltens. Hier werden sämtliche Vorurteile und verinnerlichten<br />
Vorstellungen, wie ein Mann oder eine Frau ist, wirksam. Diese drei Faktoren -<br />
miteinander und abwechselnd wirksam - bestätigen die Beobachtung, dass<br />
Geschlecht „getan“ werden muss, um es als Bestandteil der Identität zu „haben“.<br />
West und Zimmermann stellen in der Folge die Frage, ob es möglich ist außerhalb<br />
dieser Mechanismen zu agieren: „ Can we ever avoid doing gender?“ und kommen
zu dem Schluss: „...doing gender is unavoidable“ (West/ Zimmermann Zit. in:<br />
Myers/Anderson/ Risman et al.1998: 177)<br />
28<br />
„It is unavoidable because of the social consequences of sex-category membership: the<br />
allocation of power and resources not only in the domestic, economic, and political domains<br />
but also in the broad arena of interpersonal relations” (ebd. 187)<br />
Oder um es mit Gildemeister und Wetterer zu sagen:<br />
„Auch wenn es scheint, dass die konkrete Ausgestaltung – die „performance“ in Goffmans<br />
Sinn - der persönlichen Gestaltung des Einzelnen gegenüber offen ist, so ist das Tun selber<br />
doch unvermeidlich – es ist unmöglich, sich nicht in irgendeiner Form auf die soziale<br />
Geschlechtszuordnung (sex category) und das soziale Geschlecht (gender) zu beziehen. Wir<br />
haben i.d.R. nicht die Wahl, ob wir von anderen eher als Frau oder eher als Mann<br />
wahrgenommen werden wollen, auch wenn sich in den letzten Jahrzehnten vor allem in<br />
subkulturellen Milieus Gestaltungsspielräume eröffnet haben“ (Gildemeister/ Wetterer, Zit. in:<br />
Knapp/Wetterer 1992: 235)<br />
Leitner führt an dieser Stelle Joan Acker an, die Gender – Prozesse in fünf Punkten<br />
zusammenfasst:<br />
1. Konstruktion von Trennungen entlang der Geschlechtergrenzen zur<br />
Aufrechterhaltung der Strukturen von Familie, Staat und Arbeitsmarkt (z.B.<br />
geschlechtsspezifische Arbeitsteilung)<br />
2. Konstruktion von Symbolen und Bildern, die diese Teilungen erklären,<br />
ausdrücken, verstärken und manchmal entgegentreten (z.B. Sprache,<br />
Ideologie, Medien)<br />
3. Interaktionen zwischen Frauen und Männern, Frauen und Frauen, Männern<br />
und Männern mit allen Mustern der Dominanz und Unterwerfung<br />
4. Geschlechtliche Bestandteile der individuellen Identität, die auf den ersten<br />
drei Prozessen basieren (z.B. Wahl der passenden Kleidung, Beruf,<br />
Darstellung des Selbst als geschlechtszugehöriges Mitglied der<br />
Organisation)<br />
5. Gender als konstitutives Element organisationaler Logik zur Erzeugung und<br />
begrifflichen Fassung sozialer Strukturen (Leitner 2005: 15)
29<br />
Geschlecht prägt also nicht nur individuelle Identitäten und zwischenmenschliche<br />
Interaktion, sondern beeinflusst auch gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische<br />
Strukturen auf allen Ebenen und hierarchisiert diese Ebenen. Es kann demnach von<br />
einer Omnipräsenz des Wirkungsfaktors „Geschlecht“ gesprochen werden. Gerade<br />
diese Omnipräsenz und die Auswirkungen auf die individuelle Selbstwahrnehmung,<br />
die soziale Stellung, der Lebensmöglichkeiten insgesamt, erschweren es, Geschlecht<br />
als Konstruktion zu durchschauen und als politische Veränderungspotential zu<br />
erkennen – oder anders formuliert: Es wird dadurch erleichtert, Geschlecht als<br />
naturgegeben und unveränderbar anzunehmen. Mit dem Wissen um die<br />
Geschlechterkonstruktionen allerdings ist diese Interpretation nicht mehr möglich:<br />
„Betrachtet man Geschlecht in dieser Radikalität als ein generatives Muster, das aus<br />
sozialen Abläufen heraus entsteht, diese reproduziert und darin eine der grundlegenden<br />
Differenzierungen der Gesellschaft bildet und legitimiert, so wird es möglich „Geschlecht“ als<br />
machtvolle ideologische Ressource zu begreifen – als ideologische Ressource, die<br />
Wahlmöglichkeiten und Grenzen herstellt, welche allein aufgrund einer bloßen sozialen<br />
Zuordnung zu einer (sozialen) Kategorie bestehen und keineswegs aufgrund einer wie auch<br />
immer unverrückbar gedachten Natur (...)“ (Gildemeister/ Wetterer, Zit. in: Knapp/ Wetterer<br />
1992: 237)<br />
Diese Erkenntnis kann demnach Grundlage und Voraussetzung für einen kreativen,<br />
spielerischen und transformatorischen Umgang mit Geschlecht,<br />
Geschlechterattributen und Zuschreibungen umzugehen. Wie schwierig und<br />
vielschichtig der Prozess der Anwendung dieses Wissen jedoch ist, zeigt Andrea<br />
Leitner am Beispiel einer kurzen Analyse der Hindernisse in politischen Institutionen<br />
und Organisationen.<br />
5.3. Die Schwierigkeit der Anwendung<br />
Wie schon zuvor erwähnt, sind auch politische Institutionen und Organisationen<br />
„vergeschlechtlicht“. Leitner beschreibt dies folgendermaßen:<br />
„ (Sie) reproduzieren geschlechtsspezifische Ungleichheiten, indem sie den Verlauf sozialer<br />
Interaktionsprozesse durch das Festlegen von Rahmenbedingungen beeinflussen. (...) Durch<br />
diese Wechselwirkung zwischen Individuum und Sozialem kommt den politischen<br />
Institutionen eine besondere Relevanz im sozialen Wandel zu. Sie können den
30<br />
gesellschaftlichen Wandel vorantreiben, zugunsten der Frauen eingreifen, können aber auch<br />
in überholten Strukturen verharren. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich wird von<br />
verschiedenen Autorinnen eine Ungleichzeitigkeit in der Entwicklung der Politik festgestellt.“<br />
(Leitner 2005: 18)<br />
Leitner unterteilt in der Folge politische Institutionen in jene, die mit Akteur/innen<br />
ausgestattet sind, wie z.B. Parlament, Regierung, Gerichte,<br />
Verwaltungseinrichtungen etc. und jene „ohne Akteur/innen“, wie die Normsysteme<br />
der Verfassung oder der Gesetze. Diese Normsysteme regeln den normativen<br />
Rahmen für Handlungsspielräume. Institutionen mit Akteur/innen sind „immer auch<br />
Organisationen, die sowohl durch Organisationskultur als auch durch die Handlungen<br />
der Akteur/innen geprägt sind.“ (ebd) Können diese Akteur/innen die umzusetzenden<br />
Maßnahmen nicht nachvollziehen oder stehen sie entgegen gesetzt zu ihren eigenen<br />
Meinungen, können noch so gut gemeinte Gleichstellungspolitiken an dieser Stelle<br />
der Umsetzung scheitern. 21 Hinzu kommt, dass die meisten Organisationen aus<br />
Menschen einer mehr oder weniger homogenen Gruppe der Gesellschaft bestehen<br />
und daher das Verständnis für Maßnahmen zugunsten benachteiligter<br />
Gesellschaftsgruppen, die außerhalb ihres sozialen Umfelds leben, häufig fehlt.<br />
Gleichstellungsangebote oder –möglichkeiten werden mitunter aus diesem Grund<br />
nicht angeboten. Weiter erwähnt Leitner in Anlehnung an Ostendorf 22 :<br />
„Politische Institutionen wie Parteien, Verbände, Verwaltungen oder Gerichte sind in Phasen<br />
der politischen Rechtlosigkeit der Frauen entstanden und waren bzw. sind heute noch<br />
immer, auf männliche Interessen und Lebenserfahrungen ausgerichtet. Damit wird es noch<br />
schwieriger, die Denkwelt und das Handeln der Institutionen zu verändern, zumal Frauen<br />
auch heute von Entscheidungspositionen weitgehend ausgeschlossen bleiben und<br />
männerbündisches Handeln ein konstitutives Element der Organisation darstellt. 23 Selbst<br />
wenn Frauen in Gremien einbezogen werden, wird von ihnen ein bisherigen Denkwelten und<br />
Routinen konformes, weibliches Verhalten erwartet.“ (Ostendorf: 1996)<br />
21 Vgl. Interview Politikberatung 1 und 2<br />
22 Helga Ostendorf, Überlegungen zur Geschlechterpolitik staatlicher Institutionen – Die Chancen der<br />
Implementation frauenfördernder Bildungsprogramme. In: Zeitschrift für Frauenforschung 3/96, 23-38<br />
23 Vgl. Kreisky 1995
31<br />
Bedeutsam für Arbeitsmarktpolitiken stellt Leitner zudem fest:<br />
„Politische Maßnahmen verfolgen mehrere, unter Umständen widersprüchliche Ziele. Je<br />
weniger die Konkretisierung bzw. Prioritätenfestlegung in den oberen Hierarchieebenen der<br />
Arbeitsmarktpolitik passiert, desto mehr sind die mit der unmittelbaren Umsetzung befassten<br />
Akteur/innen gezwungen, dies zu tun.“ 24 (ebd)<br />
Trotz dieser (und zahlreicher anderer struktureller) Hindernisse verliert meiner<br />
Ansicht nach „Geschlechterpolitik als Gleichstellungspolitik“ keineswegs seine<br />
Relevanz. Es soll und kann mit dem Wissen um die Konstruiertheit der Geschlechter<br />
genau darauf geachtet werden, welche Maßnahmen gesetzt werden und welche<br />
Vorarbeiten zur Umsetzung dieser Maßnahmen erforderlich sind. Unauflösbar ist<br />
jedoch das dieser Theorie immanente Dilemma: Einerseits ist die Konstruktion der<br />
Kategorie „Frau“ als politisch – homogenes Subjekt und als einheitliche Gruppe, für<br />
die es gilt, politische Initiativen zu ihrer gesellschaftlichen Besserstellung zu setzen,<br />
notwendig. Um politisch handlungsfähig sein zu können, ist die Konstruktion der<br />
Gruppe „Frauen“ immer wieder erforderlich. Gesellschaftsverändernde Initiativen zur<br />
Gleich- und Besserstellung von Menschen weiblichen Geschlechts können nur auf<br />
diesem Wege auch wirklich umgesetzt werden. Gleichzeitig muss diese Konstruktion<br />
von „Frau“ oder „Mann“ entsprechend der neueren feministischen Erkenntnisse<br />
hinterfragt, dekonstruiert und verabschiedet werden. Es gibt - an dieser Stelle<br />
schließe ich mich der Meinung Leitners und anderer konstruktivistischer<br />
Theoretiker/innen an - keinen Ausweg aus diesem Dilemma. Dennoch bleibt dieser<br />
theoretischen Sichtweise ihr Veränderungspotential. Naturhaftes beinhaltet immer<br />
den lähmenden Aspekt des Unveränderbaren. Konstruiertes beinhaltet im Gegensatz<br />
dazu die Möglichkeit der Dekonstruktion, der Veränderung. Wie diese<br />
Veränderungen in Zukunft aussehen können, ohne dass sie althergebrachte<br />
Geschlechternormen erneut konstruieren und zementieren, wird sich zeigen. Das zu<br />
diesem Zweck von Feministinnen erdachte strategische Instrument des Gender<br />
Mainstreamings weist hier einige Vorteile auf, die der Umsetzung dienen könnten.<br />
24 Ich füge an dieser Stelle hinzu, dass nicht nur Eindeutigkeit in den Anweisungen höherer<br />
Hierarchiestellen eine wesentliche Rolle für das Gelingen der Umsetzung von<br />
Gleichstellungsmaßnahmen spielt, sondern auch eine entsprechende Schulung bzw. Weiterbildung<br />
der an diesen operativen Stellen Beschäftigten zum Thema Geschlechterrollen wünschenswert wäre.<br />
Auch dieses Feld lässt sich für feministischen <strong>Wissenstransfer</strong> öffnen.
32<br />
Häufig jedoch wird das Instrument in den meisten Fällen ohne Bezug auf die<br />
Erkenntnisse der feministischen Theorie verwendet oder mit unangemessenen<br />
Erwartungen überfrachtet. 25 Der Erfolg des Instruments wird wesentlich davon<br />
abhängen, wer dieses Instrument, in welchem Kontext und zu welchem Zweck<br />
einsetzt.<br />
25 Vgl. Interview Politikberatung 1: 124-140
33<br />
„...der Ausschluss der Frauen von der Macht...<br />
ist ein grundlegendes Kennzeichen unserer Demokratien.“ 26<br />
„Der Ausschluss der Frauen aus öffentlichen Einrichtungen<br />
hat zu keiner Zeit den Verlust der Etikette „demokratisch“ bedeutet.“ 27<br />
6. Parteipolitikerinnen in Österreich – eine Annäherung<br />
Die Entscheidung feministischen <strong>Wissenstransfer</strong> in Form von Politikberatung zu<br />
untersuchen, brachte die Entscheidung für die Beschäftigung mit Parteipolitikerinnen<br />
mit sich. Frauen in der Politik werden häufig automatisch mit Frauenpolitik in<br />
Verbindung gebracht. Die damit verbundenen Erwartungen und Implikationen werden<br />
in den folgenden Abschnitten erläutert.<br />
Unabhängig von der Frage, ob und wie Frauen in der Politik emanzipatorischfeministisch<br />
orientierte Politik umsetzen oder nicht, verfügen sie in jedem Fall<br />
entsprechend ihrer Position über bestimmte Formen von Öffentlichkeit und<br />
Definitionsmacht in den verschiedenen gesellschaftlichen Öffentlichkeiten. Als<br />
Abgeordnete zum Parlament können sie an Debatte um und Gestaltung von<br />
Gesetzen mitwirken. Sie können Brücken- und Vermittlungsfunktionen zwischen<br />
verschiedenen Organisationen und Frauengruppen einnehmen oder als<br />
Multiplikatorinnen frauenpolitischer Forderungen und Ansätze<br />
außerparlamentarischer, gesellschaftlicher Bereiche fungieren. Parteipolitikerinnen<br />
sind in ihren verschiedenen Positionen Ansprechpartnerinnen auf staatlicher Ebene<br />
für autonome Frauenorganisationen. Nicht zuletzt sind sie auch Auftraggeberinnen<br />
für Studien von Wissenschafter/innen an den Universitäten zu frauenpolitisch<br />
relevanten Themen. In all diesen möglichen Zusammenhängen kann feministisches<br />
Wissen nutzbringend und von Bedeutung sein. Der Annäherung an dieses<br />
soziokulturelle Feld der Parlamentsabgeordneten stelle ich zunächst die Frage nach<br />
der historischen Entwicklung der Partizipation von Frauen im österreichischen<br />
Parlament voran. Im Hinblick auf feministische Politikberatung halte ich es für<br />
notwendig, die strukturellen Behinderungen und Diskriminierungen von<br />
26 Zit. in: Rosenberger 1992: 36<br />
27 ebenda
34<br />
Parlamentarierinnen sowohl in ihrer historischen als auch aktuellen Perspektive in<br />
den Blick zu nehmen. Das Wissen, um diese Hindernisse, aber auch die darin<br />
enthaltenen Möglichkeiten sind meiner Ansicht nach wesentliche Voraussetzungen<br />
für feministische Beratung und hat unter Umständen grundlegende Auswirkung auf<br />
die Ergebnisse feministischer Expertisen.<br />
6.1. Der Weg ins Parlament - Die ersten Schritte<br />
Katastrophale Lebensbedingungen der durch die Industrialisierung entstandenen<br />
Arbeiter/innenklasse sowie der umfassende Ausschluss bürgerlicher Frauen von<br />
Bildung, Berufstätigkeit und Öffentlichkeit sind wesentliche Gründe für die<br />
Entstehung der „Frauenfrage“ und der sich daraus entwickelnden<br />
Frauenstimmrechtsbewegung im ausgehenden 19.Jahrhundert und beginnenden<br />
20.Jahrhundert. Frauen der Unterschicht leben in einer Situation extremer Not und<br />
Ausbeutung. Die Arbeitsbedingungen in den Fabriken sind verheerend. Die Kinderund<br />
Müttersterblichkeit ist außerordentlich hoch. Epidemien wie Typhus, Cholera,<br />
Tuberkulose sind an der Tagesordnung, Mutterschutz- und Arbeitsgesetze fehlen<br />
völlig. Frauen der Mittel- und Oberschicht sehen sich indes mit einer nahezu völligen<br />
Ausgrenzung aus der Öffentlichkeit konfrontiert. Die staatsbürgerliche Rechtlosigkeit<br />
betrifft auch sie. Ausgeschlossen von Bildung und Berufstätigkeit werden sie in den<br />
privaten Raum verwiesen. Die Vorstellungen des neuen bürgerlichen Liebesideals<br />
beginnen zu greifen. Frauen sollen ihr Leben den Kindern und ihrem Ehemann<br />
widmen - aufopfernd und hingebungsvoll. Der öffentliche Bereich von<br />
Erwerbstätigkeit und politischer Aktivität sollte den Männern vorbehalten bleiben.<br />
Unabhängig von ihrer Schichtzugehörigkeit sind Frauen von offener Misogynie,<br />
häuslicher Gewalt, Missbrauch und Vergewaltigung betroffen. Die zuletzt angeführten<br />
Themen sind zu diesem Zeitpunkt als solche (noch) nicht thematisierbar. Die im 20.<br />
Jahrhundert als posttraumatische Syndrome identifizierten Auswirkungen dieser<br />
Gewalterfahrungen werden noch als „typisch weibliche“ Hysterie „behandelt“ oder<br />
fehl- und uminterpretiert. Angesichts dieser Realitäten beginnen Frauen 1848 sich<br />
auf unterschiedlichste Weise zu wehren und zu verschiedenen Themen zu äußern.<br />
Während Erdarbeiterinnen gegen die Herabsetzung ihrer Löhne protestieren,<br />
gründen bürgerliche Frauen die ersten politischen Frauenvereine - immer wieder in<br />
Reaktion auf die Situation der jeweils Anderen und in gegenseitiger Unterstützung.<br />
So hatte die Demonstration der Erdarbeiterinnen in der „Praterschlacht“ mit 282
35<br />
Verwundeten und 18 Toten durch die gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen<br />
Arbeiterinnen und Nationalgarde ihr blutiges Ende gefunden. In Reaktion darauf<br />
initiiert Karoline von Perin – Gradenstein (1808-1888) empört über diese Ereignisse<br />
wenige Tage danach den „<strong>Wiener</strong> Demokratischen Frauenverein“ und versammelt<br />
am 28. August 1848 bürgerliche Frauen und einige Arbeiterinnen im Volksgarten, um<br />
als einziger, damaliger Frauenverein explizit politische Gleichberechtigung zu<br />
fordern. 28 Noch während der Gründungsveranstaltung des demokratischen<br />
Frauenvereines, der sich in Reaktion auf diese Ereignisse zudem zur Aufgabe<br />
machen wollte „das demokratische Prinzip in allen weiblichen Kreisen zu verbreiten“<br />
(Perin, Zit. in: Rosenberger 1992: 43), stürmen empörte Männer die Sitzung. Wenige<br />
Wochen später werden mittels Kriegsrecht alle Frauenvereine, die in der Zeit<br />
zwischen März und November 1848 gegründet worden waren, wieder aufgelöst und<br />
verboten. Die Sanktionen für ihr politisches Engagement und ihre Weigerung das<br />
bürgerliche Frauenideal zu erfüllen, treffen Karoline von Perin besonders hart. Sie<br />
wird verhaftet und muss wenig später emigrieren. Nachdem ihr das Sorgerecht für<br />
ihre Kinder entzogen, ihr Vermögen von staatlicher Seite konfisziert wird und sie<br />
psychisch erkrankt, widerruft sie ihre politischen Aussagen und kann erst dann aus<br />
dem Exil zurückkehren. Dennoch: die Entstehung der Ersten Frauenbewegung war<br />
nicht aufzuhalten. Bürgerliche Frauenvereine, die sich unter diesen politischen<br />
Bedingungen nach außen als karitativ und unpolitisch deklarieren, kämpfen um den<br />
Zugang zu Bildung und um die Möglichkeit eigener Erwerbstätigkeit. Die<br />
proletarische Frauenbewegung stellt neben den Forderungen nach Arbeitsrechten<br />
von Anfang an auch die Forderung nach politischem Mitspracherecht ins Zentrum<br />
ihrer Aktivitäten.<br />
6.2. Fortschritte und Rückschläge<br />
Die ersten Wahlen zum österreichischen Reichstag werden schon im Juni 1848<br />
abgehalten. Die Voraussetzungen, um daran Teil nehmen zu können, sind jedoch<br />
beschränkt - vor allem für besitzlose Frauen. Nur jene sollten an politischen<br />
Prozessen gestaltend Teil nehmen können, die über Besitz und Bildung verfügen.<br />
Das aufsteigende Besitzbürgertum hatte damit seinen ersten Erfolg erzielt. Dieser<br />
28 Die Angaben in der Literatur zur Anzahl der beteiligten Frauen schwanken zwischen 150 und 500<br />
Personen.
36<br />
Schritt bedeutet jedoch Einschluss und Ausschluss von Frauen zugleich. Sind<br />
vermögende Frauen aufgrund ihres Haus- und Grundbesitzes oder weil sie über ein<br />
Gewerbe verfügen entsprechend der ersten Wahlrechtsordnung in Gemeinden, bei<br />
Landtagen und dem Reichstag wahlberechtigt ( die Stimmabgabe hatte jedoch durch<br />
einen männlichen Vertreter der Frauen zu erfolgen), werden Arbeiterinnen völlig von<br />
aktiver, politischer Beteiligung ausgeschlossen. Zu „einer schrittweisen<br />
Demokratisierung bzw. Erweiterung des Männerwahlrechts (...) paradoxerweise mit<br />
einer Einschränkung des Frauenwahlrechts.“ (Schefbeck 2005: 15) kommt es<br />
zwischen 1861 und 1907. Mit Einführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts<br />
für Männer erfolgt der völlige Ausschluss aller Frauen, auch derjenigen, die bisher<br />
aufgrund ihrer Vermögensverhältnisse ein - wenn auch eingeschränktes - Wahlrecht<br />
hatten. Andere Formen politischer Tätigkeit und Organisation sind Frauen zudem seit<br />
1867 mit § 30 des Vereinsgesetzes erschwert, der Frauen, Ausländern und<br />
Minderjährigen die Mitgliedschaft in politischen Vereinen untersagt. Es gelingt den<br />
Frauen aller sozialen Schichten dennoch, sich für das Frauenwahlrecht einzusetzen.<br />
So beschließt die „Allgemeine Frauenversammlung“ am 14. Mai 1891 im Alten<br />
Rathaus in Wien, eine Petition mit der Forderung nach einem allgemeinen, gleichen<br />
und direkten Wahlrechts. Obwohl Ferdinand Kronawetter, Demokrat und<br />
Abgeordneter des Reichsrates, die Petition dem Abgeordnetenhaus überreicht, bleibt<br />
sie zunächst folgenlos. Die sozialdemokratische Frauenbewegung ihrerseits stellt die<br />
Forderung nach dem Wahlrecht schon ab 1893 in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten,<br />
v.a. bei den Maiaufmärschen ihrer Bewegung und den jährlich abgehaltenen<br />
Demonstrationen ab 1911 zum Internationalen Frauentag. Sie sehen sich jedoch mit<br />
„Bremsversuchen“ ihrer Parteigenossen konfrontiert, die weibliche Unterstützung im<br />
Kampf um mehr Rechte gerne entgegen nehmen. Wenn es jedoch um die Rechte<br />
ihrer Parteigenossinnen geht, vor allem ihre eigenen Interessen im Blick haben:<br />
„Wir müssen bei jeder Gelegenheit erklären, dass wir für das Frauenwahlrecht sind, dass wir<br />
auch den ersten Schritt auf diesem Gebiete machen wollen, aber dass der letzte Schritt erst<br />
gemacht werden kann, wenn der erste Schritt gemacht ist, und der ist: Die Erkämpfung des<br />
Wahlrechtes für die Männer.“ (Viktor Adler, Zit. in: Rosenberger 1992: 45)<br />
Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges, der kriegsbedingten Abwesenheit der Männer<br />
und dem vermehrten Eintreten von Frauen in Wirtschafts- und Berufsleben ändert<br />
sich die gesellschaftliche und politische Bedeutung von Frauen grundlegend.
37<br />
Angesichts der Leistungen von Frauen während der Jahre 1914 - 1918 und den völlig<br />
veränderten politischen Rahmenbedingungen gelingt schließlich auch der<br />
Durchbruch im Bereich des Wahlrechtes: 1919 ziehen die ersten acht Frauen in die<br />
Nationalversammlung ein.<br />
Zusammenfassend veranschaulicht die folgende Tabelle die einzelnen Schritte in<br />
Richtung Wahlrecht für Frauen:<br />
Tabelle 1 29 Die schrittweise Einführung des Wahlrechtes für Frauen<br />
1848 Reichstagswahlen (nur Männer)<br />
1849 Gemeindewahlrecht für Besitzende (auch Frauen)<br />
1861 Landtagswahlrecht für Besitzende (auch Frauen)<br />
1873 Direkte Wahl des österreichischen Abgeordnetenhauses zum Reichsrat (Zensus-,<br />
Kurienwahlrecht: nur in der Kurie der Großgrundbesitzer/innen gibt es auch einige<br />
wahlberechtigte Frauen)<br />
1888 Entzug des den steuerpflichtigen Frauen Niederösterreichs bis dahin zustehenden<br />
Gemeinde- und Landtagswahlrechts<br />
1896 Allgemeines Männerwahlrecht (Zensuswahlrecht)<br />
1907 Einführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts für Männer (Ausschluss aller<br />
Frauen)<br />
1918 Einführung des allgemeinen, gleichen, direkten, geheimen Wahlrechts für alle<br />
Staatsbürger/innen ohne Unterschied des Geschlechts<br />
1919 Wahl zur österreichischen Nationalversammlung (Frauen haben erstmals das aktive und<br />
passive Wahlrecht)<br />
Quelle: Überblickstafel Website Österreichische Nationalbibliothek, Projekt „Frauen wählet!“ 30<br />
Exkurs: Frau - sein ist kein politisches Programm<br />
Am 4. März 1919 ziehen sieben Sozialdemokratinnen und eine Christdemokratin in<br />
das österreichische Parlament ein: Maria Tusch, Amalie Seidel, Therese Schlesinger,<br />
Gabriele Proft, Emmy Freundlich, Anna Boschek und Adelheid Popp für die<br />
Sozialdemokratische Partei. Hildegard Burjan ist die erste Christdemokratin im<br />
Nationalrat. Schon in den ersten Debatten zeigt sich, dass „Frau - sein“ kein<br />
politisches Programm ist und Frauen je nach politischer Einstellung sehr<br />
29 Zusammengestellt von P. Unger nach:<br />
Überblickstafel Website Österreichische Nationalbibliothek, Ariadne, Projekt „Frauen wählet!“<br />
http://www.onb.ac.at/ariadne/projekte/frauen_waehlet/nebRaum02a.html<br />
30 http://www.onb.ac.at/ariadne/projekte/frauen_waehlet/nebRaum02a.html
38<br />
unterschiedliche Lösungsansätze entwickeln können. Während Adelheid Popp im<br />
Parlament die Meinung vertritt, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für<br />
Dienstmädchen müsse gesetzlich verankert werden, widerspricht die<br />
christdemokratische Abgeordnete Hildegard Burjan dieser Auffassung und meint, es<br />
sei ausreichend einen Appell an die bürgerlichen Haushalte zu richten, ihrer<br />
Verpflichtung zur Wohltätigkeit nachzukommen. Einen Rechtsanspruch auf die<br />
Begrenzung der Arbeitszeit der Dienstmädchen will Hildegard Burjan nicht<br />
festschreiben. Die Konfliktlinien in den Auseinandersetzungen darüber, wie die<br />
Situation von Frauen verbessert werden soll, verlaufen an den schichtspezifischen<br />
Unterschieden der jeweiligen Gruppen. Die Forderungen der proletarischen<br />
Frauenbewegung stimmen häufig nicht mit jenen der bürgerlichen Frauenbewegung<br />
überein. Dies spiegelt sich in den Debatten der ersten Parlamentarierinnen wieder.<br />
Wenngleich es dennoch immer wieder gelingt über alle Grenzen hinweg, die Kräfte<br />
zu bündeln und Forderungen zur Gleichstellung von Frauen gemeinsam<br />
durchzusetzen. Politische Auffassungsunterschiede, divergierende Strategieentwürfe<br />
einerseits und Koalitionen über alle ideologischen, parteipolitischen und sozialen<br />
Grenzen hinweg anderseits kennzeichnen die Debatten der ersten<br />
Parlamentarierinnen und Frauenpolitikerinnen.<br />
7. Im und gegen den Staat 31<br />
In welchem soziokulturellen Feld der Gesellschaft finden sich die ersten<br />
Parlamentarierinnen wieder - mit ihrem Einzug in die gesetzgebenden Gremien des<br />
Staates? Welche Strukturen finden sie hier vor? Was ist dieser Staat überhaupt? Wer<br />
ist der Staat? Für wen ist der Staat? Wie sollen emanzipatorische Veränderungen im<br />
staatlichen Bereich umgesetzt werden? Sich in den Staat mit seinen Institutionen<br />
hinein begeben oder gegen den Staat feministische Forderungen durchsetzen?<br />
7.1. Der geschlechtslose Staat?!<br />
Staat ist zunächst „ein abstraktes Konzept“ (Kreisky, Zit. in: Becker-Schmidt/Knapp<br />
1995: 85ff) und ein männliches Konzept. Feministische Wissenschafterinnen heben<br />
in ihren Analysen hervor, dass der Mann als Maßstab für diese Konzeption<br />
31 Original: „in and against the state“ (Zit. in: Rosenberger 1992: 47)
39<br />
angenommen wird. Auch hier wird die Frau je nach Betrachtungsweise entweder als<br />
das Andere konstruiert oder als nicht – existent definiert. Die politischen Theorien<br />
und ihre (lange Zeit männlichen) Theoretiker gehen von einem männlichen,<br />
politischen Subjekt aus. Darüber hinaus sprechen nahezu alle Theoretiker, und auch<br />
hier über Jahrhunderte, Frauen - so sie das weibliche Geschlecht überhaupt<br />
erwähnen - die Fähigkeit zu politischem Denken und Handeln ab. Die private Sphäre<br />
wird den Frauen zugeordnet, als nicht - politische Sphäre bestimmt und erhält damit<br />
in politischer Theorie und Praxis den entsprechenden Stellenwert. Im Laufe der<br />
Entwicklung feministischer Erklärungsansätze zur Benachteiligung von Frauen und<br />
die Unterdrückungsmechanismen einer männlich dominierten Gesellschaft, kommen<br />
auch feministisch orientierte Politikwissenschafterinnen zu dem Schluss, es sei ein<br />
prinzipieller Denkfehler, anzunehmen, dass „zwei Geschlechter als naturgegebener<br />
Ausgangspunkt menschlichen Seins gesetzt werden“ (Krause 2003: 42) Auch hier<br />
setzt sich die Auffassung von der Konstruiertheit der Geschlechter durch. In<br />
Verbindung mit dem Konstrukt „Staat“ bedeutet dieser feministisch -<br />
wissenschaftlichen Konsens:<br />
„Staatlichkeit entsteht aus Geschlechterverhältnissen und Zweigeschlechtlichkeit wird an<br />
unterschiedlichen Schauplätzen und mit unterschiedlichen Mitteln durch den Staat<br />
produziert.<br />
32<br />
(...) Staat und Geschlecht bilden also sich gegenseitig konstituierende<br />
diskursive Formationen, Praktiken und Institutionen.“ (Frevert, Zit. in: Krause 1995: 14)<br />
Sauer konkretisiert den „feministischen Staatsbegriff“:<br />
„ (...) Staat (...) als >Verdichtetes Geschlechterverhältnis< : Staatlichkeit zeichnet sich durch<br />
die Macht aus, Phänomene und Personen zu vergeschlechtlichen – und zwar in explizit<br />
geschlechtlicher oder geschlechtsneutraler Weise -, indem sie gesellschaftliche Räume<br />
öffnet und schließt, etwa männliche Interessen aus der sogenannten Privatsphäre<br />
heraushebt und weibliche in ihr verschwinden lässt.“ (ebd)<br />
Hierzu lässt sich folgendes, konkretes Beispiel anführen:<br />
„Die wohlfahrtsstaatliche Philosophie westlicher Demokratien beruht darauf, a) die<br />
Erwerbsarbeit als zentralen Anknüpfungspunkt zu betrachten und b) die Ernährerrolle des<br />
32 Vgl. Sauer 2005
40<br />
männlichen Verdieners zu untermauern. Hausarbeit und Familienarbeit schaffen in dieser<br />
Denk- und Politikkonzeption keinen "Wert" und kommen folglich im System sozialer<br />
Sicherung als Anspruchsgründe für eigenständige Sozialleistungen nicht oder kaum in<br />
Frage; das System der sozialen Sicherheit setzt aber diese privaten Arbeiten von Frauen<br />
voraus. Pensionsansprüche, Leistungen im Krankheitsfalle, Mutterschutzleistungen etc.<br />
werden immer erst dann gewährt, wenn eine außerhäusliche Berufstätigkeit vorliegt bzw.<br />
vorlag. Nicht berufstätige Frauen kommen — mit Ausnahme der Sozialhilfe — nur als<br />
Angehörige von (berufstätigen) Männern, nämlich als Ehefrauen, als Witwen oder als<br />
Töchter in den Genuss von Sozialleistungen, nicht jedoch als Personen mit eigenständigen<br />
sozialen Sicherheitsansprüchen.“ (Rosenberger 1992: 33)<br />
Die Ausrichtung an „der männlichen Erwerbsbiographie“ (ebd) entwertet damit<br />
einerseits Reproduktionsarbeit, Kindererziehung und Pflegearbeit als „Nicht-Arbeit“ 33 ,<br />
andererseits werden Einkommensunterschiede durch das staatliche System nicht<br />
ausgeglichen, sondern im Gegenteil: Es wird Armut von Frauen produziert,<br />
fortgesetzt und verstärkt. Aus dieser Erkenntnis heraus formuliert Johanna Dohnal,<br />
erste österreichische Frauenministerin, die Forderung:<br />
"Um die Unabhängigkeit für Frauen zu gewährleisten, brauchen wir ein<br />
Sozialversicherungssystem, das vom Familienstand unabhängig ist, und wo für alle<br />
Menschen - für Männer und Frauen - ein eigener, grundlegender Pensionsanspruch<br />
besteht." 34<br />
Rosenberger konkretisiert in ihren Arbeiten die Ambivalenz des Staates:<br />
„Staatliche Politik soll einerseits weibliche Benachteiligung mindern bzw. aufheben und<br />
andererseits ist sie selbst Teil einer politischen Topographie, die auf der Basis von<br />
Geschlechterhierarchien funktioniert.“ (ebd)<br />
Der Staat ist damit Adressat für Forderungen nach Veränderung und zugleich<br />
Hindernis für die Umsetzung dieser Veränderungen.<br />
Was bedeutet es nun, Politikerin in einer von patriarchalen Strukturen geprägten<br />
Demokratie zu sein? Inwiefern sind emanzipatorische, feministische Veränderungen<br />
in einem patriarchal organisierten, politischen System überhaupt möglich? Ist es<br />
33 Hier zeigt sich die nachhaltige Wirkung des bürgerlichen Liebesideals.<br />
34 Johanna Dohnal, Podiumsdiskussion , 1. Dezember 1988, Institut für Wissenschaft und Kunst Wien.
41<br />
überhaupt erstrebenswert, Teil einer männlich orientierten Struktur zu werden? Die<br />
Zweite Frauenbewegung der 70er und 80er Jahre des 20. Jahrhunderts, und hier vor<br />
allem der autonome Teil der Bewegung, stellt offen diese kritischen Fragen. Die<br />
Antworten darauf fallen unterschiedlich aus. Sie reichen von utopischen<br />
Vorstellungen der völligen Unabhängigkeit vom Staat und seinen Institutionen bis hin<br />
zu der pragmatischen Feststellung, dass der demokratische Staat nun einmal<br />
ambivalent sei, ein „wachsamer Umgang“ mit dieser Tatsache Frauen dennoch<br />
zumindest rechtliche Besserstellung bringen könne. Wie steht es nun konkret um die<br />
Frauen im Staat? Wie sind sie repräsentiert in den wesentlichen gesetzgebenden<br />
Gremien des Staates? Welche Positionen konnten Sie bisher konkret einnehmen?<br />
Die nachfolgenden Zahlen geben eine Antwort darauf.<br />
7.2. Repräsentation von Frauen<br />
Es war ein langer Weg und ein harter Kampf bis Frauen trotz des heftigen<br />
männlichen Widerstandes den Einzug in das österreichische Parlament geschafft<br />
haben. Rückblickend ist es dennoch nur ein erster, kleiner, wenn auch nicht zu<br />
verachtender Schritt in Richtung Demokratisierung der Geschlechterverhältnisse. Hat<br />
es 70 Jahre von der Forderung des Wahlrechts bis zur Umsetzung gedauert, sind<br />
mittlerweile 89 Jahre seit dem Einzug der ersten Frauen in den Nationalrat<br />
vergangen, ohne, dass von einer adäquaten Repräsentation von Frauen<br />
entsprechend ihres Anteils an der Bevölkerung die Rede sein kann. Die in der<br />
folgenden Tabelle markierten Zeilen weisen auf Ausgangspunkt und<br />
„Entwicklungssprünge“ im prozentuellen Anteil von weiblichen Abgeordneten im<br />
österreichischen Parlament hin:
42<br />
Tabelle 2: Frauenanteil im Nationalrat<br />
Gesetzgebungsperiode Beginn Anzahl Frauen %<br />
Provisorische Nationalversammlung 21.10.1918 208 0 0,0<br />
Konstituierende Nationalversammlung 04.03.1919 159 8 5,0<br />
I. Gesetzgebungsperiode 10.11.1920 175 9 5,1<br />
XVII. Gesetzgebungsperiode 17.12.1986 183 21 11,5<br />
XVIII. Gesetzgebungsperiode 05.11.1990 183 36 19,7<br />
XIX. Gesetzgebungsperiode 07.11.1994 183 40 21,9<br />
XX. Gesetzgebungsperiode 15.01.1996 183 47 25,7<br />
XXI. Gesetzgebungsperiode 29.10.1999 183 49 26,8<br />
XXII. Gesetzgebungsperiode 20.12.2002 183 62 33,9<br />
XXIII. Gesetzgebungsperiode 30.10.2006 183 57 31,1<br />
Quelle: Entwicklung des Frauenanteils im Nationalrat, Stichtag: Beginn der jeweiligen<br />
Gesetzgebungsperiode 35<br />
Bei einem Bevölkerungsanteil von 52% sind Frauen mit 31,1% der Abgeordneten im<br />
Parlament 2007 nach wie vor unterrepräsentiert. Die Steigerung des Anteils von<br />
Frauen ist außerordentlich langsam fortgeschritten. So wird die 10% Marke erst 67<br />
Jahre nach Einzug der Frauen in den Nationalrat erreicht. Die 20% und 30% Marken<br />
werden schneller überschritten: nach jeweils acht Jahren. Zu beobachten ist jedoch<br />
auch, dass der Frauenanteil immer wieder auch gesunken ist: In der aktuellen<br />
Gesetzgebungsperiode im Vergleich zur vorangegangenen Periode um 2,8%. 36<br />
Exkurs: Das Parlament als Spiegel der Gesellschaft?<br />
Pointiert formuliert lässt sich das österreichische Parlament als ein Männerparlament<br />
41 - 60jähriger, zumeist katholischer Akademiker beschreiben. Nicht nur Frauen sind<br />
hier unterrepräsentiert. Entsprechend der Altersstruktur der Abgeordneten liegt das<br />
Durchschnittsalter der Parlamentarier/innen um etwa 10 Jahre über jenem der<br />
35 http://www.parlament.gv.at/portal/page?_pageid=907,860158&_dad=portal&_schema=PORTAL<br />
36 Weitere statistische Daten siehe auch: Zwischen Konflikt und Konsens: Frauen im politischen<br />
System Österreichs, Barbara Steininger, In: Handbuch politische Partizipation von Frauen in Europa,<br />
Beate Hoecker (Hg.in), Leske und Budrich Verlag, Opladen, 1998
43<br />
Gesamtbevölkerung. Als besonders unterrepräsentiert weist die Statistik des<br />
österreichischen Parlaments Pensionist/innen aus: während ihr Anteil bei einem<br />
Viertel der Bevölkerung liegt, werden sie von lediglich 1,1 % der Abgeordneten<br />
vertreten. Die Gruppe der unter 19jährigen - immerhin mehr als ein Fünftel der<br />
Bevölkerung - ist aufgrund der Wahlalterbeschränkung gar nicht vertreten. In<br />
großem Gegensatz zu diesen Zahlen steht der Akademiker/innenanteil der<br />
Abgeordneten. Ihr Anteil mit 42,6% im Parlament liegt weit über jenem von 5,5% der<br />
Bevölkerung. 37 Inwieweit Repräsentation im Parlament entsprechend ihres<br />
prozentuellen Anteils in der Bevölkerung den Interessen verschiedener<br />
gesellschaftlicher Minderheiten (diverse Volksgruppen, Gruppen mit nichtheterosexuelle<br />
Orientierung, Menschen mit besonderen Bedürfnissen etc.) oder als<br />
Minderheit behandelte Mehrheiten (Frauen) zu besserer Interessensvertretung mit<br />
emanzipatorischen Effekten führen könnte, wäre Gegenstand einer weiteren<br />
Analyse. Ich schließe mich an dieser Stelle der Auffassung von Kate Millet an, die die<br />
Ansicht vertritt, dass:<br />
“ (...) gerade weil in verschiedenen Strukturen gewisse Gruppen keine Vertreter haben, (ist)<br />
ihre Position so stabil, ihre Unterdrückung so wirkungsvoll.“ (Millet 1985: 38)<br />
Neben dem sehr langsam steigenden Anteil von Frauen im Nationalrat ist auch der<br />
Aufstieg in parlamentsinterne Gremien oder Regierungspositionen von Frauen erst<br />
spät und entsprechend des Bevölkerungsanteils ebenfalls als zu gering zu<br />
betrachten. 38 Abgesehen von Olga Rudel-Zynek, die schon 1927 den Vorsitz im<br />
Bundesrat übernimmt, dauert es Jahrzehnte bis Frauen Schlüsselpositionen<br />
einnehmen:<br />
37 Vgl. Schefbeck 1996.<br />
38 Vgl. Neyer 1991.
44<br />
Tabelle 3 Frauen in politischen Funktionen<br />
1927/28 Olga Rudel-Zynek, Christlich-Soziale Partei, Erste Vorsitzende des Bundesrates,<br />
1932 ein weiteres Mal Bundesratsmitglied<br />
1949 Ferdinanda Flossmann, SPÖ, Erste Frau, die den Vorsitz eines<br />
Nationalratsausschusses übernimmt<br />
1966 Grete Rehor, ÖVP, Erste Angelobung einer Frau als Ministerin, Bundesministerin für<br />
soziale Verwaltung,<br />
1986-1990 Marga Hubinek, ÖVP, Erste Frau am Nationalratspräsidium als Zweite Präsidentin<br />
2000 Susanne Riess-Passer, FPÖ, Erste Vizekanzlerin<br />
2006 Barbara Prammer, SPÖ, Erste Frau am Nationalratspräsidium als Erste Präsidentin<br />
Quelle: Tabelle nach den Daten aus Rösslhumer/Appelt 2001, Zusammenstellung u.p.<br />
Bisher konnte noch keine Frau die Position der Kanzlerin einnehmen, ebenso wenig<br />
wie das höchste Amt im Staat, jenes der Bundespräsidentin. Kandidatinnen hierzu<br />
stellten sich schon mehrmals – bisher ohne Erfolg. Barbara Steininger führt in ihrem<br />
Artikel zu Frauen im politischen System Österreichs dazu den Begriff der „politischen<br />
Legitimation“ ein:<br />
„Reformen, die den Zugang für Frauen verbessern (z.B. Quotenregelung) entspringen nicht<br />
zuletzt einem Bedarf nach politischer Legitimation. War es vor 78 Jahren noch möglich,<br />
sämtlichen Frauen das Wahlrecht zu verweigern, so ist es 1996 undenkbar Frauen aus ihren<br />
Machtzentren auszuschließen.“ (Steininger, Zit.in: Hoecker 1998: 294)<br />
Damit ist der Bereich gesellschaftlicher Bewusstseinsbildung angesprochen. Um<br />
Veränderungen umsetzen zu können, ist ein gewisses Maß an gesellschaftlichem<br />
Konsens bzw. gesellschaftlichem Verständnis für die Problematik Voraussetzung.<br />
Politische Bildung, Agenda – Setting, mediale Öffentlichkeit zu bestimmten Themen<br />
sind hier im Vorfeld der Umsetzung notwendig, um diese „politische Legitimation“<br />
herzustellen. Steiniger konstatiert hier zwar eine „Aufwärtsbewegung“, hält aber<br />
zugleich fest, dass nach wie vor daran gearbeitet werden muss, diesen Prozess<br />
fortzusetzen.
45<br />
7.3. Zusammenfassung<br />
Herrschaftsmechanismen und vor allem Ausgrenzungsstrukturen behindern auch<br />
(und nach wie vor) Frauenpolitikerinnen in ihren Handlungsmöglichkeiten.<br />
Frauen mussten sich den Zugang zum Parlament lange erkämpfen und übernehmen<br />
nur langsam wichtige Positionen. Verschiedene Faktoren werden hierfür<br />
verantwortlich gemacht: Sei es die schon erwähnte, sich v.a. im Bewusstsein der<br />
Männer langsam entwickelnde „politische Legitimation“, das österreichische<br />
Listenwahlrecht 39 oder die korporatistische Verfasstheit der österreichischen<br />
Demokratie, d.h. aus körperschaftlichen bzw. berufsständischen Gruppierungen<br />
(Gewerkschaften, Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung)<br />
bestehende Sozialpartnerschaft. Auch hier sind Frauen unterrepräsentiert. Im<br />
parlamentarischen Arbeitsfeld wirken besonders die an männlichen Bedürfnissen<br />
ausgerichteten Strukturen: Der Handlungsspielraum von Frauen im Parlament wird<br />
vor allem dadurch eingeschränkt.<br />
„Frauen waren in der Politik ursprünglich nicht vorgesehen. Es waren ausschließlich Männer,<br />
die der Politik Form, Struktur und Regeln gaben. Sie waren es, die die Institutionen,<br />
Verfahrensweisen und Spielregeln entwarfen. Als Frauen das Recht gegeben wurde, sich<br />
daran zu beteiligen, waren politische Einrichtungen und Regeln bereits etabliert. Die Struktur<br />
des politischen Systems ist historisch auf männliche Bedingungen und Interessen<br />
ausgerichtet. Frauen, die sich politisch engagieren wollen, haben sich nach wie vor dem<br />
politischen System, welches männlich geformt und geprägt ist, anzugleichen.“<br />
(Rösslhumer/Appelt 2001: 19)<br />
39 „Von der Zahl der abgegebenen Stimmen für eine Partei in einem Wahlkreis hängt es im<br />
wesentlichen ab, wie viele Grundmandate eine Partei in diesem Wahlkreis zu erringen vermag und<br />
damit auch, wie viele Kandidat/innen der betreffenden Liste im ersten Ermittlungsverfahren als<br />
gewählt gelten. Mit der Platzierung der Kandidat/innen auf den Wahllisten wird somit eine wichtige<br />
Vorentscheidung für die Wahl in den Nationalrat getroffen (...) Frauen haben (...) nicht nur eine<br />
geringere Chance, in eine Liste aufgenommen zu werden; sofern sie Berücksichtigung finden, werden<br />
sie häufiger als Männer auf aussichtslosen Listenplätzen gereiht.“ (Neyer, Zit. in: 1991: 58ff)
46<br />
8. Politik(en)<br />
„Niemand wird erwarten, dass der Begriff 'Politik' knapp, klar und einmütig definiert werden<br />
könnte. Was Politik sei und was sie nicht sei, ja schon, was eine Definition von >Politik<<br />
überhaupt solle und was sie nicht solle, darum wird seit jeher gestritten. Feste Konturen sind<br />
in diesem Streit nicht zu erkennen. Die Auseinandersetzung füllt Bibliotheken und leert deren<br />
Etats. Einen kurzen, gut ausgeschilderten und einhellig empfohlenen Weg zum Verständnis<br />
von 'Politik' gibt es also nicht" (Alemann 1994: 12)<br />
Im Sinne dieses Zitats verstehen sich die folgenden Abschnitte als notwendige<br />
Annährung an den Begriff „Politik“, in keinem Fall jedoch als letztgültige Definition.<br />
8.1 Verknüpfte Kategorien<br />
Mit dem Begriff Politik lassen sich einige Begriffe verbinden, die wesentlich mit<br />
Bereichen, die Politik beeinflusst bzw. von denen Politik beeinflusst wird, verknüpft<br />
sind. Die nachfolgende Grafik veranschaulicht jenes Netz, mit dessen Hilfe ein Blick<br />
auf die unterschiedlichen Perspektiven, unter denen das politische Feld betrachtet<br />
werden kann, sichtbar wird:<br />
Abbildung 1 Verknüpfte Kategorien<br />
Ethnien<br />
Interessen<br />
Staat<br />
Politik<br />
Gewalt<br />
Soziale<br />
Klasse<br />
Geschlecht<br />
Herrschaft<br />
Macht
47<br />
Quelle: Protokoll der Vorlesungseinheit vom 05. Nov. 2002, Einführung in das Studium<br />
Politikwissenschaft, Eva Kreisky, Birgit Sauer 40<br />
Politische Theorien und politikwissenschaftliche Analysen knüpfen an die hier<br />
dargestellten Bereiche an. Macht, Herrschaft und Gewalt. sind die wesentlichen<br />
Bereiche, die in der Regel mit Politik verbunden werden: Wo ist Macht verortet? Wer<br />
übt sie aus? Wodurch erhält eine Person oder ein kollektives Gefüge die<br />
Legitimation, Macht und Herrschaft auszuüben? Mit welchen Mitteln wird Macht<br />
durch- bzw. umgesetzt? Welche Art von Gewalt gibt es in einem Staatsgefüge? Wie<br />
ist die Staatsgewalt verfasst? Wie werden Entscheidungen und Maßnahmen<br />
legitimiert (z.B. Gesetze)? Unterschiedliche Disziplinen nähern sich diesen Fragen<br />
an: Philosophie, Soziologie, Rechtswissenschaft und nicht zuletzt die relativ junge<br />
akademische Disziplin der Politikwissenschaft. 41<br />
Exkurs: Junge Politikwissenschaft<br />
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg etabliert sich diese Studienrichtung im<br />
deutschsprachigen Raum. In Österreich steht Politikwissenschaft in enger<br />
Verbindung mit den verschiedenen Demokratiebewegungen der 60er Jahre. Erst<br />
1965 kann nach Erweiterung der Lehrkanzel für Rechts- und Staatsphilosophie in<br />
Salzburg durch den Bereich „Politische Wissenschaft“ Politologie als Haupt- und<br />
Nebenfach studiert werden. 1968 wird eine Lehrkanzel in Wien mit dem Titel<br />
„Philosophie der Politik und Ideologiekritik“ 42 geschaffen und 1970 am Institut für<br />
Höhere Studien in Wien eine Abteilung „Politologie“ eingerichtet. In der Folge<br />
erhalten auch Graz, Innsbruck und Linz politikwissenschaftliche Lehrkanzeln, wobei<br />
diese in Innsbruck mittlerweile Fakultätsstatus einnimmt. Die Ausrichtung der<br />
Forschungstätigkeit war lange Zeit normativ. Die Frage danach, wie menschliches<br />
Zusammenleben am Besten geregelt werden könnte, beschäftigt<br />
Politikwissenschafter/innen damals wie heute, wenn auch heute der normative<br />
Anspruch wiederholt kritisch hinterfragt wird. Als normative Wissenschaft versteht<br />
sich Politikwissenschaft insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg und hier vor<br />
allem mit dem Fokus auf Demokratiewissenschaft. Stark beeinflusst von den<br />
40 http://evakreisky.at/2002-2003/powi/protokolle/aproto051102.doc<br />
41 Vgl. Bleek 2001.<br />
42 Vgl. http://www.fvhus.at/view.php?name=politikwissenschaft und http://evakreisky.at/2002-<br />
2003/powi/protokolle/22102002protokoll.html
48<br />
Ergebnissen der Geschlechterforschung findet eine Verlagerung der<br />
Forschungsansätze in Richtung emanzipatorischer und partizipatorischer Ansätze<br />
statt.<br />
Politik ist mit der Aushandlung von Interessen verknüpft, wobei hier nicht individuelle<br />
Interessen gemeint sind, sondern Interessen als kollektive Kategorie, die in<br />
Organisationen gebündelt werden und in mehr oder weniger konfliktreichen<br />
Prozessen durchgesetzt werden (z.B. Gewerkschaften). Interessen sind in ihrer<br />
Durchsetzungskraft vielfältig und nicht gleichwertig. Im Kontext aktueller Debatten ist<br />
hier der „Interessensbereich“ Wirtschaft zu nennen. Die wirtschaftliche Organisation<br />
eines Gesellschaftssystems produziert unterschiedliche soziale Klassen mit<br />
Handlungs- und Durchsetzungsspielräumen. Wie entstehen Klassen? Welche<br />
Klassen entstehen? Und wie werden Klassenkonflikte ausgetragen? Seit den<br />
politischen Veränderungen des Jahres 1989 und ihren Folgen gerät die Rolle der<br />
Ökonomie mit ihren machtvollen Mechanismen wieder in den Blick. Kapitalismuskritik<br />
bzw. Kritik an neoliberalen Wirtschaftspraktiken wird wieder geübt. Die Frage der<br />
Umverteilung und der sozialen Gerechtigkeit wird heute in den aktuellen Diskursen<br />
zusätzlich mit der Frage der kulturellen Anerkennung verschiedenster<br />
Identitätspolitiken 43 verknüpft. Die zentrale Fragestellung, welchen Einfluss haben<br />
Wirkungsweisen der Ökonomie auf politische Prozesse, rückt daher wieder in den<br />
Vordergrund. Das Problemfeld Ökonomisierung politischer Prozesse (z.B.<br />
Unterwerfung politischer Entscheidungsfindungsprozesse unter das Effizienz-<br />
Kriterium, konsumistische Haltung der Bevölkerung gegenüber Politiker/innen etc.)<br />
fließt in die kritische Reflexion feministischer Politikwissenschaft ein.<br />
„Eine (...) wichtige Aufgabe ist die Formulierung eines Politikbegriffes in Auseinandersetzung<br />
mit der Sphäre der Ökonomie und deren Herrschaftsmechanismen und<br />
Ausschließungsstrukturen“ (Sauer: 2005)<br />
Seit den Frauenbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts gilt auch Geschlecht als<br />
politische Kategorie, die Aussagen über die Verfasstheit und den Zustand eines<br />
politischen Systems ermöglicht. Nicht nur Demokratiequalität lässt sich an diesem<br />
Parameter messen. 44 Wie schon erläutert lassen sich sämtliche Politikbereiche einer<br />
43 Vgl. Fraser 1997<br />
44 Vgl. Fourier, Zit. In: Andel: 1997
49<br />
Geschlechteranalyse unterziehen. Mit dem Begriff „Politikbereiche“ sind folgende<br />
Felder gemeint: Der Bereich der institutionellen Verfassung des politischen<br />
Gemeinwesens (polity), die Inhalte politischer Programme zur Gestaltung<br />
gesellschaftlicher Verhältnisse (policy) und der Prozess der politischen<br />
Auseinandersetzung um Machtanteile und Machtpositionen (politics) 45 . Der Prozess<br />
der politischen Auseinandersetzung um Machtanteile und Machtpositionen weist<br />
eindeutig männliche Strategien, Diskussionsformen und männerdominierte Orte des<br />
Diskurses auf. Ausschluss- und Ausgrenzungsmechanismen begünstigen Männer<br />
und benachteiligen Frauen.<br />
Inklusionen und Exklusionen eines politischen Systems oder eines politischen<br />
Feldes, lassen sich weiter mit der Analyse der Rolle von Ethnien untersuchen.<br />
Welche Personengruppen werden aufgrund ihrer Ethnizität ausgeschlossen,<br />
marginalisiert oder integriert? Wer erhält unter welchen Bedingungen (z.B.<br />
Staatsbürgerrecht) Zugang zu politischen Handlungsfeldern? Mit diesen Fragen eng<br />
verknüpft ist die grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Begriff des „zoon<br />
politikon“ (griech.: der Mensch als staatenbildendes Wesen) Welche Menschen<br />
werden als staatenbildende Wesen definiert und anerkannt? Damit eng verknüpft ist<br />
die Frage nach dem „demos“( griech.: das Volk, die Gemeinde). Wie setzt sich ein<br />
Volk, eine Gemeinde zusammen? Wer gehört dazu? Nicht zuletzt muss auch der<br />
Begriff der „pólis“ (griech.: die Stadt, im Übertragenen: die Gemeinschaft von<br />
Bürgern) angeführt werden. Wer kann Teil dieser „pólis“ werden und Politik<br />
gestalten? Vermögende, gebildete, weiße Männern der gesellschaftlichen Eliten<br />
erheben über Jahrhunderte den Anspruch, diese Definitionen zu formulieren mit dem<br />
Ziel des eigenen Machterhalts. Untere oder versklavte Bevölkerungsschichten und<br />
Migrant/innen werden Jahrhunderte lang dezidiert von der Möglichkeit des politischen<br />
Handelns ausgeschlossen, wenn auch nicht widerstandslos. Der Ausschluss der<br />
Frauen wird mit deren Zuordnung zum Raum des Privaten und damit zum Bereich<br />
der Reproduktionsarbeit schon in der Antike festgelegt. Der Ausschluss armer<br />
Bevölkerungsteile findet mit dem Argument des fehlenden Vermögens bzw. fehlender<br />
Staatsbürgerschaft statt. Bei beiden Gruppen, die meist zahlenmäßig die Mehrheit<br />
bilden, stellt zudem die weiße, männliche Elite, um die eigene Vormachtstellung zu<br />
begründen, deren Vernunftbegabung regelmäßig in Frage. Diese Beispiele zeigen,<br />
45 An der englischen Begrifflichkeit zeigt sich die starke Anlehnung an anglo-amerikanische<br />
Entwicklungen von Politikwissenschaft
50<br />
dass sämtliche in der Abbildung dargestellten Bereiche nicht nur mit dem zentralen<br />
Begriff Politik verbunden sind. Sie stehen auch untereinander in ständiger<br />
Wechselwirkung. Macht, Herrschaft und Gewalt stehen in ständiger Beziehung zu<br />
Geschlecht, sozialer Klasse und Ethnizität und den damit verbundenen vielfältigen<br />
Interessenskonstellationen.<br />
8.2 Politische Prozesse – politisches Handeln<br />
Eine weitere Form der Annäherung an Politikbegriffe ermöglicht die<br />
Kategorisierungen entsprechend der Kriterien der folgenden Grafik:<br />
Abbildung 2 Aspekte eines Politikbegriffs<br />
ent<br />
Enger<br />
Weiter<br />
Normativer<br />
Deskriptiver<br />
Politikbegriff<br />
Gouvernementaler<br />
Emanzipativer<br />
Konfliktorientiert/ Konsensbezogen<br />
Quelle: Protokoll der Vorlesungseinheit vom 05. Nov. 2002, Einführung in das Studium<br />
Politikwissenschaft, Eva Kreisky, Birgit Sauer 46<br />
Zur Erläuterung dieser Abbildung lassen sich drei gegensätzliche Begriffspaare<br />
formulieren. 47 Der Gouvernementale Politikbegriff sieht Politik vor allem in<br />
Institutionen verankert. Parteien, Parlament, Exekutive und verschiedene organisierte<br />
Interessensverbände- und -vertretungen werden als Orte politischen Handelns<br />
definiert. Politik wird hier ausschließlich in Bezug auf das Staatsgefüge verstanden.<br />
Diese Politikauffassung ist jene, die im Alltagswissen der Bevölkerungsmehrheit am<br />
meisten verbreitete. Demgegenüber steht die Auffassung der emanzipatorischen<br />
Begrifflichkeit. Sie geht davon aus, dass es auch andere politische Handlungsfelder<br />
46 http://evakreisky.at/2002-2003/powi/protokolle/aproto051102.doc<br />
47 Vgl. Lang, Zit. in: Rosenberger/ Sauer 2004: 69ff
51<br />
gibt, die wesentlichen Einfluss auf politische Prozesse haben können. In der Tradition<br />
der kritischen Theorie stehend werden politische Handlungsräume auch außerhalb<br />
der „systemisch vorgegebenen Orte“ angenommen und mit einbezogen:<br />
„(...) politisches Handeln manifestiert sich überall da, wo Menschen mit ihrem<br />
bürgerschaftlichen Engagement selbst definierte Ziele verfolgen.“ (Lang, Zit. in:<br />
Rosenberger/ Sauer 2004: 69ff)<br />
Die Auseinandersetzung mit dem gouvernementalen Politikbegriff durch<br />
emanzipatorische Ansätze führt dazu, dass sämtliche als bisher traditionell politische<br />
Institutionen mit ihren Prozessen einer kritischen Analyse unterzogen werden und<br />
darauf hin untersucht werden, inwiefern Strukturen, Akteur/innen und interne<br />
Mechanismen der traditionellen Institutionen Ausschluss und Marginalisierung<br />
bestimmter Bevölkerungsgruppen praktizieren. In logischer Konsequenz entwickeln<br />
Vertreter/innen emanzipatorischer Zugänge theoretische Konzepte, die Einschluss<br />
und Partizipation marginalisierter Bevölkerungsgruppen (in der feministischen<br />
Politikwissenschaft z.B. von Frauen) denkbar werden lassen. Normative<br />
Politikbegriffe definieren bestimmte gesellschaftliche Ideale, die es durch politisches<br />
Handeln zu erreichen oder zu sichern gilt. Normative Zugänge beinhalten in der<br />
Regel auch Vorstellungen von „richtigem politischen Handeln“ und in einer<br />
bestimmten Weise geprägte Vorstellungen vom Menschen an sich. Die Dichotomie<br />
der Konzepte homo oeconomicus versus zoon politikon werden daraus entwickelt.<br />
Verkürzt erläutert meint der Begriff des homo oeconomicus, die<br />
Handlungsmotivation von Menschen bestehe darin, Nutzen zu maximieren und<br />
Kosten zu minimieren. Im Gegensatz dazu steht die Auffassung des zoon politikon:<br />
Der Mensch sei ein durch und durch politisches Wesen, das seine Natur erst dann<br />
erfüllt, wenn es sich politisch beteiligt. Menschen sind Bürger/innen, die sich gerne<br />
und freiwillig an den Belangen des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens<br />
beteiligen und das gemeinwohlorientierte Handeln in den Vordergrund stellen.<br />
Diese individuellen Handlungsweisen, aber auch daraus entwickelte politische<br />
Funktionsweisen versucht der deskriptive Politikbegriff zu beschreiben.<br />
Ein weiteres wesentliches Begriffspaar für politische Analyse stellen die Begriffe<br />
„konfliktorientiert“ und „konsensorientiert“ dar.<br />
Der konfliktorientierte Begriff geht davon aus, dass Menschen immer in<br />
Konkurrenz zueinander stehen, unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse haben
52<br />
und diese in konflikthafter Weise ausleben. Hauptaufgaben für die Politik ist<br />
demzufolge die Analyse und Organisation der Konflikte. Je nach Position gilt es dann<br />
Instrumente der Konfliktvermeidung oder der Kanalisierung zu finden. Damit kann<br />
eine gewaltfreie Konfliktlösung gemeint sein oder aber auch kriegerische Handlungen<br />
als für notwendig erklärtes Mittel („Krieg als friedenserhaltende Maßnahme“).<br />
Konsensorientierte Begriffe gehen zwar ebenso von Konflikten aus, legen aber<br />
den Schwerpunkt auf die friedliche Lösung zwischenmenschlicher, gesellschaftlicher<br />
und zwischenstaatlicher Konflikte.<br />
Abschließend wird die Unterscheidung zwischen engem und weitem Politikbegriff<br />
eingeführt, die v.a. in der feministischen Politikwissenschaft aufgegriffen und<br />
diskutiert wird. In der Auffassung des engen Begriffs geht es vor allem um staatliche<br />
Macht und deren Erhalt. Politik wird hier ausschließlich staatlichen Organisationen<br />
zugestanden. Sie findet an klar definierten Orten (z.B. Parlament) statt und zu<br />
bestimmten Zeiten (Sitzungen und Wahlen). Zahlreiche Politikwissenschafter/innen<br />
sind mittlerweile der Ansicht, dass dieser Begriff im 21. Jahrhundert mit den sich<br />
verändernden Formen politischen Handelns nicht mehr zu halten ist. Vielmehr<br />
scheint ein weiter Politikbegriff zeitgemäßer zu sein, der soziale Bewegungen,<br />
NGOs etc. in den politischen Prozess mit einbezieht und andere politische Räume<br />
außerhalb traditioneller Orte erlaubt. Die klare Trennung zwischen öffentlich und<br />
privat wird in dieser Konzeption zudem aufgehoben, womit die Möglichkeit der<br />
Anknüpfung an die feministische Behauptung „Das Private ist Politisch“ gegeben ist.<br />
Private (Familien, Lebensgemeinschaften etc.) und semi-private Räume<br />
(Vereinslokale etc.) werden damit zu Orten politischer Aushandlungsprozesse. In<br />
einer postmodernen Gesellschaft haben sich Strukturen, Institutionen,<br />
Organisationen, aber auch zwischenmenschliche Beziehungen, Lebensläufe und<br />
Lebensentwürfe damit zu beschäftigen, dass sie mit ihren Mustern, Prozessen und<br />
Verfasstheiten hinterfragbar, verhandelbar, konstruierbar oder dekonstruierbar - in<br />
jedem Fall gestaltbar geworden sind. Sämtliche Lebensbereiche und menschliche<br />
Handlungsformen werden damit grundsätzlich politisierbar mit allen damit<br />
verbundenen Risken, Gefahren, aber auch Vorteilen. 48<br />
48 Vgl. Dahl: 1984, Beck: 1986 und Greven: 1994.
53<br />
„Im Politischen zeigen sich die unterschiedlichen Sichten auf die Welt, und die können sich<br />
nur eröffnen, wenn handelnde und sprechende Menschen in all ihrer Pluralität dafür Sorge<br />
tragen, einen Handlungs-, Urteils-, und Erinnerungsraum zu gründen und zu bewahren, der<br />
den weltbezogenen menschlichen Fähigkeiten Raum gibt, ja der es den Menschen<br />
ermöglicht, als politische Wesen in Erscheinung treten.“ (Arendt, Zit. in: Grunenberg: 2000)<br />
Dieser „Handlungs-, Urteils-, und Erinnerungsraum“ lässt sich nicht mehr auf<br />
traditionelle politische Orte und Akteur/innen beschränken. Auch darin liegt die<br />
Anschlussmöglichkeit an feministische Ansätze. Breite und vielfältige Partizipation<br />
bisher ausgeschlossener Gruppen (Ethnien, Frauen etc.) ist hiermit wesentlicher<br />
Bestandteil des Diskurses.<br />
Politikbegriffe, die für feministische Politikberatung in Betracht gezogen werden<br />
müssen, lassen sich demnach entlang folgender Begrifflichkeiten verorten:<br />
1. emanzipatorisch, im Sinne vielfältiger politischer Handlungsfelder<br />
2. normativ, im Sinne klarer Zielformulierungen<br />
3. konsens- und konfliktorientiert, im Sinne einer gewaltfreien, konstruktiven<br />
Konfliktbewältigung<br />
4. weit, im Sinne einer Inklusion von sozialen Bewegungen, NGOs sowie<br />
alternativer Handlungsorte<br />
9. Frauenpolitik<br />
Was bedeutet nun dieser Politikbegriff für so genannte Frauenpolitik? Wie kann unter<br />
diesen Aspekten Frauenpolitik umgesetzt werden? Was bedeutet Frauenpolitik in<br />
Berücksichtigung dieser Unterscheidungen?<br />
Der Begriff „Frauenpolitik“ wird in unterschiedlichen Zusammenhängen mit<br />
unterschiedlichen Implikationen verwendet. Vielfältige Bedeutungen werden mit<br />
transportiert bzw. assoziiert und dahinter stehende (nicht immer emanzipatorische<br />
oder feministische) Politik- und Geschlechterkonzeptionen werden (meist<br />
unausgesprochen) weiter gegeben. Aus diesem Grund sollen hier einige dieser<br />
„mitgelieferten“ Annahmen von Frauenpolitik dargestellt werden.
54<br />
9.1. Implikationen und Themen<br />
Zunächst suggeriert der Begriff „Frauenpolitik“, dass für die Mehrheit der<br />
Bevölkerung eine spezielle Politik erforderlich ist, die unabhängig und ohne in<br />
Verbindung zu „Männerpolitik“ umsetzbar ist. Die Interdependenzen des<br />
Geschlechterverhältnisses werden mit der Fokussierung auf Frauen erneut<br />
ausgeblendet. Politik, die versucht, die Situation von Frauen zu verbessern, bedeutet<br />
immer auch Veränderung der Bedingungen für Männer.<br />
"Mehr Frauen in der Politik bedeutet gleichzeitig weniger Männer...“ 49<br />
Die Erweiterung des Begriffs „Frauenpolitik“ um jenen der „Geschlechterpolitik“<br />
erscheint demnach sinnvoll. Ein weitere Aspekt ist wesentlich: Der Begriff<br />
„Frauenpolitik“ nimmt Frauen als homogene Gruppe an, für die Politik gemacht<br />
werden kann und blendet Vielfalt und Differenzen unter Frauen begrifflich aus. Vor<br />
allem Judith Butler wendet sich gegen die Konstruktion eines „Frauen-Wir“s.<br />
Frauenpolitik setzt bestimmte Themen auf die Agenda, z.B. Zielsetzungen wie<br />
Gleichberechtigung von Frauen und Männern, Chancengleichheit und Anerkennung.<br />
Auch die Anerkennung von Frauen in ihren Leistungen als Hausfrau und Mutter.<br />
Gerade im ambivalenten Mutterbegriff steckt jedoch für jede Frauenpolitikerin die<br />
Gefahr der Verfestigung von Stereotypen, mit Forderungen nach einem Müttergehalt<br />
beispielsweise, welches die Teilnahme von Männern an Kindererziehung und<br />
Haushalt von vorneherein ausschließt. Anerkennung von Frauen in ihren Leistungen<br />
als Hausfrau und Mutter als Ziel frauenpolitischer Maßnahmen bleibt in der<br />
Abgrenzung von Frauenpolitik und Familienpolitik begrifflich wie inhaltlich unscharf.<br />
Auch wenn es sinnvoll erscheint, unsichtbar gemachte Leistungen von Frauen<br />
sichtbar zu machen, beinhaltet Anerkennung allein noch keine politische<br />
Verbesserung oder Veränderung. Anerkennung mag ein erster Schritt sein, dem<br />
jedoch konkrete Taten der Umverteilung von Macht, ökonomischen Mitteln (sprich<br />
Geld und Vermögen) sowie eine Neubewertung und Neuverteilung von Erwerbs- und<br />
Reproduktionsarbeit folgen müssen.<br />
49 Johanna Dohnal, Festsitzung "70 Jahre Frauenstimmrecht", 1. März 1989.
„Diese Politik der Wertschätzung kostet die Männergesellschaft nichts, sie bringt ihnen aber<br />
viel ein.“ (Rosenberger 1992: 70).<br />
55<br />
Frauen werden in dieser Konzeption zudem nicht als eigenständige Personen<br />
betrachtet, sondern immer als tatsächliche oder potentielle Mütter adressiert. 50<br />
Gleichberechtigung und Gleichstellung (oder österreichisch: Gleichbehandlung) sind<br />
weitere frauenpolitische Anliegen. Maßnahmen, die Gleichstellung herbeiführen,<br />
müssen untersucht und reflektiert werden, entsprechend der Fragestellungen,<br />
inwieweit sie tatsächlich die Situation der Frauen verbessern, Geschlechterrollen<br />
verändern helfen und ob mit der Gleichbehandlung Ungleicher Benachteiligungen<br />
nicht noch verstärkt werden. Im Umgang mit Gleichheitsbegriffen müssen zudem<br />
grundsätzlich drei Zugangsweisen unterschieden werden:<br />
1. Verfahrensgleichheit ( alle sollen gleich behandelt werden)<br />
2. Zielgleichheit ( Ziel für alle definieren und die Benachteiligten mit<br />
Empowerment-Strategien 51 unterstützen)<br />
3. Ausgangsgleichheit (gleiche Startbedingungen)<br />
Die unterschiedlichen Zugänge mit ihren unterschiedlichen Auswirkungen sollten<br />
explizit formuliert und kommuniziert werden. Was die Umsetzung verschiedener<br />
Gleichstellungsmaßnahmen durch institutionalisierte Geschlechterpolitik betrifft,<br />
handelt es sich meist um ein „Top – Down – Prinzip“. Selbst wenn Anregungen und<br />
Forderungen nach rechtlicher Gleichstellung von nicht institutionalisierten,<br />
gesellschaftlichen Gruppen kommen, handelt es sich in der Realisierung um<br />
„Gesetzgebungspolitik von oben“.<br />
9.2. Feministische Frauenpolitik<br />
Was kann in einem weiteren Schritt der Konkretisierung des Begriffes Frauenpolitik<br />
feministische Frauenpolitik bedeuten? Welche Aspekte und Ziele werden hier ins<br />
Zentrum gerückt?<br />
Eine feministische Interpretation von Frauenpolitik stellt zunächst die Forderung nach<br />
Selbstbestimmung ins Zentrum. Dementsprechend versucht feministisch orientierte<br />
50 Vgl. Rosenberger 1992<br />
51 dt.:Ermächtigung
56<br />
Frauenpolitik Rahmenbedingungen zu schaffen, die Selbstbestimmung unabhängig<br />
von heterosexuellen, patriarchalen Normen ermöglichen und Frauen ohne Blick auf<br />
ihre potentielle Mutterschaft in ihrer Vielfalt und Differenz versucht, wahrzunehmen.<br />
Feministische Frauenpolitik bedeutet dieser Definition nach auch Herrschaftskritik<br />
mit dem Bewusstsein von damit möglicherweise einhergehenden Konflikten.<br />
Herrschaftskritisch ist in diesem Zusammenhang nicht im Sinne von Ablehnung<br />
staatlicher Institutionen zu verstehen. Es bedeutet Machtverhältnisse zu sehen,<br />
immer wieder zu benennen und in die Analyse mit einzubeziehen. Machtverhältnisse<br />
zwischen den Geschlechtern existieren nach wie vor, auch wenn sie vielfach<br />
geleugnet oder nicht als solche benannt werden. Den Diskurs darüber aus<br />
konsenspolitischen Überlegungen nicht zu führen, kann frauenpolitischen Stillstand<br />
bedeuten. Feministische Frauenpolitik lässt sich als partizipatorisch verstehen und<br />
meint damit, die vielfältigen Möglichkeit von aktiver Beteiligung innerhalb des<br />
demokratischen Systems. Auch wenn „ (...) den Institutionen der Formal- bzw.<br />
Realdemokratie keine partizipatorische Erweiterung, schon gar keine emanzipative<br />
Potenz im Sinne einer Erreichung feministischer Politikziele wie Autonomie und<br />
Solidarität, Freiheit und Fürsorge, weiblicher Subjektivität und Handlungsfreiheit<br />
sowie Gewaltfreiheit zuerkannt wird“ (Sauer, Zit. in: Abels/Sifft 1999: 83), muss doch<br />
festgehalten werden, dass beide Frauenbewegung mit ihren Forderungen nach<br />
Partizipation durchaus erfolgreich waren. Sauer nennt hier beispielsweise die dank<br />
der Frauenbewegung neu entstandene Gleichstellungspolitik, die<br />
„ (...) zur Professionalisierung von Frauenpolitik mit der Chance kompetenter Durchsetzung<br />
von Fraueninteressen (führte). (...) Frauenpolitische Arbeit vor Ort – in semistaatlichen<br />
Einrichtungen der Frauenbewegung wie Frauenhäusern, Frauennotrufen oder<br />
Mädchenzentren – (ist) heute ohne kommunale Gleichstellungsstellen nicht mehr denkbar“.<br />
(ebd)<br />
Feministische Frauenpolitik bedeutet somit intensive Kooperation zwischen<br />
politischen Akteurinnen in staatlichen Institutionen und Akteurinnen der (mittlerweile<br />
ebenfalls institutionalisierten) bzw. „semistaatlichen“ Frauenbewegung. Rosenberger<br />
beschreibt rückblickend die Erfolge der österreichischen Frauenbewegung mit der<br />
„ (...) politische(n) Notwendigkeit des sich Aufeinanderbeziehens der Bewegungsfrauen und<br />
der professionellen Politikerinnen (...) Erfolgreich war Frauenpolitik immer dann, wenn sich<br />
beide Flügel abgestimmt haben, wenn sie sich gegenseitig ihrer Unterstützung versicherten
(...) Umgekehrt gilt, dass für die institutionelle Frauenpolitik die autonome Frauenbewegung<br />
Rückendeckung leistete.“ (Rosenberger 1992: 61)<br />
57<br />
Feministisch - partizipatorische Frauenpolitik meint in diesem Sinne die Möglichkeit<br />
der gestaltenden Teilnahme an politischen Prozessen und das Bewusstsein von<br />
unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Zusammenhängen.<br />
Demnach ist der ständige Austausch unerlässlich, um Forderungen und gegenseitige<br />
Erwartungen angemessen formulieren zu können. In diesem Sinne sind auch<br />
verschiedene Formen frauenpolitischer Argumentation anzuerkennen und nicht<br />
gegen einander auszuspielen: Defizitargumentation gegen geschlechterpolitische<br />
Argumentation. Sowohl der Hinweis auf vorhandene Defizite ist wertvoll und in der<br />
Anwendung strategisch notwendig, als auch der Verweis auf die Auswirkungen für<br />
beide Geschlechter. Zuguterletzt bedeutet feministische Frauenpolitik auch die Kritik<br />
an der Ökonomisierung von Politik mit den negativen Auswirkungen v.a. auf<br />
Frauen. Demokratie, die sich neoliberalen Marktprinzipien wie Effizienz, Konkurrenz<br />
und Profitmaximierung unterwirft, bedeutet ein Ende sozialstaatlicher Regelungen 52 ,<br />
Entsolidarisierung und das Ende des politischen Diskurses. Feministische<br />
Frauenpolitik braucht Handlungsräume, Ressourcen und Zeit, um wichtige Debatten<br />
ausführlich und öffentlich führen zu können. Effizienzkriterien sind hier fehl am Platz.<br />
Mit den Worten Birgit Sauers:<br />
„Gefährdungen der Demokratie liegen (...) derzeit nicht in zuviel Staat, sondern in zuwenig<br />
Staat (...) Somit erfordert gesellschaftliche Demokratisierung (...) Frauenpolitik >mit dem<<br />
Staatsapparat >gegen< den Staatsapparat (...), d.h. gegen die Ökonomisierung der Politik<br />
und gegen die Dominanz der Ökonomie.“ (Sauer, Zit. in: Abels/Sifft 1999 : 98)<br />
Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass feministische<br />
Frauenpolitik einen weiten Politikbegriff vertritt. Nicht nur im normativen Bereich<br />
findet somit Frauenpolitik statt, sondern auch – wie erwähnt - in privaten, semiprivaten<br />
und als Frauenorte institutionalisierten Organisationen<br />
(Frauenberatungsstellen, Büros von Gleichbehandlungsbeauftragten, Frauenhäuser,<br />
feministischen Bildungseinrichtungen und Lehrgängen etc.). Feministisch - politische<br />
Handlungsformen verstehen sich somit als emanzipatorisch, partizipatorisch und<br />
52 Vgl. Sauer
konsens- und konfliktorientiert, im Sinne einer friedlichen Lösung vorhandener<br />
Konflikte zwischen den Geschlechtern.<br />
58
59<br />
„Eine radikale Feministin darfst du da herinnen nicht sein,<br />
sonst müsstest du ihnen jeden Tag eins drüberziehen.“<br />
Zitat einer Abgeordneten 53<br />
Auch unsere Genossen sind Patriarchen,<br />
Männer, die vom Männersystem profitieren<br />
und es deshalb erhalten wollen.<br />
Helga Konrad 54<br />
9.3. Frauenpolitikerinnen - Parteifrauen<br />
Feministische, emanzipatorische Frauenpolitik braucht Frauen. Das biologische<br />
Geschlecht ist zwar kein Garant für feministische Politikkonzepte und Strategien 55 ,<br />
das Bewusstsein des sozial – konstruierten Geschlechts mit der entsprechenden<br />
Sozialisation und den jeweiligen Diskriminierungserfahrung kann handlungsleitend<br />
sein. Persönliche Betroffenheit von geschlechtsspezifischen Diskriminierungen ist<br />
nicht selten die Motivation für Frauen, in die Politik zu gehen. Der Wunsch nach<br />
Veränderung und aktiver Gestaltung dieser Veränderungsprozesse leitet alle<br />
Politikerinnen. Nicht alle sind Frauenpolitikerinnen oder wollen Frauenpolitik<br />
umsetzen, aber alle werden aufgrund ihres Geschlechts immer auch als<br />
Interessensvertreterinnen von Frauen gesehen oder behandelt. Allein aufgrund ihres<br />
Geschlechts stehen ausgesprochene und unausgesprochene Erwartungen von<br />
Frauensolidarität, Engagement für die verschiedensten Fraueninteressen und<br />
emanzipatorisches Bewusstsein im Raum. Gerade letztere Erwartung wird immer<br />
wieder enttäuscht, nicht zuletzt durch divergierende Vorstellungen von Emanzipation<br />
bzw. was Engagement für Frauen beinhalten könnte. Bothfeld beschreibt politische<br />
Akteur/innen als „Träger kollektiver Identitäten“ und Politik u.a. auch als einen<br />
„Prozess der Formierung von Identitäten“. (Bothfeld 2005: 112) Womit auch eine<br />
gewisse Vorbildwirkung angesprochen ist. Männliche Politiker werden, auch wenn sie<br />
beabsichtigen, frauenpolitische Maßnahmen umzusetzen, nicht unter diesen<br />
53 Zit. in: Rossmann 1995<br />
54 Zweite Frauenministerin Österreichs, Zit. In: Rösslhumer 2001<br />
55 Vgl. Kap. 6
60<br />
Aspekten wahrgenommen und akzeptiert. „Frau – sein“ stellt in diesem<br />
Zusammenhang demnach ein konstitutives Element dar.<br />
Wie kommen Frauen nun in machtvolle Positionen, um stellvertretend für andere<br />
Frauen Politik machen zu können? In der Struktur der österreichischen Demokratie<br />
gelangen Frauen in der Regel nur über ihre Parteizugehörigkeit in politische<br />
Positionen. Als niederschwellige Zugangsmöglichkeit sind regionale Parteigruppen<br />
auf Bezirks- oder Landesebene anzusehen. Trotz oder gerade wegen des<br />
unmittelbaren Kontaktes ist die Beteiligung von Frauen an Politik auch hier noch<br />
äußerst gering. Das fehlende Engagement von Frauen auf Gemeindeebene lässt<br />
sich mit traditionellen Rollenmustern erklären. Auch größere Teilorganisationen vor<br />
allem der Großparteien SPÖ und ÖVP, wie Gewerkschaften, Arbeiterkammer,<br />
Wirtschaftskammer, Landwirtschaftskammer etc. können Zugangsmöglichkeiten<br />
bieten. Diese grundsätzliche Möglichkeit ist jedoch nicht gleichbedeutend mit<br />
Aufstiegschancen innerhalb dieser vorparlamentarischen Organisationen. Auch hier<br />
ist die Anzahl von Frauen in machtvollen, hohen Positionen gering. 56 In den beiden<br />
Großparteien Sozialdemokratische Partei (SPÖ) und Volkspartei (ÖVP) können<br />
Politikerinnen auf ihre jeweiligen Frauenorganisationen zurückgreifen, die beide 1945<br />
gegründet wurden: die „Bundesfrauenorganisation“ der SPÖ – Frauen und die<br />
„Österreichische Frauenbewegung“ der ÖVP – Frauen. Die momentan<br />
oppositionellen Kleinparteien verfügen nicht über diese jahrzehntelange Tradition der<br />
internen Frauenorganisationen. Die Frauen der Freiheitliche Partei gründeten erst<br />
1995 unter Ursula Haubner die „Initiative Freiheitliche Frauen im Parlament“, mit<br />
Landessprecherinnen in jedem Bundesland und dem Ziel weiter Mitglieder zu<br />
gewinnen sowie interne Weiterbildung weiblicher Parteimitglieder zu ermöglichen.<br />
Die Frauen der Grünen Partei besitzen nach wie vor keine formal festgelegte<br />
Frauenorganisation. Auf Landesebene existieren jedoch kleinere und größere<br />
Gruppen, die zweimal jährlich thematische Netzwerktreffen unter der<br />
Schirmherrschaft der jeweiligen Bundesfrauensprecherin organisieren. Unter dem<br />
Titel „Bundesfrauenkonferenz“ ist für diese Frauengruppen trotz der fehlenden<br />
Organisationsstruktur von Seiten der Bundespartei ein fixes Budget für deren<br />
Tätigkeiten vorgesehen. Dennoch merkt eine ihrer Vertreterinnen in einem Interview<br />
kritisch an, dass selbst bei den Grünen, frauenpolitische Agenden eher geduldet als<br />
56 Vgl. S. 80
aktiv unterstützt werden. 57 Rosenberger beschreibt dies als “gegebene Macht”, wobei<br />
auffallend sei,<br />
61<br />
„ (...) dass sich Frauen an die von Männern vorgegebenen Besitzstände und Grenzen<br />
halten.“ (Rosenberger, Zit. in: Rösslhumer/ Appelt 2001: 66)<br />
Die Tatsache, dass diese grünen Frauennetzwerke nicht hierarchisch organisiert<br />
auftreten, ermöglicht es ohne regulär vorgeschriebenem Weg politisch aktiv werden<br />
zu können und auch parteiintern aufzusteigen. Parteimitgliedschaft ist im Gegensatz<br />
zu den Großparteien keine Voraussetzung für aktive politische Tätigkeit innerhalb der<br />
Grünen Partei. Unkonventionelle Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen hat in den letzten<br />
Jahren auch die Freiheitliche Partei geboten. Der allgemeine politische Trend der<br />
„Quereinsteiger/innen“ ermöglichte einigen Frauen „Blitzkarrieren“ 58 , wobei sich so<br />
manche sehr bald im politischen Widerspruch mit der männlich Parteiführung<br />
wiederfanden - vor allem dann, wenn sie ihren eigenen politisch-inhaltlichen Weg<br />
gehen wollten bzw. sich liberaler als ihre Parteispitze äußerten. Nicht zuletzt führten<br />
diese Widersprüche zu Parteiaustritten der Politikerinnen und 1993 sogar zur<br />
Gründung einer neuen Partei unter der Führung von Heide Schmidt mit dem<br />
Liberalen Forum.<br />
Es lässt sich demnach festhalten, dass in Parteistrukturen engagierte Politikerinnen<br />
unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten und –beschränkungen in den jeweiligen<br />
Parteien vorfinden. Verschieden sind auch ihre parteiinternen Frauenorganisationen.<br />
Frauenpolitische Programme werden in allen Parteien in unterschiedlichem Umfang<br />
formuliert. Über die Frauenorganisationen werden Fortbildungen für<br />
Nachwuchspolitikerinnen organisiert, Austausch untereinander und inhaltliche<br />
Abstimmung miteinander gepflegt. Sie können auch generell als innerparteiliche<br />
Lobby gesehen werden, die Rückhalt in der Umsetzung politischer Forderungen<br />
bietet. Zudem gelten vor allem die Organisationen der Großparteien als<br />
„Rekrutierungskanäle für aufstiegsorientierte Kandidatinnen“. (Steininger, Zit. in:<br />
Hoecker 1998: 276). Der Weg über die Partei in die Politik bedeutet Sozialisation als<br />
Politikerin mit den jeweiligen Normen und Wertesystemen der Partei sowie den darin<br />
enthaltenen Frauenbildern. Daraus entwickelt sich in der Regel eine starke Loyalität<br />
gegenüber der Partei und ihren männlichen Repräsentanten.<br />
57 Vgl. Interview 2: 313<br />
58 Vgl. Rösslhumer/ Appelt: 1992
62<br />
„Eine Loyalität, die selbst dann noch, wenn diese offen gegen Fraueninteressen handelt,<br />
aufrechterhalten wird. Das ominöse Parteiinteresse tritt an Stelle von Parteilichkeit im<br />
Interesse von Frauen.“ (Rosenberger, Zit. in: Rösslhumer/Appelt 2001: 66).<br />
9.4. Frauenbilder<br />
Welche Frauenbilder entstehen nun während einer „Sozialisation durch die Partei“<br />
bzw. welche Bilder werden von den Akteurinnen hinein getragen, verändert oder<br />
verfestigt? Ein Blick in die Geschichte der Parteien und die frauenpolitischen<br />
Programme ermöglicht eine Annäherung. Frauenprogramme werden im vorliegenden<br />
Zusammenhang sowohl unter dem Aspekt von Zielformulierungen als auch im Sinne<br />
einer Konzeption des politischen Subjekts „Frau“ verstanden. Die in Umfang, Inhalt<br />
und Gestaltung sehr unterschiedlichen Frauenprogramme werden im Folgenden<br />
hinsichtlich ihres „Agenda Settings“ von frauenrelevanten Themen, ihrer Abgrenzung<br />
zu Familienpolitik und ihrer angebotenen politischen Lösungsstrategien untersucht.<br />
Aspekte der historischen Entwicklung und zentralen Zielsetzungen werden mit<br />
berücksichtigt.<br />
9.4.1. Das Frauenbild der Sozialdemokratischen Partei<br />
Die Forderungen nach Gleichberechtigung, Bildung und „Gleicher Lohn für gleiche<br />
Arbeit“ finden sich von Anfang an in den Programmen der sozialdemokratischen<br />
Parteifrauen. Auch wenn Berufstätigkeit von Frauen als ökonomische<br />
Unabhängigkeit und Voraussetzung für Gleichberechtigung angesehen wird, sind<br />
sich die sozialdemokratischen Frauen in den restaurativen Jahren der Nachkriegszeit<br />
nicht so sicher, ob Mütter nicht doch verstärkt zu Hause bleiben sollten. Den „Luxus“<br />
„Nur-Hausfrau“ zu sein, konnten sich seit der Industrialisierung nur die wenigsten<br />
Arbeiterinnen leisten. Bei der Mehrheit der Arbeiter/innenfamilien reichte das<br />
Einkommen des Mannes nicht aus, um die gesamte Familie ernähren zu können. Mit<br />
zunehmendem Wohlstand und der damit einher gehenden „Verbürgerlichung“ der<br />
sozialdemokratischen Familie wird es auch für den überzeugten Sozialdemokraten<br />
ein Zeichen von gelungenem Lebensentwurf, tatsächlich Alleinernährer sein zu<br />
können. Frauen sollten und mussten auf eigenes Einkommen und die damit<br />
verbundene Unabhängigkeit verzichten. Berufstätigkeit von Frauen und die<br />
Vereinbarkeit bleibt dennoch zentrales Thema der Sozialdemokratinnen. Das
63<br />
Frauenbild hat sich in den letzten Jahrzehnten umfassend erweitert. Nicht zuletzt<br />
auch durch den engen Kontakt mit der autonomen Frauenbewegung. Die enge,<br />
politische Zusammenarbeit der sozialdemokratischen Frauen in den 70er und 80er<br />
Jahren im Kampf um das Recht auf Abtreibung, Selbstbestimmung,<br />
Familienrechtsreformen etc. mit der Autonomen Frauenbewegung führt trotz vieler<br />
Meinungsunterschiede über Vorgangsweisen, Strategien und Zugeständnisse an das<br />
vorhandene politische System zu zahlreichen frauenpolitischen Erfolge. Die<br />
Erweiterung des sozialdemokratischen Frauenbildes um diese Konzeptionen kann<br />
durchaus in direkter Verbindung mit dem Einfluss der Ideen und Konzepte der<br />
autonomen Frauenbewegung gesehen werden. Das aktuelle, sehr umfangreiche<br />
Frauenprogramm trägt der Vielfalt weiblicher Lebensentwürfe Rechnung und benennt<br />
Diskriminierung von Frauen in allen Gesellschaftsschichten und in den<br />
verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen. Angesprochen werden Mädchen und<br />
Frauen aller Altersgruppen, Alleinerzieherinnen, Frauen in homosexuellen<br />
Lebensgemeinschaften, Transsexuelle und Transgender ebenso wie<br />
Unternehmerinnen oder Frauen im ländlichen Raum. Aktive Anti-<br />
Diskriminierungsmaßnahmen finden sich in dem Programm ebenso als Strategie<br />
wieder wie jene des Gender Mainstreamings oder Frauenförderprogramme.<br />
Erkenntnisse aus verschiedenen feministischen Theorierichtungen sind hier<br />
offensichtlich eingeflossen – auch jene der Queer Theory, wenn auch nur kurz<br />
angesprochen und nicht so detailliert kommentiert wie andere Bereiche.<br />
Maßnahmen, wie alternative Lebensgemeinschaft unterstützt werden können,<br />
werden vorgeschlagen und damit eine Erweiterung des klassischen Familienbegriffs<br />
vorgenommen.<br />
9.4.2. Das Frauenbild der Österreichischen Volkspartei<br />
Auch hier zeigt sich historische Kontinuität in den Forderungen. Bildung steht schon<br />
bei der Bürgerlichen Frauenbewegung der Jahrhundertwende zum 20.Jahrhundert<br />
als eine der wesentlichsten Forderungen im Zentrum und stellt auch im aktuellen<br />
„Leitantrag Frauen.Zukunft.Österreich“ 59 der ÖVP - Frauenbewegung aus dem Jahr<br />
2006 eine zentrale Forderung dar. Mädchen und Frauen sollen in ihrer Aus- und<br />
59 Auszugsweise nachzulesen bzw. per Email zu bestellen unter www.frauenoffensive.at
64<br />
Weiterbildung gefördert und animiert werden, technische Berufe mit höheren<br />
Einkommenschancen zu wählen. Berufstätigkeit von Frauen gehört mittlerweile als<br />
fester Bestandteil zum christlich-konservativen Frauenbild der ÖVP – Frauen.<br />
Berufstätigkeit und die Vereinbarkeit von Beruf mit Familie waren jedoch nicht immer<br />
Programm der christlich-konservativen Frauen. Vor allem in den Jahren nach 1945<br />
stehen Mütterlichkeit und Familienarbeit im Zentrum des Frauenbildes. Frauen<br />
sollten die Resozialisierung ihrer Männer nach dem Krieg übernehmen und sich, so<br />
meint Lola Solar, eine der führenden ÖVP Politikerinnen, der ersten Nachkriegsjahre<br />
„...mit ihrer tiefen mütterlichen Verantwortung und Sorge um die Gesundung und das Leben<br />
des schwergeprüften Volkes (kümmern).“ (Rösslhumer/Appelt 2001: 104)<br />
Kinder, Küche, Kirche – die „drei K’s“, die schließlich von der Zweiten<br />
Frauenbewegung als abzulehnender Lebensentwurf kritisiert werden – stehen lange<br />
Zeit im Mittelpunkt dieses Frauenbildes. Mutterschutz, Unauflösbarkeit der Ehe zur<br />
Versorgung der Ehefrau und Mutter durch den Ehemann, Kampf gegen<br />
„familienzerstörende Tendenzen in Literatur, Film, Theater und Presse“<br />
(Rösslhumer/ Appelt 2001) etc. werden als Ziele der christlich-sozialen<br />
Frauenbewegung formuliert. Weibliche Berufstätigkeit wird als unfreiwilliger,<br />
wirtschaftlicher Zwang interpretiert. Die „Freiheit“ bei den Kindern bleiben zu können,<br />
sollte garantiert werden. Mit den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen<br />
Veränderungen der 60er und 70er Jahre ändert sich diese Auffassung. Erwerbstätige<br />
Frauen werden fester Bestandteil der gesellschaftlichen Realität, auch erwerbstätige,<br />
bürgerliche Frauen. Der damals entstandene Begriff der Wahlfreiheit – Beruf<br />
und/oder Mutterrolle – findet sich bis heute im frauenpolitischen Programm. Das<br />
neue Leitbild einer selbstständigen, selbstbewussten Frau setzt sich durch.<br />
Partnerschaftlichkeit soll das Geschlechterverhältnis bestimmen. In der Analyse des<br />
aktuellen Leitbildes finden sich Vorstellungen von Ansätzen aus dem in der<br />
feministisch-wissenschaftlichen Forschung mittlerweile als überholt geltendem<br />
Differenzansatz, der von einer grundsätzlichen Verschiedenheit der Geschlechter<br />
ausgeht und dem jeweiligen Geschlecht entsprechende, besondere Eigenschaften<br />
zuschreibt. Frauen werden hier „spezielle weibliche Fähigkeiten“ wie „Flexibilität,<br />
Ausdauer, Koordinationsfähigkeit, Intuition, soziale Kompetenz u.v.m“ 60<br />
60 Siehe unter www.frauenoffensive.at
65<br />
zugeschrieben. Andererseits werden ansatzweise die Debatten der 80er und 90er<br />
Jahre um die Verschiedenheit von Frauen und die Vielfalt weiblicher Lebensentwürfe<br />
aufgegriffen. Diese Vielfalt soll anerkannt werden. Welche Lebensentwürfe hier mitgemeint<br />
sind, wird nicht genauer ausgeführt. Homosexuelle Lebensformen oder<br />
Transgender werden hier nicht erwähnt. Explizit werden lediglich Anliegen der<br />
„Unternehmerinnen“, „Frauen mit Kindern im Berufsleben“, „Frauen im ländlichen<br />
Raum“ und „aktive Seniorinnen“ angesprochen. Der Begriff „Gleichheit“ wird<br />
verworfen und durch „Gleichwertigkeit“, „Gerechtigkeit durch gleiche Chancen“ und<br />
„Leistungsgerechtigkeit“ ersetzt. Um diese herzustellen werden flächendeckend<br />
Kinderbetreuungseinrichtungen gefordert, „Bewusstseinsbildende Initiativen und<br />
entsprechende Rahmengesetze durch die Politik, verpflichtende Karrieregespräche<br />
vor der Babypause, Wiedereinstiegsplanung und Weiterbildungsaktivitäten während<br />
der Kindererziehungszeiten(...)“ 61 vorgeschlagen. Um „einen Fuß in der Tür des<br />
Unternehmens zu lassen“ schlagen die ÖVP Frauen „Telearbeit von zu Hause“ vor.<br />
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich das Frauenbild der ÖVP Frauen<br />
um die berufstätige Frau und die Unternehmerin erweitert hat und damit das Thema<br />
„Vereinbarkeit von Beruf und Mutterschaft“ ebenfalls eine zentrale Rolle einnimmt.<br />
„Entscheidungsfreiheit“ und „Wahlfreiheit“ werden als frauenpolitische Ziele<br />
formuliert. Anleihen aus unterschiedlichen feministischen Theorieansätzen bzw.<br />
Debatten lassen sich erkennen, von denen einige jedoch im wissenschaftlichen<br />
Diskurs kritisch diskutiert bzw. als widerlegt angesehen werden.<br />
9.4.3. Das Frauenbild der Grünen Alternativen<br />
Vorab erscheint es notwendig festzuhalten, dass die Grüne Partei als relativ junge<br />
Partei der österreichischen, politischen Landschaft anzusehen ist. Entstanden aus<br />
den zahlreichen sozialen Bewegungen der 1970er und 80er Jahre<br />
(Frauenbewegung, Friedensbewegung, Dritte Welt Bewegung,<br />
Alternativschulbewegung, Anti-Atomenergiebewegung, Ökologiebewegung etc.) zieht<br />
die Partei 1986 erstmals in den Nationalrat ein. Von Anfang an ist „die<br />
Gleichberechtigung der Frau im Beruf, Politik und in der Gesellschaft“<br />
(Rösslhumer/Appelt 2001: 158) Teil ihres Wahlprogramms. Frauen sind schon in der<br />
61 „Frauen.Zukunft.Österreich“, Leitantrag der Österreichischen Frauenbewegung zum 19. o.<br />
Bundestag am 16. September 2006.
66<br />
Gründungsphase eine starke, politisch aktive Gruppe innerhalb der Partei.<br />
Dementsprechend sind Parteistrukturen entstanden, die nicht ausschließlich an den<br />
Bedürfnissen der männlichen Parteimitglieder orientiert sind. Besonders positive<br />
Wirkung zeigt die schon knapp nach der Gründung selbstauferlegte 50% Quote. So<br />
ist die Partei der Grünen Alternative die einzige parlamentarische Gruppierung mit<br />
einem konstanten Frauenanteil von über 50% 62 . Frauen verfügen parteiintern über<br />
eine starke Stimme, frauenpolitische Anliegen sind fester Bestandteil des<br />
Grundsatzprogramms. Unter der Überschrift „Frauenpolitik – Genderpolitik“ beginnen<br />
die frauenpolitischen Forderungen des Grünen Programms mit der Feststellung<br />
patriarchaler Herrschaftsstrukturen und der Zielformulierung:<br />
„Ziel Grüner Genderpolitik ist eine geschlechterdemokratische Gesellschaft, in der<br />
selbstbestimmtes Leben für alle Frauen und Männer ebenso wie feministisches Handeln<br />
Realität ist und bestehende geschlechtsspezifische Diskriminierungen, wie etwa Sexismus<br />
beseitigt.“ 63<br />
Frauenpolitik wird als Anti - Diskriminierungs- und Gleichstellungspolitik definiert.<br />
Neben Maßnahmen, die auch in anderen Konzepten zu finden sind, z.B. Bildung von<br />
Mädchen und Frauen, ergänzen Forderungen nach der Umsetzung des<br />
Frauenvolksbegehrens 64 , Quotenregelungen und damit verbundene „angemessene<br />
Sanktionen“ oder kritische Männerforschung und Männerpolitik mit den Zielen<br />
Überforderung der Männer durch die Alleinerhalterrolle oder schädliches Verhalten<br />
(Gewaltausübung, Alkoholismus etc.) abzubauen, den Forderungskatalog. Aktive<br />
Anti-Diskriminierungspolitik wird auch in Zusammenhang mit Homosexuellen,<br />
Transsexuellen und Transgender gefordert. Die Vielfalt von Lebens- und<br />
Beziehungsformen wird explizit angesprochen und mit politischen Forderungen<br />
verknüpft. Die Auseinandersetzung mit Gender Theorien und Queer Theory ist hier<br />
offensichtlich gegeben. Auffallend ist in diesem Zusammenhang auch der bewusste<br />
Einsatz der Begriffe „Selbstbestimmung“ und „Feminismus“. Wie schon erwähnt,<br />
kann Feminismus als Hindernis für politische Auseinandersetzung aufgrund negativer<br />
62 53% lt. Grüner Frauenbericht 2006<br />
63 Grünes Grundsatzprogramm beschlossen am 20. Bundeskongress der Grünen in Linz, 2001<br />
64<br />
Das Frauenvolksbegehren wurde 1997 abgehalten und von 644.977 Menschen unterzeichnet. Die<br />
Forderungen wurden bis heute nicht umgesetzt. Details siehe Anhang.
Konotierungen betrachtet werden oder als Programm gezielt eingesetzt werden.<br />
Zweites trifft hier zu.<br />
67<br />
9.4.4. Das Frauenbild der Freiheitlichen Partei<br />
Frauenpolitik bedeutet in der Geschichte des Frauenbildes der Freiheitlichen Partei<br />
vor allem Familienpolitik. Dementsprechend findet sich im freiheitlichen<br />
Parteiprogramm kein eigenes Kapitel, das frauenpolitische Themen oder<br />
Problemfelder des Geschlechterverhältnisses behandelt. Dem Bereich Familie wird<br />
unter dem Titel „Familie – Gemeinschaft der Generationen“ ein eigenes Kapitel<br />
gewidmet, welches sich ausschließlich auf das traditionelle Familienmodell bezieht<br />
und den Schutz der „Autonomie der Familie“ sowie Kindererziehung in den<br />
Vordergrund stellt. Andere Familienformen werden in diesem Programm nicht<br />
erwähnt. 65 Ebenso wenig wie Frauen und Männer als Akteur/innen in den Familien<br />
explizit erwähnt werden. Auf der Website der Initiative Freiheitliche Frauen finden<br />
sich frauenpolitischen Ansätze, die jedoch trotz der Formulierungen<br />
„partnerschaftliches Miteinander der Geschlechter und Generationen“ oder<br />
„selbstbestimmtes Leben von Frauen, das die Wahlfreiheit von Familie, Beruf oder<br />
beidem miteinander möglich macht“ Frauen hauptsächlich über Mutterschaft<br />
definieren. Forderungen wie „Grundsicherungsmodell für Mütter“ oder<br />
„Erziehungsgehalt“ veranschaulichen dies. Trotz Verwendung von Vokabular aus<br />
feministischen Kontexten (z.B. Selbstbestimmung) bleibt das freiheitliche Frauenbild<br />
an den klassischen Mütter- und Familienbildern orientiert. Neben traditionellen<br />
Mutterbildern (möglichst viele Kinder) findet sich seit der Zeit des schnellen Aufstiegs<br />
der Partei in den 90er Jahren auch das Bild der erfolgreichen, in die Partei<br />
quereinsteigende Karrierefrau.<br />
9.4.5. Das Frauenbild Bündnis Zukunft Österreich<br />
Im April 2005 spaltete sich die Freiheitliche Partei zum zweiten Mal. Aus dieser<br />
Spaltung heraus entsteht das Bündnis Zukunft Österreich unter Jörg Haider. Ein<br />
ausformuliertes frauenpolitisches Programm dieser neuen Partei scheint nicht<br />
65 Parteiprogramm der Freiheitlichen Partei Österreichs vom 27.ordentlichen Bundesparteitag in<br />
Salzburg, 2005
68<br />
vorzuliegen. Das Prospekt mit dem Titel „Politik für Frauen“ zählt schlagwortartig<br />
einige Themen und Lösungsansätze auf. Neben Forderungen wie „Gleicher Lohn für<br />
gleichwertige Arbeit“, „Bessere Beschäftigungschancen“ und „gut ausgebildete<br />
Frauen“ findet sich mit dem Ziel der Vermeidung von Frauenarmut die Forderung<br />
nach einer „ >Mütterpension< für alle Frauen, die älter als 60 Jahre sind, mindestens<br />
ein Kind großgezogen haben und keine eigene Pension haben.“ Auch hier dominiert<br />
die Thematik „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“. Auch hier werden Frauen<br />
werden hauptsächlich als Mütter oder potentielle Mütter angesprochen. Alternative<br />
Lebensentwürfe scheinen nicht auf.<br />
9.5. Zusammenfassung<br />
Forderungen der Zweiten Frauenbewegung, Erkenntnisse der feministischen<br />
Forschung, Gender Studies und Queer Theory finden in unterschiedlichster Form<br />
Eingang in die frauenpolitischen Programme der einzelnen Parteien. Die Bandbreite<br />
reicht von der floskelhaften Verwendung feministischer Formulierung aus<br />
frauenbewegten Zusammenhängen bis zu differenzierter Beschreibung einzelner<br />
Themenbereiche der Geschlechterforschung in Verbindung mit entsprechenden<br />
Lösungsansätzen und Forderungen. Das Themenfeld „Vereinbarkeit von Beruf und<br />
Familie“ wird in allen Programmen behandelt, in nahezu allen an zentraler Stelle. Das<br />
Frauenbild der einzelnen Parteien ist ebenso unterschiedlich und reicht von<br />
„ausschließlich an der Mutterrolle orientiert“ bis hin zu vielfältigen Lebensentwürfen,<br />
die lesbische, transsexuelle, transgender Lebensweisen mit einschließen. Inwieweit<br />
die Inhalte der jeweiligen Frauenprogramme parteiintern und bei Wählerinnen und<br />
Wählern bekannt sind, wäre durchaus von Interesse und könnte Inhalt zukünftiger<br />
Untersuchungen sein. Im Anschluss an diese ausführliche Analyse der Repräsentanz<br />
von Frauen, frauenpolitischen Ansätzen und Frauenbildern der einzelnen<br />
Parlamentsparteien stellt sich nun die Frage, wo und wie feministische<br />
Politikberatung ansetzen könnte bzw. ob feministische Politikberatung in der sehr<br />
österreich - spezifischen, politischen Landschaft überhaupt ein geeignetes Instrument<br />
zur Beförderung einer emanzipatorisch – feministischen Politik geeignet ist. In<br />
Annäherung an diese Form der Wissensvermittlung folgt in einem ersten Schritt eine<br />
Annäherung an den Begriff der Politikberatung.
69<br />
10. Politikberatung<br />
„Die moderne Gesellschaft erzeugt in einem hohen Maße das Phänomen der Beratung.<br />
Zumindest in den Kern- und Schlüsselzonen funktionaler Differenzierung wird kaum jemand<br />
den Beratungsfunktionen entkommen, die von Ernährungs- und Gesundheitsberatung über<br />
Klimakteriumsproblemberatung für Männer in den Endvierzigern, von Ehe- und<br />
Partnerschaftsberatung bis hin zu Unternehmens- und Politikberatung reichen und insofern<br />
längst reflexiv geworden ist, als die Beratung ihrerseits beraten werden kann durch eigens<br />
dafür installierte Beraterberatungen (...) Unter diesen Bedingungen lässt sich die moderne<br />
Gesellschaft, wenn man auf summarische Kennzeichnung Wert legt als<br />
Beratungsgesellschaft beschreiben.“ (Fuchs/ Mahler, Zit. in: Falk et al. 2006: 59)<br />
Die Welt der westlichen Industrie- und Informationsgesellschaft ist hochkomplex<br />
geworden. Es gibt keine einfachen Antworten, keine Eindeutigkeiten und vor allem<br />
keine dauerhaften Wahrheiten. Weder erklären ehemals klare Dichotomien von „Gut“<br />
und „Böse“, Westen und Osten, Kapitalismus versus Sozialismus die Welt der Politik,<br />
Frau und Mann, noch sind die wissenschaftlichen Wahrheiten unumstößlich. Es ist<br />
noch nicht alles erklärt und erforscht, alte Theorien müssen revidiert und neu<br />
interpretiert werden oder überhaupt neuen Ansätzen weichen. Neue Techniken und<br />
geopolitische Konstellationen, die vielkommentierte Globalisierung und die damit<br />
einhergehenden Veränderungen der Gesellschafts- und Arbeitsstrukturen lässt es<br />
notwendig erscheinen sich in den einzelnen Problemfeldern Rat und Beratung<br />
einzuholen.<br />
Beratungssituationen zwischen politischen Akteur/innen und Wissenschafter/innen<br />
erweisen sich jedoch selbst als komplex und vielschichtig. Peter Weingart bringt es<br />
zunächst mit der Formulierung auf den Punkt, es handle sich um eine<br />
„ (...) potentiell konfliktträchtige Machtkommunikation zwischen wahrheitsorientierten<br />
Experten und machtorientierten Entscheidern (...) “ (Weingart, Zit. in: Falk et al. 2006: 42)<br />
und beschreibt die<br />
„(...) unterschiedlichen institutionellen Konfigurationen der Politikberatung auf einem<br />
Kontinuum (...), das von hoher Autonomie der Berater am einen Ende, bis zu deren<br />
politischer Abhängigkeit am anderen Ende reicht.“ (ebd)
70<br />
Inhaltlich wird Politiker/innen einerseits vorgeworfen, sie seien beratungsresistent,<br />
andererseits wird kritisch kommentiert, sie würden keine politischen Haltungen<br />
vertreten, sondern nur mehr in „Sachzwangterminologien“ 66 verhaftet und<br />
Handlanger einer „Expertokratie“ sein. Die Kommunikation zwischen Expert/innen,<br />
Wissenschafter/innen und Politiker/innen zeigt sich dementsprechend kompliziert,<br />
ambivalent und ist geprägt von zu hohen Erwartungen mit den vorprogrammierten<br />
Enttäuschungen. Enttäuschungen, die häufig ihre Ursache in den widersprüchlichen<br />
Vorstellungen, die beide Teile – Wissenschaft und Politik – voneinander haben,<br />
finden. Die Tatsache, dass beide Bereiche unterschiedlichen Funktionslogiken folgen<br />
und dies den beteiligten Akteur/innen nicht immer bewusst ist, bezeichnet eine<br />
weitere Quelle für Kommunikationsschwierigkeiten. Im Folgenden werden einige<br />
Faktoren dieser verschiedenen Logiken mit ihren Auswirkungen auf die Praxis der<br />
Politikberatung sowie Ansätze der traditionellen Politikberatung erläutert.<br />
10.1. Problemfelder wissenschaftlicher Politikberatung<br />
„Unter wissenschaftlicher Beratung der Politik im weiteren Sinne kann man die Beratung<br />
durch Personen verstehen, die wissenschaftliche Methoden und Denkweisen anzuwenden<br />
verstehen (...) die hauptberuflich in der Forschung stehen und auf Grund (neuer)<br />
wissenschaftlicher Erkenntnisse politische Instanzen beraten.“ (Lompe, Zit. in: Falk et al.<br />
2006: 59)<br />
Was ist nun mit „wissenschaftlichen Methoden und Denkweisen“ gemeint, die diese<br />
Produktionsform von Wissen von anderen Entstehungsformen von Wissen und auch<br />
dessen Bewertung unterscheidet? Weingart führt hierzu vier Grundkategorien an, die<br />
wissenschaftlichem Wissen mehr Glaubwürdigkeit und höheres Ansehen<br />
verschaffen: Zunächst ist die Grundausbildung von Wissenschafter/innen jene<br />
Voraussetzung, die neben der Begründung ihres Status und der Zugehörigkeit zu<br />
wissenschaftlichen Institutionen auch die erforderlichen Grundlagen für<br />
wissenschaftliches Arbeiten vermittelt. Die formalen Ausbildungswege schließen mit<br />
den entsprechenden Zertifizierungen, die wiederum – wie Bourdieu es bezeichnet –<br />
66 Vgl. Wirtschafts– und Weltmarktmechanismen, die immer wieder als unveränderbarer Zwang<br />
präsentiert werden.
71<br />
„symbolisches Kapital“ 67 darstellen, ab. Durch „methodisch angeleitete Recherche<br />
und Forschung“ gelangen Forschende zu ihren Ergebnissen und Erkenntnissen, die<br />
schließlich durch „selbstbezügliche Qualitätssicherung“ (peer review) hinterfragt,<br />
überprüft, bestätigt oder verworfen werden. Wissenschaft und Forschung lebt<br />
demnach von Diskurs, offener Auseinandersetzung und gegenseitiger – positiver wie<br />
negativer - Kritik.<br />
„Es wird von Kommunikationsgemeinschaften entwickelt und getragen (...), deren Einfluss<br />
sich (...) aus der Kraft ihrer Argumente ergibt.“ (Weingart, Zit.in: Falk et al. 2006: 36)<br />
Entsprechend dieser Produktionsweisen und „Methoden der Wissenssicherung“ wird<br />
wissenschaftlich produziertem Wissen höhere Glaubwürdigkeit und Autorität zu<br />
geschrieben.<br />
Die Funktionslogik der Politik bezieht sich in demokratischen Systemen auf<br />
Mehrheitsverhältnisse und die damit einhergehende politische Legitimität. In seinem<br />
Politikanalyseansatz setzt Pierre Muller „ (...) politische Probleme nicht als gegeben<br />
voraus, sondern betrachtet sie als ein Konstrukt der Akteure, die das Verhältnis<br />
zwischen Politiksektor und Gesamtgesellschaft interpretieren und dabei<br />
möglicherweise die Notwendigkeit politischer Interventionen ableiten oder auch<br />
nicht.“ (Muller, Zit. in: Bothfeld 2005: 83 ). Bothfeld interpretiert:<br />
„Politische Probleme entstehen erst durch die Interpretation der gesellschaftlichen,<br />
politischen und ökonomischen Verhältnisse durch die politischen Akteure (...) Politische<br />
Probleme sind ohne diese Konstruktionsleistung nicht denkbar.“ (ebd)<br />
Was nun die Ziele die Politik in der Praxis angelangt, so können kurzfristige politische<br />
„sektorielle“ (ebd) Ziele in einzelnen Teilbereichen genannt werden bzw. das<br />
Idealziel des Gemeinwohls generell angeführt werden. Der Handlungsspielraum<br />
politischer Akteur/innen in der Umsetzung dieser Ziele ist durch die Struktur der<br />
politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse beschränkt<br />
(Mehrheitsverhältnisse, gesellschaftspolitische Legitimation bestimmter Themen,<br />
67 Das symbolische Kapital ist ein Begriff aus der Soziologie. Nach Pierre Bourdieu umfasst es u.a.<br />
folgende Merkmale: Es verleiht den Eigentümer/innen in engem und weitestem Sinne Reputation,<br />
Ehre und "soziale Macht", so dass sich Überschneidungen mit sozialem Kapital ( Sozialkapital )<br />
ergeben. Vgl. Bourdieu 1992
72<br />
Wirtschaftskrisen etc.). Auch das „soziale Beziehungsgeflecht“ wie Bothfeld es nennt,<br />
spielt eine wesentliche Rolle in den Entscheidungsprozessen von Politikerinnen.<br />
Wissen um bestimmte Problemfelder, und politische Interessen sind demnach<br />
„organisatorisch und analytisch nicht zu trennen“. (ebd) Strategien des „Agenda-<br />
Settings“, d.h. Aufmerksamkeit und Bewusstsein schaffen in der Bevölkerung für eine<br />
bestimmte Problemlage und die entsprechend angebotenen Problemlösungen,<br />
stehen häufig in enger Verbindung mit politischen Interessen bzw. in Abhängigkeit<br />
potentieller politischer Umsetzbarkeit. Wissenschaftliches Wissen kann in diesem<br />
komplexen Beziehungsgeflecht zu reiner Legitimationsbeschaffung für politische<br />
Interessen „verkommen“. Umgekehrt jedoch kann die Relativität des Wissens, die<br />
prinzipiell ständig vorhandene Widerlegbarkeit von Wissen auch zu<br />
Legitimitätsverlusten der politischen Akteur/innen führen. Einerseits vertrauen<br />
Politiker/innen und Bürger/innen dem „gesicherten Wissen“ der Wissenschaft<br />
andererseits erweist sich dasselbe Wissen immer wieder als unsicher.<br />
Wissenschaftliches Wissen ist demnach ebenso kontextgebunden, abhängig von den<br />
jeweiligen Fragestellungen der Akteur/innen wie politisches Wissen an der<br />
Schnittstelle zwischen Erkenntnis und Interesse. Weingart nennt dies die<br />
„relativistische bzw. konstruktivistischen Wende“ .“ (Weingart, Zit. in: Falk et al. 2006:<br />
39). Damit gehört auch diese Behauptung, wissenschaftliches Wissen würde<br />
Wahrheiten produzieren, der Vergangenheit an. Zusammenfassend gesprochen ist<br />
die Unsicherheit wissenschaftlichen Wissens, seine Kontextgebundenheit, die<br />
interpretative Flexibilität und nicht zuletzt das Wissen um Nichtwissen eine Quelle<br />
von Verunsicherung und neuen Ambivalenzen in der Kommunikation zwischen<br />
Politik und Wissenschaft. Wie kann dieser Verunsicherung in der Praxis der<br />
Politikberatung begegnet werden?<br />
10.2. Verschiedene Modelle der Politikberatung<br />
In der traditionellen Politikberatung gibt es mehrere Modelle mit unterschiedlichen<br />
Vorannahmen, was Form, Ziel und Bedeutung der Beratung anbelangt.<br />
Unterschieden werden hier technokratische, dezisionistische, pragmatistische und<br />
partizipatorische Modelle. Einige gelten als überholt, andere werden in Verbindung<br />
mit aktuellen Demokratietheorien in Verbindung gesetzt und weiter entwickelt.<br />
Technokratische und dezisionistische Politikmodelle gelten in vielen Bereichen der<br />
Politikberatung als überholt. Das technokratische Modell behauptet ein Primat der
73<br />
Forschung gegenüber der Politik, d.h. Forscher/innen und ihren Ergebnisse wird<br />
eher die Fähigkeit zugestanden, komplexe Probleme zu beschreiben, sie zu<br />
analysieren und Lösungen zu entwickeln, als Politiker/innen. Diese Vorrangstellung<br />
der Forschung, die noch in den 1960er und 70er Jahren vor allem in Bereichen neuer<br />
Technologien verstärkt zu beobachten war, ist mit der „konstruktivistischen Wende“<br />
der Wissenschaft in Frage gestellt. Die Behauptung eines Sachzwanges aus dem<br />
Bereich meist technisch-naturwissenschaftlicher Erkenntnisse, der die politischen<br />
Entscheidungen vorgibt, hat an Glaubwürdigkeit verloren - wenngleich hier in den<br />
letzten Jahren immer wieder in den Argumentationen der Interessensvertreter<br />
dominanter Wirtschaftszweige eine „Renaissance der Sachzwanglogiken“ zu<br />
beobachten ist 68 . Das dezisionistische Modell geht von einer klaren Trennung der<br />
Bereiche Wissenschaft und Politik aus und bezieht sich auf die Idee der Wertfreiheit<br />
von Wissen:<br />
„Orientiert an Max Webers Wissenschaftsideal der Wertfreiheit geht man davon aus, dass<br />
nur den Politikern die Kompetenz zu Werturteilen zugesprochen wird, nicht jedoch den<br />
Wissenschaftlern, die nur dazu beitragen können, die jeweiligen Ziele effizient zu erreichen.“<br />
(ebd)<br />
Wissenschaft wird in dieser Konstellation „ (...) zum Dienstleistungsgewerbe einer<br />
wie auch immer gearteten Politik“ ( Lompe, Zit.in: Falk et al. 2006: 29). Neben der<br />
behaupteten Wertfreiheit von Wissen lässt sich jedoch auch die angenommenen<br />
Linearität in der Entstehung der Entscheidungen: „Problemwahrnehmung –<br />
Expertenrat – politische Entscheidung“ (ebd) nicht mehr aufrecht erhalten. Aus dieser<br />
Erkenntnis heraus entsteht schließlich das pragmatistische Modell. 69 In einer<br />
Wechselbeziehung, die ständig von beiden Seiten kritisch reflektiert wird, entsteht<br />
eine Kommunikationsform der Beratung von Wissenschafter/innen im Diskurs mit<br />
den Politiker/innen über ihre Praxis und deren Notwendigkeiten. Im Idealfall lernen<br />
beide voneinander und „lehren einander“ in einem langfristigen Austausch. Das<br />
partizipatorische Modell weist mit seiner großen Anbindungsfähigkeit an<br />
68 Verallgemeinernde Formulierungen wie „ Die Wirtschaft kann sich höhere Löhne nicht leisten.“,<br />
lassen „die Wirtschaft“ undefiniert und rufen die Assoziation hervor, einer unveränderbaren Situation<br />
gegenüber zu stehen.<br />
69 Vgl. Habermas 1963, Lompe 1966/1972
74<br />
feministische, weite Politikbegriffe und deliberative Demokratiemodelle 70 eine weitere<br />
Komponente auf, die es für diese Arbeit relevant erscheinen lässt. Mit dem<br />
partizipatorischen Modell soll der Hierarchie zwischen Alltagswissen und<br />
wissenschaftlichem Wissen ebenso begegnet werden wie jener zwischen<br />
Wissenschaft, Politik und Bürger/innen. Ein möglichst hohes Maß an Beteiligung aller<br />
wird hier angestrebt mit dem Ziel, dass<br />
„ >wir alle< für politische Entscheidungen unter Unsicherheit verantwortlich (gemacht)<br />
werden: Wissenschaftler, Politiker und Laien gleichermaßen sind ,als Bürger' gefragt.“<br />
(Weingart, Zit. in: Falk et al. 2006: 43)<br />
Ergänzend hierzu Bettina Lösch:<br />
„Es bedarf einer sich in der Öffentlichkeit bewahrheitenden Vernunft, die zwar universell,<br />
allerdings nicht endgültig und absolut ist, sondern die Einsicht in die Revidierbarkeit von<br />
Entscheidungen aufgrund gemeinsamer Beratschlagung und besseren Wissens impliziert.“<br />
(Lösch, 2004: 69)<br />
Hier ist eine Anbindung an Konzepte feministischer Geschlechterforschung möglich.<br />
Nicht nur in der durch die Frauenbewegung praktizierten Aufwertung von<br />
Alltagswissen und Erfahrungswissen, sondern auch und vor allem in der Forderung<br />
nach Partizipation und Inklusion möglichst vieler Teile der Gesellschaft in politische<br />
Diskurse und Prozesse.<br />
„Diese stärkere Beteiligung der politischen Praxis an Forschung und Beratung setzt nicht nur<br />
am nachträglichen Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Praxis an, sondern<br />
70 Deliberative Demokratie: Deliberare heißt erwägen, abwägen, argumentativ einschätzen.<br />
Kennzeichnend für das Modell der deliberativen Demokratie sind neue Formen der Partizipation, bei<br />
denen nicht nur Teilnahme und Abstimmung stattfindet, sondern praktisch-politische Vernunft in<br />
Argumentationsprozessen betätigt wird. Politische Entscheidungsprozesse werden auf<br />
Argumentationsvorgänge umgestellt. Von den am Diskurs Beteiligten werden Begründungen<br />
gefordert, die zur Transparenz der politischen Absichten und zur Abwägung (Deliberation)<br />
verpflichten.: http://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/47558/ Universität Bielefeld 1999
ezieht die politisch Handelnden bereits bei der Konzeption des Forschungs- bzw.<br />
Beratungsdesigns ein.“ (Lepperhoff, Zit.in: Falk et al. 2006: 119)<br />
75<br />
Dieser Auffassung liegt die Überzeugung zu Grunde, dass<br />
„ (...) Politik nicht (geschieht), sondern von handelnden Akteurinnen gemacht (wird)“ (ebd)<br />
Exkurs: Das österreichische Gewaltschutzgesetz<br />
Ein einmaliges Beispiel für diese partizipatorische Vorgangsweise in<br />
frauenpolitischen Zusammenhängen findet sich in Österreich in der Entstehung des<br />
Gewaltschutzgesetzes. Im Anschluss an die von Frauenministerin Johanna Dohnal<br />
einberufene Enquete „Frauen und Recht“ im Justizministerium 1993 wurde einerseits<br />
eine interministerielle Arbeitsgruppe mit Fachfrauen aus verschiedenen Ressorts<br />
eingerichtet, andererseits wurden Expertinnen aus der Praxis hinzu gezogen.<br />
Sozialarbeiterinnen, Pädagoginnen, Psychotherapeutinnen und Juristinnen der<br />
Frauenhausbewegung lieferten ihre wertvollen Erfahrungen und Vorschläge aus der<br />
Praxis zum Schutz geschlagener und misshandelter Frauen und Kinder, die in ihren<br />
Frauenhäusern Zuflucht gesucht hatten. Bei dem auf diese Weise entstandenen<br />
Gesetz handelt es sich um eines der erfolgreichsten gesetzlichen Maßnahmen. Auch<br />
aufgrund der Tatsache von gleichzeitig initiierten exekutivrechtliche Reformen, die<br />
Polizist/innen mit erweiterten Handlungskompetenzen ausstatteten. Zudem wurden<br />
Schulungen von Exekutivbeamt/innen durch Mitarbeiter/innen der Frauenhäuser<br />
durchgeführt – mit dem Erfolg, dass die Opfer häuslicher Gewalt effektiv geschützt<br />
und unterstützt werden. Trotzdem die Entwicklung dieser gesetzlichen Grundlagen<br />
idealtypisch in partizipatorisch - deliberativem Sinne stattfinden konnte, trat das<br />
Gesetz nicht sofort in Kraft. Männliche Politiker verzögerten das Inkrafttreten des<br />
Gesetzes um zwei Jahre (statt 1994 erst 1996), damit – wie eine hochrangige Juristin<br />
kommentiert - „Gewalttäter sich orientieren können“: ein „unausgesprochener<br />
Männerkonsens“.
76<br />
11. Empirischer Teil: Methode und Forschungsverlauf<br />
Als Voraussetzung für die abschließende Annäherung an eine detaillierte Konzeption<br />
feministischer Beratungsinhalte stehen im Folgenden Auswertung und Interpretation<br />
der gewählten qualitativen Forschungsmethoden im Mittelpunkt. Entsprechend des<br />
sehr komplexen Politikfeldes wurde in Anlehnung an den Begriff der Triangulation<br />
nach Denzin (Zit. in. Flick, 2006: 330) eine Kombination aus mehreren Methoden<br />
gewählt. Die Entwicklung der Methodik bzw. der daraus entstandene<br />
Forschungsablauf lässt sich mit den folgenden Schritten nachzeichnen.<br />
11.1. Methodenwahl<br />
Ausgangspunkt war zunächst die eigene beruflichen Erfahrung im Bereich<br />
Wissensvermittlung, die von einer intensiven Auseinandersetzung bezüglich der<br />
Grenzen und Möglichkeiten in verschiedenen Vermittlungssituationen und<br />
angewandter methodischer Vielfalt in der beruflichen Praxis geprägt ist. Darin<br />
enthalten ist auch die regelmäßige theoretische und reflexive Auseinandersetzung<br />
mit der eigenen Tätigkeit. Wesentlich in diesem Zusammenhang waren zudem<br />
subjektive Beobachtungsergebnisse während verschiedenster Vermittlungsmethoden<br />
bezüglich des Umgangs der Teilnehmer/innen mit Begriffen wie Politik, Feminismus,<br />
Gender Studies, Gender Mainstreaming etc. In einem nächsten Schritt wurden die<br />
eigenen Erfahrungen und Beobachtungen während eines ausführlichen<br />
Literaturstudium zu den in der Thematik enthaltenen weiten Feldern Feminismus,<br />
Politik, Frauen in der Politik, Wissen und Beratung überprüft. Viele Erkenntnisse aus<br />
der persönlichen Arbeitspraxis konnten in den verschiedenen Theorien, v.a. in der<br />
Diskursanalyse von Sabine Hark zum Begriff „Feminismus“ wiedergefunden und<br />
bestätigt werden. Einer der ersten Schlüsse aus der Lektüre lautete: Es existieren<br />
einerseits vielfältige Annäherungsformen an die Begriffe „Feminismus“, „Politik“ und<br />
„Frauen- bzw. Geschlechterpolitik“, andererseits lässt sich bei allen Begriffen<br />
Mehrdimensionalität feststellen. Um den eigenen Wissensstand zu dieser ersten<br />
Erkenntnis auszuloten, wurden in der Folge Fragestellungen formuliert und die<br />
Begriffsfelder weiter eingegrenzt, um in einem weiteren Schritt mit konkreten Fragen<br />
an die Protagonistinnen des Feldes zur Überprüfung meiner Hypothese herantreten<br />
zu können.
77<br />
Die ersten Fragestellungen lauteten: Von welcher Definition von Feminismus wird im<br />
Zuge der Arbeit ausgegangen? Welcher Politikbegriff soll die Arbeit leiten? Welche<br />
Politikfelder werden in den Blick genommen? Welche (politischen) Akteurinnen<br />
könnten zur Klärung der Frage in Betracht gezogen werden? Entsprechend des<br />
schon erwähnten methodischen Ansatzes von Denzin der „Daten-Triangulation“<br />
habe ich die Entscheidung gefällt, die Untersuchung der in den Blick genommenen<br />
Phänomene „zu verschiedenen Zeitpunkten, an verschiedenen Orten“, mit<br />
„verschiedenen Personen“ (ebd) anzulegen. Dementsprechend wurde eine gezielte<br />
Auswahl der Personengruppen und „lokalen Settings“ für die Untersuchung getroffen,<br />
um „ (...) in Richtung der Anreicherung und Vervollständigung der Erkenntnis und der<br />
Überschreitung der >immer begrenzten< Einzelmethoden“ (Flick 2006: 331)<br />
möglichst vielfältige Perspektiven in den Erkenntnisprozess mit einbeziehen zu<br />
können. Als geeignete Methode der Datenerhebung wurden Expertinneninterviews in<br />
Betracht gezogen. Entsprechend der Ansätze von Meuser und Nagel (Meuser,<br />
Nagel, Zit. in Flick 2006: 139) sind die Befragten „ (...) weniger als >ganze< Person<br />
denn in seiner Eigenschaft als Repräsentant einer Gruppe (...) in die Untersuchung<br />
einbezogen.“ (ebd). Dementsprechend haben die Informationen, die „der Befragte<br />
>liefern< soll“ (ebd) einen anderen Umfang und dem Interviewleitfaden kommt eine<br />
„stärkere Steuerungsfunktion“ zu. Hinzu kommt, dass die/der Interviewer/in selbst<br />
aufgrund notwendiger Vorbereitungsarbeiten für die Erstellung des Leitfadens<br />
Fachkompetenz erwerben: „Die in der Entwicklung eines Leitfadens eingehende<br />
Arbeit schließt aus, dass sich der Forscher als inkompetenter Gesprächspartner<br />
darstellt (...)“ und „Die Orientierung an einem Leitfaden schließt aus, dass das<br />
Gespräch sich in Themen verliert, die nichts zur Sache tun, und erlaubt zugleich dem<br />
Experten, seine Sache und Sicht der Dinge zu extemporieren.“ (Meuser/ Nagel, Zit.<br />
in: Flick 2006: 140). Diese methodischen Überlegungen haben sich in der<br />
Umsetzung als äußerst hilfreich erwiesen. Unter den „Varianten des Misslingens“, die<br />
von Meuser und Nagel angeführt werden, konnte eine Variante besonders oft<br />
beobachtet werden: „Der Experte wechselt häufig die Rollen zwischen Experte und<br />
Privatmensch (...)“. (ebd) Dieser Wechsel konnte während der Durchführung der<br />
Interviews immer wieder beobachtet werden, wurde jedoch aufgrund des<br />
eingenommenen feministischen Standpunktes nicht als Misslingen interpretiert. Im<br />
Gegenteil: persönliches Erfahrungswissen ist hier ein nicht zu vernachlässigender<br />
Bestandteil des Expertinnentums der Interviewpartnerinnen. Nicht mit einbezogen<br />
wurden die subjektiven Eindrücke einer „teilnehmenden Beobachtung“ an
78<br />
Plenarsitzungen des österreichischen Nationalrats zur Budgetdebatte 2007 im<br />
Zeitraum zwischen 19.04. und 03.03.2007. Diese Methode wurde in Erwägung<br />
gezogen, um einen klareren Blick auf die Arbeitsfelder und -formen von Politikerinnen<br />
zu bekommen. Sowohl Zeitrahmen, als auch Ort erwiesen sich für dieses<br />
Erkenntnisziel als unzureichend. Die komplizierten Regeln und Abläufe<br />
parlamentarischer Debatten, die dazu schriftlich festgelegte Geschäftsordnung des<br />
Parlaments, Statistiken zu Redezeiten und Präsenz der Abgeordneten (differenziert<br />
nach weiblich und männlich), Diskursanalysen der Debattenbeiträge, Orte formeller<br />
und informeller politischer Entscheidungsprozesse etc. hätten bei ernsthafter<br />
Umsetzung mit einbezogen werden müssen. Unter diesen Aspekten stellte sich sehr<br />
bald die Erkenntnis ein, dass dies den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen<br />
würde, nichtsdestotrotz für weitere Forschungsvorhaben interessant bleiben kann.<br />
Trotzdem diese methodische Vorgangsweise verworfen wurde, konnte doch<br />
zumindest ein „atmosphärischer Eindruck“ parlamentarischer Arbeit gewonnen<br />
werden.<br />
11.2. Auswahl der Interviewpartnerinnen<br />
Als Expertinnen zu den erwähnten Feldern „Feminismus“, „Politik“, „Frauen- und<br />
Geschlechterpolitik“ wurden Parteipolitikerinnen ausgewählt. Die Definition und damit<br />
die Auswahl der Personen nach dem Kriterium „Frauenpolitikerin“ erfolgte unter den<br />
Aspekten, dass die betreffenden Personen Mitglieder einer der aktuell im<br />
österreichischen Parlament vertretenen Parteien sind, sich in ihrer politischen<br />
Tätigkeit schwerpunktmäßig mit Frauen- und Geschlechterthemen befassen<br />
und/oder eine entsprechende Position dazu in ihrer Partei einnehmen. Für die<br />
Auswahl der Interviewpartnerinnen war somit ihre klare innerparteiliche und/oder<br />
thematische Positionierung relevant. Die Auswahl war nicht von der subjektiven<br />
Zuschreibung frauenpolitischer Kompetenzen aufgrund des biologischen Frau-Seins<br />
beeinflusst. Bis auf die Vertreterinnen der Freiheitlichen Partei erklärten sich<br />
Politikerinnen aller momentan im Parlament vertretenen Parteien bereit, als<br />
frauenpolitische Expertinnen Auskunft zu geben. Das Alter der Interviewpartnerinnen<br />
beträgt zwischen 38 und 61 Jahren. Zwei weitere Interviews wurden mit Expertinnen<br />
des Themenbereiches Politikberatung geführt. Ausgewählt wurden hier zwei<br />
politikberatende Institutionen in Berlin mit ihren jeweiligen Expertinnen.<br />
Schwerpunktsetzung, Methodik und Arbeitsweise ihrer politikberatenden Tätigkeiten
79<br />
stellten sich als sehr unterschiedlich heraus und erweiterten die Erkenntnisse in<br />
Bezug auf praktische Erfahrungen feministisch orientierter Politikberatung. Ähnliche<br />
Institutionen konnten in Österreich nicht ausfindig gemacht werden. Die als<br />
vergleichbar in Betracht gezogenen Institute in Wien stellten sich zum Einen als<br />
Institut der sozialwissenschaftliche Auftragsforschung heraus, ohne Anspruch auf<br />
Politikberatung. Das zweite ausgewählte Institut distanzierte sich ebenfalls von<br />
diesem Aufgabenbereich und fokussiert seine Arbeit vor allem auf politische Bildung.<br />
Auf die Transkription dieser Interviews wurde demnach verzichtet, da sie sich als<br />
nicht relevant für die Forschungsfrage weder in ihrer Organisationsauffassung noch<br />
entsprechend ihrer Inhalte als Orte feministischer Politikberatung erwiesen. Die aus<br />
diesen Schritten heraus entwickelte, leitende Forschungsfrage sei an dieser Stelle<br />
nochmals in Erinnerung gerufen:<br />
Wie kann feministische Politikberatung konzipiert werden, um dem Ziel eines<br />
„feminist turn“ 71 näher zu kommen? D.h. feministisch orientierte<br />
Transformationsprozesse in politischen Feldern mittels <strong>Wissenstransfer</strong><br />
anzustoßen und zu fördern?<br />
Entsprechend dieser Fragestellung wurden zwei Interviewleitfäden 72 mit klaren<br />
Themenfeldern ( vgl. Flick 2006: 128) entwickelt. Der Interviewleitfaden für politische<br />
Akteurinnen enthielt folgenden Themenbereiche:<br />
1. Fragen zu Frauenpolitik<br />
2. Fragen zu Feminismus<br />
3. Fragen zu relevantem Wissen<br />
4. Fragen zu Politikberatung<br />
Der Interviewleitfaden für Expertinnen politikberatender Institute enthielt folgenden<br />
Themenbereiche:<br />
1. Fragen zu Politikberatung<br />
2. Fragen zu Feminismus<br />
3. Fragen zu <strong>Wissenstransfer</strong><br />
71 Nickel, Zit. in: Hark 2005: 76<br />
72 Vgl. Detaillierte Fragebögen im Anhang.
80<br />
Die Interviews mit den politikberatenden Expertinnen fanden im Zeitraum von 11.12.-<br />
15.12.2006 in Berlin in den Büros der jeweiligen Organisationen statt. 73 Die<br />
Interviews mit Politikerinnen fanden v.a. in der Zeit von 19.04. und 03.03.2007, meist<br />
in Pausen zwischen den Budgetdebatten im Nationalrat in den jeweiligen Parteibüros<br />
bzw. Nebenzimmern des Plenarsitzungssaales oder der Parlamentscafeteria statt.<br />
Der Zeitrahmen für die Interviews schwankte zwischen 25 Minuten und einer Stunde,<br />
elf Minuten. Bei den Interviewpartner/innen der Beratungsinstitutionen war die<br />
Bereitschaft zu einem einstündigen langem Interview höher als bei den<br />
Politikerinnen. Lange Vor- und Nachgespräche wurden neben den erklärenden,<br />
einführenden Worten nicht geführt. Mehrheitlich erwähnten die Politikerinnen ihren<br />
dichten Terminkalender und das sich daraus ergebende enge Zeitkorsett. Insgesamt<br />
wurden zehn Interviews durchgeführt, davon sechs Interviews mit Politikerinnen, zwei<br />
mit politikberatenden Institutionen, eines mit einem sozialwissenschaftlichen<br />
Auftragsforschungsinstitut. Ein weiteres Interview wurde mit einer Einrichtung für<br />
politische Bildung, 74 geführt. Die beiden letztgenannten Interviews wurden, wie<br />
bereits erwähnt, nicht transkribiert und in die Analyse mit einbezogen. Zwei<br />
Interviews konnte aufgrund von Terminschwierigkeiten nicht durchgeführt werden.<br />
Ein Interviewleitfaden wurden als Ersatz für das nicht zustande gekommene<br />
Interview schriftlich beantwortet und in die Analyse integriert. Die<br />
Pressesprecherinnen der zweiten Interviewpartnerin teilte über mehrer Tage hinweg<br />
mit, dass der Leitfaden zwar ausgefüllt, jedoch von der betreffenden Person noch<br />
nicht frei gegeben wurde. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Antworten nicht<br />
von der angefragten Person selbst stammen. Die Überlegung diese Vermutung auch<br />
bei dem erstem eingelangten, schriftlichen Leitfaden anzustellen und ihn daher<br />
unberücksichtigt zu lassen, wurde verworfen, angesichts der Tatsache, dass es sich<br />
hier um Vertreterinnen einer der großen Parlamentsparteien handelt und zumindest<br />
diese Aussagen im Sinne der Repräsentation möglichst vieler Parteien mit<br />
berücksichtigt werden sollte. Bei einem Interview konnte aufgrund technischer<br />
73 Die Teilnahme an einer Tagung zum Thema „Geschlechterpolitiken in der Europäischen Union“<br />
wurde damit verbunden.<br />
74 Erläuternd hierzu ein Auszug aus der Selbstdefinition der Organisation: „(...) Grundfragen der<br />
politischen Kultur und des politischen Systems Österreichs im europäischen Kontext,<br />
Demokratisierungsprozesse und ihre historische Entwicklung, aktuelle gesellschaftspolitische<br />
Debatten, die Mediengesellschaft (..) sowie die IT-Transformation und die Wissensgesellschaft“<br />
beschäftigt“
81<br />
Probleme nicht das gesamte Interview mit einem Aufnahmegerät (wie bei allen<br />
anderen, mit Einwilligung der Interviewpartnerinnen) aufgezeichnet werden. Die<br />
fehlende Aufnahme wurde durch handschriftliche Aufzeichnungen ersetzt.<br />
Anhand der im Leitfaden definierten thematischen Bereiche wurden die Interviews<br />
jeweils mit einer offenen Frage eingeleitet. Im Verlauf variieren je nach<br />
Interviewpartnerin die zusätzlich gestellten Verständnisfragen sowie<br />
Detailnachfragen zur Ausdifferenzierung der Aussagen. Zwischen den einzelnen<br />
Fragen wurden die getroffenen Aussagen von mir zusammengefasst , wiederholt und<br />
damit „zurück gespiegelt“. Konfrontationsfragen wurden nicht gestellt. Die Fragen<br />
lassen sich nach Flick (Flick 2006: 136) v.a. als theoriegeleitete,<br />
hypothesengerichtete Fragen definieren. Die Atmosphäre war in allen<br />
Interviewsitzungen wohlwollend und freundlich, meist geprägt von der Überraschung<br />
in mir keine junge Studentin vorzufinden. Bei einigen Interviewpartnerinnen war<br />
Verunsicherung spürbar – jedoch nur tendenziell - sobald in den Detailfragen meine<br />
bisherige intensive Beschäftigung mit feministischer Theorie spürbar wurde. Den<br />
Interviewverlauf hat das meiner Einschätzung nach nicht beeinträchtigt.<br />
Abschließend wurde den Interviewpartnerinnen nochmals die Anonymisierung ihrer<br />
Aussagen versichert. Die meisten zeigten reges Interesse an den Fragestellungen<br />
und den Ergebnissen dieser Arbeit.<br />
11.3. Transkription<br />
Die Interviews wurden eigenhändig transkribiert. Angesichts der stark<br />
theoriegeleiteten Fragen erwies sich dies als fruchtbar, da viele Fragen sehr<br />
spezifisch und mit den entsprechenden Formulierungen einer fachlichen<br />
Terminologie 75 beantwortet wurden. Nicht verbale Äußerungen und Sprechpausen<br />
wurden nicht transkribiert. Mit dem Ziel der „Handhabbarkeit“, „Lesbarkeit“ und<br />
„Interpretierbarkeit“ 76 wurde in Schriftdeutsch und Standardorthographie transkribiert.<br />
Unverständliche Textpassagen mit Klammerzeichen (...) markiert und ausgelassen.<br />
Kürzel der Codierung zum Zweck der Anonymisierung sind unmittelbar am Ende der<br />
jeweiligen Transkriptionen eingefügt.<br />
75 In diesem Sinne lassen sich die Antworten als tatsächliche Expertinnenaussagen einstufen.<br />
76 Vgl. Bruce, Zit. in: Flick 2006: 253
82<br />
Zur Auswertung wurde der Gesamttext unter dem Aspekt der Fragebeantwortung auf<br />
die aussagekräftigen Antworten reduziert. Parallel dazu erste persönliche<br />
Anmerkungen mit Blick auf Theorie und mögliche Interpretation der Aussagen. Im<br />
nächsten Schritt wurden die Antworten einander vergleichend gegenüber gestellt.<br />
Schließlich wurden die Aussagen entsprechend der zur Auswertung erstellten<br />
Kategorien beurteilt, in den Kontext der theoriegeleiteten Ansätze dieser Arbeit<br />
transferiert und interpretiert.<br />
11.4. Ergebnisse der empirischen Untersuchung<br />
Mit dem Ziel der besseren Lesbarkeit wird auf die Aufzählung der einzelnen, im<br />
Zwischenschritt der Analyse entwickelten Kategorien und Antworten verzichtet. Um<br />
eine ermüdende Aneinanderreihung der Interviewaussagen zu vermeiden, greife ich<br />
die wesentlichen Punkte der Ergebnisse heraus und hebe wesentliche Positionen<br />
hervor. Die Auswertung orientiert sich an den zentralen Themenstränge der<br />
Interviewleitfäden. Für die Interviews mit den politischen Akteurinnen sind dies die<br />
Kategorien Frauenpolitik, Feminismus, Wissen und Politikberatung. Für die<br />
Interviews mit den Politikberaterinnen werden die Ergebnisse in Form einer<br />
Zusammenschau präsentiert.<br />
11.4.1. Kategorie Frauenpolitik<br />
Gleichstellung von Frauen und Männern, Chancengleichheit, bessere<br />
Rahmenbedingungen für Frauen, eigenständige ökonomische Absicherung und der<br />
Abbau von Benachteiligungen werden als Ziele engagierter Frauenpolitik genannt.<br />
Die Akteurinnen verstehen sich dabei durchwegs als Vertreterinnen von Frauen<br />
generell. Die Heterogenität von Frauen als behauptete Gruppe wird jedoch nur von<br />
einer Interviewpartnerin dezidiert in den Blick genommen, (weil)<br />
„ (...) strukturelle Benachteiligungen für Frauen als Gruppe und individuelle<br />
Benachteiligungen einzelner Frauen oder Frauengruppen im Konkreten politisch<br />
Aufgabengebiet sein müssen.“ (I6: 8-10)<br />
Mit dieser Aussage werden die unterschiedlichen Ebenen der Diskriminierungen<br />
aufgrund einer Geschlechtszugehörigkeit angedeutet. Frauen können als Einzelne,
83<br />
als Gruppe „Frauen“ generell und als Gruppe mit mehreren gemeinsamen<br />
Eigenschaften, die zu Diskriminierungserfahrungen führen (z.B. Frau und Muslima),<br />
gesehen werden. Dieselbe Interviewpartnerin erwähnt ausdrücklich die Gruppe der<br />
Migrantinnen:<br />
„ (Ein Thema) (...) ist die Situation von Frauen mit nicht – österreichischem Hintergrund, vor<br />
allem dort, wo es besonders schlechte Lebenssituationen gibt. Das ist (...) die Situation von<br />
Migrantinnen (...), die ganzen Themenkomplexe geschlechtsspezifische Verfolgung bis hin<br />
zu Genitalverstümmelung und Frauenhandel, v.a. in der Prostitution.“ (I6: 28-33).<br />
Die Interviewpartnerin nennt zudem als Einzige förderpolitische Maßnahmen zur<br />
Unterstützung von NGOs als wichtigen Bestandteil ihrer frauenpolitischen Arbeit:<br />
„ (...) was leider dauernd notwendig ist, ist zu schauen, wie geht es der Autonomen<br />
Frauenbewegung, den NGOs, den Projekten in diesen Bereichen, die ich für unabdingbar<br />
und wichtig halte und die finanziell und strukturell ausgehungert, und immer wieder<br />
bürokratisch schikaniert werden.“ (I6: 34-37)<br />
Dieser Aussage lässt sich eindeutig ein weiter Politikbegriff entnehmen. 77 Im<br />
Gegensatz zur Differenziertheit dieser Aussagen, sprechen die übrigen Akteurinnen<br />
von den Frauen und erwähnen die politische und finanzielle Unterstützung für NGOs<br />
nicht, auch wenn sie sich auf diese Organisationen beziehen und sie als wertvolle<br />
Wissensquellen für politischen Austausch nennen. Als weitere Aufgabengebiete<br />
werden bei fünf von sechs Interviewpartnerinnen Bewusstseinsbildung genannt. Eine<br />
Politikerin bezeichnet Bewusstseinsbildung als eine der Voraussetzungen für reale<br />
Frauenpolitik:<br />
„Wenn ich ein Ziel überhaupt erreichen will und ich habe die Bewusstseinslage nicht<br />
aufbereitet, dann renne ich irgendwie in den Nebel.“ (I3: 36-37)<br />
Frauenpolitisches Agenda-Setting wird mit Bewusstseinbildung in enge Beziehung<br />
gesetzt. „ (...) im Vorfeld eine gesellschaftliche, eine politische Stimmung<br />
aufzubauen“ (I6: 69-70), meint eine Interviewpartnerin und beschreibt, wie lange es<br />
in Österreich gedauert hat, Bewusstsein und Sensibilität für ein Anti-Stalking-Gesetz<br />
77 Vgl. S. 50
84<br />
zu schaffen. Als überraschend stellte sich die klare Abgrenzung der Begriffe<br />
Frauenpolitik und Familienpolitik voneinander durch die Vertreterinnen der<br />
konservativen Partei heraus:<br />
„ (...) dass wir in die eigene Falle laufen ständig, sofort als zweiten Satz Familie nennen und<br />
Kinder und Betreuung usw.“ (I3: 22-24)<br />
In meinen Vorannahmen hätte ich den Exponentinnen dieser Partei eher eine<br />
unscharfe Trennung bzw. Gleichsetzung von Frau und Familie unterstellt. Eine<br />
dieser Politikerinnen erwähnt in diesem Zusammenhang, dass gewisse Themen nicht<br />
ohne Berücksichtigung von Männern abgehandelt werden können:<br />
„Da muss man zwar eine klare Grenze oder - klare Grenze wird man nicht ziehen können –<br />
man muss hier abgrenzen voneinander, aber sie sind nicht getrennt voneinander zu sehen.<br />
Es ist das Eine unmittelbar mit dem Anderen verbunden. Gleichstellung, gleicher Lohn für<br />
gleiche Arbeit wird nur dann möglich sein, wenn wir auch tatsächlich eine Väterbeteiligung in<br />
der Familienarbeit haben.“ (I5: 24-28)<br />
Im Gegensatz dazu vertritt eine andere Akteurin die Ansicht, als Frauenpolitikerin<br />
nicht immer die Männer „mitdenken“ zu wollen:<br />
„Ich habe eindeutig Schwerpunkt Frauen. Den Kopf der Männer zerbreche ich mir nicht. Ich<br />
bin keine der Feministinnen, die immer sagen, wir müssen uns den Kopf der Männer auch<br />
zerbrechen (...) wir müssen schauen, dass die Männer nicht allzu schlecht aussteigen. Die<br />
bin ich nicht. Die sind mir völlig wurscht. Ich bin eine Lobby für Frauen.“ (I2: 59-63)<br />
Abschließend ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass herrschaftskritische Aspekte<br />
von Frauenpolitik nur von einer Interviewpartnerin – ähnlich überraschend erneut aus<br />
dem konservativen Lager - erwähnt wurden:<br />
„Frauenpolitik ist ein Machtthema für mich. (...) Wie weit schauen wir, was wir haben wollen,<br />
was wir noch nicht haben, was uns zusteht, wie wir es haben wollen usw. Das ist ein<br />
Machtthema.“ (I3: 29-32)
85<br />
11.4.2. Kategorie Feminismus<br />
Keine der Interviewpartnerinnen distanzierte sich völlig vom Begriff Feminismus. Alle<br />
brachten den Begriff mit der Frauenbewegung 78 in Verbindung, nur vereinzelt wurde<br />
Feminismus auf den akademischen Bereich bezogen und die dort verorteten<br />
feministischen Ansätze als „Theorie zur praktischen Arbeit “ ( I5: 72) bezeichnet. Nur<br />
bei einer Befragten wurde Feminismus als eventuell veraltet bezeichnet. Sie<br />
ergänzte:<br />
„Vielleicht verwendet man auch eine andere Begrifflichkeit, um mehr Leute, mehr Männer ins<br />
Boot zu holen. Gerade Männer. Das ist meine Erfahrung. (Es sind Männer, die), mit dem<br />
Begriff Feminismus, oder „das ist eine Feministin“ sehr viele Abwehrhaltungen verbunden<br />
(haben).“ (I1: 76-79)<br />
Kaum bekannt waren die verschiedenen feministisch-theoretischen Zugänge.<br />
Lediglich von einer Interviewpartnerin wurden Namen wie Judith Butler und<br />
feministische Ansätze in Verbindung mit französischen Poststrukturalisten bzw.<br />
Queer Theory genannt. In ihrem „eigentlichen“ Beruf im universitären Umfeld tätig, ist<br />
dieses Wissen um feministische Theorie präsent, während bei den anderen<br />
Interviewpartnerinnen eher der Bezug zu Frauenbewegung im Vordergrund stand. In<br />
diesem Zusammenhang lässt sich festhalten, dass einst als radikal empfundenes<br />
Vokabular wie „Autonomie“ oder „Selbstbestimmung“ von allen Befragten<br />
unabhängig ihrer Parteizugehörigkeit mit größter Selbstverständlichkeit verwendet<br />
und als persönliche Ziele formuliert werden konnten. Feministische Begrifflichkeiten<br />
scheinen also bei Frauenpolitikerinnen über alle Parteigrenzen hinweg keine<br />
Abwehrhaltungen mehr hervorzurufen. Im Gegenteil: Feminismus wird als<br />
Bestandteil der eigenen Frauenpolitik im Sinne von Sensibilisierung,<br />
Bewusstseinsbildung und Stärkung von Frauen, aber auch als theoretische Wissensund<br />
Arbeitsgrundlage aufgefasst. Entsprechend der Aussage:<br />
„Der Überbegriff ist für mich die Autonomie, also sozusagen dieses selbstständige Denken,<br />
selbstständiges Handeln (...) dieses Sich-selbst-entwerfen-können.“ (I3: 48-51)<br />
78 Es ist anzunehmen, dass sich alle Interviewpartnerinnen auf die Zweite Frauenbewegung in den<br />
1970er und 1980er Jahren beziehen.
86<br />
bedeutet die Auseinandersetzung mit Feminismus offensichtlich auch ein Wirken der<br />
Ideen auf der Ebene der eigenen, emanzipatorischen Lebensentwürfe – über alle<br />
Parteigrenzen hinweg. Für eine Interviewpartnerin stellt Feminismus einen<br />
wesentlichen Bestandteil der persönlichen Identität dar:<br />
„Ich sehe mich als Feministin und auch als linke Feministin. Ich betone das auch immer, weil<br />
das für mich eine starke Identitätsfrage ist und ich meine politische Ansätze und Haltungen<br />
daraus ableite.“ (I2: 12-14)<br />
Aspekte einer Feminismus – Definition wie Feminismus als Analyseinstrument, als<br />
Herrschaftskritik, Forschungsmethode und –perspektive werden zudem von<br />
verschiedenen Interviewpartnerinnen angesprochen. In einer Aussage findet sich der<br />
Ansatz von Feminismus als Parameter für gesamtgesellschaftliche Entwicklungen<br />
wieder:<br />
„Die Beschreibung der Bemühungen, wie man dazu kommt, dass Frauen in allen<br />
Lebensbereichen und Lebensmöglichkeiten gleichgestellt sind und gleichzeitig schwingt aber<br />
auch in der Definition mit, ein gesamtemanzipatorischer Begriff betreffend die<br />
gesellschaftliche Weiterentwicklung. Also feministisch nicht nur: >so wie Männer – gleiche<br />
Rechte und Möglichkeiten und Chancen
87<br />
11.4.3. Kategorie Wissen<br />
Persönliches Erfahrungswissen, Wissen um Lebensformen verschiedener „Milieus“,<br />
Geschichten und Literatur, Studien der empirischen Sozialforschung, Frauen-,<br />
Sozial- und Familienberichte sowie statistische Daten und Fakten werden<br />
gleichberechtigt als erforderliche und mögliche Wissensquellen zur Umsetzung von<br />
Frauenpolitik genannt. Es wird in keinem der Interviews eine Hierarchisierung der<br />
unterschiedlichen Zugänge vorgenommen. Dass die Fokussierung auf nur ein<br />
Wissensfeld nicht zielführend ist, auch darin waren sich alle Politikerinnen einig.<br />
Möglichst viele Wissensquellen sollten verwendet werden. Dennoch zeigt sich ein<br />
deutlicher Schwerpunkt auf dem Gebiet des klassischen Instrumentariums von<br />
„Daten und Fakten“. Eine Interviewpartnerin moniert, es würden „wirklich fundierte<br />
Studien und Analysen konkret zu Auswirkungen bestimmter gesetzlicher<br />
Maßnahmen (fehlen).“ (I6: 149-150) Als Wissensproduzent/innen wurden neben<br />
Universitäten und wissenschaftlichen Instituten auch Expertinnen von Nicht-<br />
Regierungsorganisationen respektive Vertreterinnen von Frauenorganisationen<br />
genannt. Zweifel am Wahrheitsgehalt gewisser Daten bzw. die Kontextabhängigkeit<br />
von Wissen wurde lediglich von einer Politikerin angemerkt:<br />
„Ich brauche das Wissen um Daten, Statistiken und Fakten, ohne sie überbewerten zu<br />
wollen, weil man kann jede Statistik so drehen, wie man sie braucht.“ (I2: 119-120)<br />
Auch das Wissen über die Auseinandersetzung um die Interpretation von Daten führt<br />
sie in diesem Zusammenhang an:<br />
„Ich brauche das Wissen um die Debatte über diese Daten und Fakten in der Community/<br />
Netzwerk, die mir wichtig sind.“ (I2: 124-125)<br />
oder<br />
„Da bin ich sehr daran interessiert, in meine Arbeit, meine Lösungsvorschläge einfließen zu<br />
lassen, was gerade die aktuellen Debatten, Paper, Diskurse in der Community sind (...)“. (I2:<br />
128-130)<br />
Selbstkritisch wird an dieser Stelle auch die selektive Auswahl und Bewertung der<br />
Wissens- und Informationsinhalte kommentiert:
88<br />
„Wir bewerten Expertisen vom z.B. Institut für Familienforschung anders als von der<br />
Arbeiterkammer oder anderen Arbeitsmarktexpertinnen, wo wir wissen, wie sie sich verorten,<br />
wo wir wissen, wie ihr Hintergrund ist, wie feministisch der Zugang ist.“ (I2: 301-303)<br />
Und:<br />
„Da wird schon ganz bewusst (...) ungleich bewertet. Das gebe ich offen zu. Obwohl es<br />
wahrscheinlich total ungerecht ist, von einem objektiven, wissenschaftlichen Standpunkt, falls<br />
es den überhaupt gibt. Das gebe ich voll zu, dass wir schon die einen Meinungen öfter<br />
anschauen, wo wir von vorneherein glauben, dass sie unseren politischen Haltungen<br />
entsprechen.“ (I2: 304-309)<br />
Im Bewusstsein der eigenen Kontextbezogenheit wird hier der parteipolitische<br />
Umgang mit Information dargestellt. Es ist durchaus realistisch, anzunehmen, dass<br />
die Vertreterinnen der anderen Parteien ebenso mit Informationen und<br />
„Wissenspaketen“ umgehen, auch wenn sie dies nicht explizit erwähnen. Im<br />
Gegensatz zu eigenem Erfahrungswissen und kompakt präsentierten Studien wie<br />
Frauenberichte wird in Bezug auf wissenschaftliche Studien mehrmals der Wunsch,<br />
sich damit beschäftigen zu können, geäußert. Gleichzeitig wird jedoch bedauert,<br />
angesichts des ständigen Termindrucks und Zeitmangels darauf meist verzichten zu<br />
müssen. Die Auswahl der jeweiligen Informationen scheint ebenfalls schwierig.<br />
Einladungen von Wissenschafter/innen zur Präsentation ihrer Studien, ständig neue<br />
Daten, Fakten und Berichte lassen das Gefühl einer „Informationsflut“ oder wie es<br />
eine Interviewpartnerin formuliert einer „Vernewsletterung“ entstehen:<br />
„Ich habe z.B. das Gefühl ich werde überhäuft mit Newsletters. Das sind<br />
Wissenschaftssprecher, das sind (...) sämtliche wissenschaftliche Forschungsinstitutionen,<br />
(die) Newsletters, Veranstaltungen, Plattformen (machen). Ich kriege von den Verlagen<br />
Neuerscheinungen zugeschickt. Ich schicke selber Newsletters. Also das ist die<br />
„Vernewsletterung“ der Gesellschaft.“<br />
Um dieser Fülle an Information begegnen zu können, wurde von einer Akteurin<br />
vorgeschlagen:<br />
„ (...) synthetisieren. Also so eine Art von Zusammenschau-Leistung, Fazit, Simulationen, auf<br />
ganz bestimmte Perspektiven hin“ (I3: 315-316)
89<br />
11.4.4. Kategorie Politikberatung<br />
<strong>Wissenstransfer</strong> kann nach Aussagen der interviewten Politikerinnen auf vielfältigste<br />
Weise statt finden: Im Dialog mit persönlichen Netzwerken, Parteifreund/innen und<br />
Vertreter/innen eigener oder anderer Organisationen. In Seminaren, Schulungen,<br />
Gender Trainings, Mentoring-Programmen und Gender Lehrgängen an den<br />
Universitäten. Auch Plattformen und Diskussionsveranstaltungen werden erwähnt.<br />
Politikberatung als Instrument feministischen <strong>Wissenstransfer</strong>s kommt jedoch in<br />
diesen Aufzählungen nicht vor. Viele Interviewpartnerinnen fragen nach, was denn<br />
damit gemeint sei oder ob sie angesichts ihrer langjährigen Berufserfahrung selbst<br />
als Beraterinnen angesprochen seien. Einige Interviewpartnerinnen assoziieren<br />
Markt- und Meinungsforschungsinstrumente mit Politikberatung:<br />
„Politikberatung ist in meinem Verständnis üblicherweise das, wo strategische und<br />
marktforschungs- oder meinungsforschungsabgesicherte Inputs von mehr oder weniger<br />
kompetenten Experten - in selteneren Fällen Expertinnen - vor allem in Wahlkampfzeiten<br />
oder bei der Positionierung politischer Akteure und Akteurinnen beigezogen werden und hat<br />
im Regelfall zum Inhalt, wie bringe ich das Produkt – nämlich meine politische Idee an Mann<br />
oder Frau. Oder aber, wie platziere ich mich selbst bei Auftritten. Also die ganze<br />
Selbstvermarktungsgeschichte.“ (I6: 202-209)<br />
Sie ergänzt:<br />
„Bei den ganzen Consultants bin ich etwas zurückhaltend, weil die im Regelfall eher ja nur<br />
wiedergeben können, (...) was nachgefragt wird, d.h. sie produzieren im seltensten Fall<br />
eigenständig oder kombinieren zu etwas Eigenständigem, Neuem.“ (I6: 276-279)<br />
Eine Interviewpartnerin „riecht“ Lobbyismus hinter Politikberatung und stellt eine<br />
Reihe kritischer Fragen:<br />
„ (...) Es gibt für mich unabhängige Expertinnen/Experten nicht. (...) Wer ist denn schon<br />
unabhängig? Wer ist den schon unpolitisch? Wer ist denn schon ganz aus einem Netzwerk<br />
heraus gelöst, unabhängig und führt jetzt aus hehrem Altruismus ein politikberatendes<br />
Gespräch?“ (I2: 261-264)
Eine andere Interviewpartnerin unterscheidet klar zwischen Wissen und Entscheiden.<br />
Sie würde sich von einer Politikberatung erwarten<br />
90<br />
„ (...) dass sie voraus sind. Also sie sollen die Entscheidung nicht vorweg nehmen. Sie sollen<br />
die Entscheidung aufbereiten. Durch dieses Voraus-Sein. Das wäre schon ganz hilfreich.“<br />
(I3: 313-317)<br />
Durch die unklaren bzw. skeptischen Aussagen in Bezug auf den Begriff der<br />
Politikberatung wurde die Frage aufgeworfen: Warum haben österreichische<br />
Frauenpolitikerinnen kaum konkrete Vorstellungen von Politikberatung? Der folgende<br />
Exkurs erläutert dieses spezifisch österreichische Phänomen.<br />
Exkurs: Politikberatung auf österreichisch<br />
„Politikberatung (ist) in ihrer vielfältigen methodischen, theoretisch-konzeptionellen und<br />
institutionellen Ausprägung ein wesentliches Element des politischen<br />
>Problemverarbeitungsprozesses< in funktional differenzierten Gesellschaften, in denen<br />
Wissen eine elementare Voraussetzung für Steuerungsfähigkeit zukommt.“ (Abels/ Leitner,<br />
Zit. in: Femina Politica, 2/1997: 39-45)<br />
(Noch) nicht in Österreich. Das spezifisch österreichische System der<br />
Sozialpartnerschaft hat die Entwicklung eines freien und relativ unabhängigen<br />
Marktes für Politikberatung bisher verhindert. Auch wenn durch den Beitritt<br />
Österreichs zur Europäischen Union 1995 ein gewisser Kompetenzverlust 80 der<br />
sozialpartnerschaftlichen Gremien eingetreten ist, sich einige der traditionellen<br />
Sozialpartner (Gewerkschaften und Kammern) in der einen oder anderen<br />
Legitimationskrise 81 befinden und unter Mitgliederschwund leiden, fallen die<br />
wesentlichen Entscheidungen nach wie vor in den Beiräten und Institutionen dieser<br />
Organisationen: Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, Österreichischer<br />
Gewerkschaftsbund und Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammer. In<br />
diesen Gremien ist entsprechend der Zahlen aus den 1990er Jahren eine eklatante<br />
Unterrepräsentation von Frauen festzustellen 82 : Zwischen 1986 und 1990 waren in<br />
80 Vgl. Lederer/ Neugschwandtner, Zit. in: Rehfeld et al. 2006<br />
81 Vgl. ebd.<br />
82 Die Situation dürfte sich nicht wesentlich gebessert haben.
91<br />
den existierenden Beiräten, Kommissionen und beratenden Gremien der jeweiligen<br />
Ministerien nur 6,6% der Mitglieder dieser Gruppen Frauen. Im Österreichischen<br />
Gewerkschaftsbund sind nur knapp 7% der Vorstandsmitglieder weiblich, bei einem<br />
Frauenanteil von 30% bei den Gewerkschaftsmitgliedern. Ähnlich gering sind die<br />
Prozentzahlen in der Arbeiterkammer und lediglich 3% der 409 Funktionen in der<br />
Bundeswirtschaftskammer wurden mit Frauen besetzt. In der Landwirtschaftskammer<br />
waren die Männer überhaupt noch unter sich. 83 Auch wenn Lederer und<br />
Neugschwandtner die Ansicht vertreten, es könnte in den nächsten Jahren zu einer<br />
Veränderung der politischen Strukturen in Österreich kommen, zählen sie dennoch<br />
eine Reihe von Hindernissen auf, die eine „alternative, pluralistische<br />
Beratungsstruktur“ 84 behindern könnte:<br />
„Ressourcen für wissenschaftliche Politikberatung (werden) lediglich vom Staat und<br />
politischen Akteuren bereitgestellt, (...) die Mehrzahl der Gesetzgebungsprozesse findet (...)<br />
nach wie vor in kleinen, relativ geschlossenen Netzwerken aus Interessensvertretern, aus<br />
Experten, die einzelnen Interessen und Parteien zuordenbar sind und aus<br />
Beratungsgremien, proporzmäßig (d.h. durch alle Interessen beschickt sind) statt. (...) dabei<br />
kann es auch vorkommen, dass in manchen Gremien kein wissenschaftlicher Berater sitzt:<br />
(...) >Wir haben da keine Wissenschafter gebraucht, weil es um politische Entscheidungen<br />
gegangen ist< (...).“, so die Aussage eines Funktionärs. (Lederer, Neugschwandtner, Zit. in:<br />
Rehfeld et al. 2006: 577)<br />
Auch auf parlamentarischer Ebene gibt es durch die strenge Fraktionsdisziplin kaum<br />
eine Möglichkeit gegen die Parteilinie zu agieren. 85 Wissenschaftliche Expertisen<br />
werden laut einer Studie erst zuletzt konsultiert:<br />
„Politiker lassen sich demzufolge am häufigsten von Institutionen der Sozialpartnerschaft<br />
beraten, gefolgt von Fraktion, Unternehmen, Mitarbeitern, Kollegen und Medien. Erst an<br />
siebenter und letzter Stelle werden wissenschaftliche Institute genannt.“ (Hochegger, Zit. in:<br />
Rehfeld et al. 2006: 578)<br />
Die Interviewergebnisse dieser Arbeit bestätigen dies. Was Frauenagenden und<br />
feministische Politikberatung anbelangt,<br />
83 Vgl. Appelt: 1993 sowie Abels/ Leitner, Zit. in: Femina Politica, 2/1997: 39-45.<br />
84 Vgl. Lederer/ Neugschwandtner, Zit.in: Rehfeld et al. 2006<br />
85 Ein Faktum, das vor allem frauenpolitische Initiativen behindert.
92<br />
„ (kann) zusammenfassend (festgehalten werden), dass diese Formen institutionalisierter<br />
Politikberatung von feministischen Politologinnen sowohl als wichtiges Feld von<br />
Gleichstellungspolitik als auch als Anwendungsfeld für gleichstellungspolitische Analysen<br />
erst noch zu entdecken ist.“ (Abels/ Leitner, Zit. in: Femina Politica, 2/1997: 41)<br />
Das Feld unkonventioneller, respektive feministischer Politikberatung ist demnach in<br />
Österreich ein unbekanntes und zugleich neues. Eine Interviewpartnerin meinte<br />
dazu:<br />
„Man müsste erst einmal den Wunsch danach und den Bedarf schaffen.“ (I6: 221)<br />
11.4.5. Praxis feministischer Politikberatung<br />
Dieser Abschnitt behandelt die Auswertung der Interviews mit feministischen<br />
Politikberaterinnen. Die Kategorien des Interviewleitfadens Politikberatung,<br />
Feminismus und <strong>Wissenstransfer</strong> werden an dieser Stelle nicht in einzelnen<br />
Abschnitten, sondern in einer vergleichenden Zusammenschau abgebildet.<br />
Arbeitsweise und Struktur der ausgewählten Organisationen sind sehr<br />
unterschiedlich. Während ein Institut mit eingeschränkteren finanziellen und<br />
personellen Ressourcen arbeitet, ist die zweite Institution eingebettet in eine größere<br />
Organisation mit internationalen Kooperationspartner/innen. Strukturen und<br />
Arbeitsweisen sind dementsprechend unterschiedlich. Gendertrainings, feministische<br />
Beratungsarbeit in überschaubaren Settings mit verschiedensten Auftraggeber/innen<br />
sind v.a. die Betätigungsfelder der kleineren Institution (im Folgenenden P1 genannt).<br />
Expertisen und Gutachten gehören ebenso zu den Arbeitsbereichen wie<br />
mehrmonatige Projektbegleitungen. Die zweite größere Organisation (im Folgenden<br />
P2 genannt) organisiert Tagungen, Fachgespräche und sieht neben<br />
Öffentlichkeitsarbeit vor allem Politikberatung im Kontext „allgemeiner politischer<br />
Bildungsarbeit“ (IP 2: 10). Ein weiter Politikbegriff ist wesentliche Grundlage für die<br />
theoretischen und praktischen Zugangsweisen beider Institutionen. Die<br />
Interviewpartnerin von P1 führt konkret „ (...) Verwaltung und Politik oder auch<br />
andere Lobbygruppen, NGOs, Gewerkschaften, Bildungseinrichtungen, der ganze<br />
zivilgesellschaftliche Bereich (...)“ (IP1: 17-26) an. Ihren Politikbegriff definiert sie<br />
klar:
93<br />
„Ich will jetzt da keinen engen politischen Begriff anlegen im Sinne von Berufpolitikerinnen<br />
und Politiker, sondern natürlich der ganze Apparat (von) Verwaltung, Zivilgesellschaft,<br />
Lobbygruppen.“ (ebd)<br />
Feministische, politikberatende Arbeit gemeinsam mit diesen Gruppen versteht sie<br />
als Unterstützungsleistung in der Vorbereitung von Entscheidungen:<br />
„Beratung ist für mich Mal eine Wissensgrundlage zu schaffen, um zu besseren Ergebnissen<br />
und Entscheidungen zu kommen.“ (IP1: 18-19)<br />
Eine der wesentlichen Aufgaben feministischer Politikberatung besteht darin<br />
„ (...) dass eben wissenschaftliche Erkenntnisse so aufbereitet werden, dass Menschen, die<br />
das in Handlung umsetzen müssen, Verwaltung, Politik etc. (und) nutzbar machen können,<br />
(...) fundiertere Entscheidungen (...) treffen. Also eine wissenschaftlich fundierte Arbeit und<br />
der Transfer von komplexen und teilweise für andere Akteurinnen und Akteure<br />
undurchschaubares Wissen in die Praxis.“ (IP 1: 41-47)<br />
In der Organisation P2 findet die Vermittlung von Wissen weniger durch<br />
Politikberaterinnen selbst statt, sondern vielmehr durch Wissenschafter/innen und<br />
Politiker/innen, die zu Fachgesprächen eingeladen werden. In möglichst heterogen<br />
zusammengesetzten Gruppen kleinerer Teilöffentlichkeiten werden politische<br />
Diskurse geführt, die einerseits als Agenda – Setting bezeichnet werden können,<br />
andererseits eine Plattform für Wissensaustausch bilden. Trotz zahlreicher positiver<br />
Ergebnisse dieser Plattformen, v.a. im „Setzen“ feministischer Themen geht die<br />
Interviewpartnerin von einer gewissen Beratungsresistenz vieler Politiker/innen auch<br />
in diesen gezielt zusammengestellten Settings aus. Auf die Frage, wie sie die Rolle<br />
der Politikberatung einschätzt, antwortet sie:<br />
„Ganz ambivalent, (...) Vorstände, Vorsitzende, Parteifunktionäre, Abgeordnete, also wirklich<br />
Funktionsträger/ Funktionsträgerinnen der Parteien, (sind) (...) ein Stück weit<br />
beratungsresistent, muss man sagen. Das hat was mit diesem Alltagsgeschäft, in dem die<br />
stecken und das ja sehr fordernd ist, und es hat auch was damit zu tun, dass sie sich leider,<br />
viel zu wenig, finde ich, systematisch vertieft in die Dinge dann reinbegeben.“ (IP2: 40-46)
94<br />
Nicht nur Zeitmangel und fehlendes Vertiefen in relevante Themen werden an dieser<br />
Stelle als Grenzen feministischer Politikberatung gesehen, sondern auch die<br />
Selbstwahrnehmung von Politiker/innen als Expert/innen:<br />
„ (...) dass die Funktionsträger/ Funktionsträgerinnen (...) überall als Experten/Expertinnen<br />
eingeladen werden, die sitzen ja unheimlich viel auf Podien und machen quasi<br />
Bildungsarbeit, auch politische Agitation und glauben, sie wissen immer schon ganz viel zu<br />
diesen Themen.“ (IP 2: 46-51)<br />
Die Selbstwahrnehmung als Expertin im Politikfeld, d.h. als professionelle/r<br />
Politiker/in und zusätzlich als Angehörige/r eines Geschlechts mit den<br />
entsprechenden Alltags- und Lebenserfahrungen kann zu einem doppelten<br />
erkenntnisbehindernden Effekt führen. Das Bewusstsein darüber, dass dieses<br />
Erfahrungswissen nicht ausreicht, um emanzipatorische Geschlechterpolitik machen<br />
zu können und der Vielfalt weiblicher (und männlicher) Lebensentwürfe zu<br />
entsprechen, muss auch bei politischen Akteur/innen erst geschaffen werden. Aus<br />
diesem Grund muss „Raum für Reflexion und Selbstreflexion“ als wesentlicher<br />
Bestandteil feministischer Politikberatung betrachtet werden. Nicht zuletzt auch<br />
deshalb, weil es immer wieder starke Widerstände gegen feministische Erkenntnisse<br />
gibt. Wie schon mehrmals erläutert, ruft allein der Begriff „feministisch“ zahlreiche<br />
Widerstände hervor, „weil der Begriff „feministisch“ extrem negativ gelegt ist (...)“,<br />
kommentiert eine der Interviewpartnerinnen (IP1: 89). Statt dessen mit dem Begriff<br />
„Gender“ zu arbeiten, bringt ihrer Meinung nach einige strategische wie praktische<br />
Vorteile mit sich, u.a. auch im Sinne internationaler Vernetzungsarbeit und<br />
Kooperationen:<br />
„ Die Genderberatung hat ja den Vorteil, dass durch diesen neuen Begriff Gender durchaus<br />
feministische Inhalte (...) dann zu Tage kommen, aber mit einem anderen Wort belegt<br />
(werden), was weniger Widerstände hervorruft (...), deswegen auch andere Türen noch Mal<br />
öffnet. Und man sich auch im internationalen Diskurs (darauf) beziehen kann oder auch EU<br />
oder andere internationale Institutionen, die ja sehr viel mehr mit dem Wort Gender arbeiten<br />
als da feministisch draufschreiben.“ 86 (IP1: 93-99)<br />
86 Vgl. Hark 2005
95<br />
In der konkreten Beratungspraxis gelingt es dieser Interviewpartnerin sehr gut mit<br />
den verschiedensten persönlichen Widerständen konstruktiv umzugehen, auch wenn<br />
sie anmerkt, dass es durchaus Personen gibt, „ (...) die überzeuge ich schlicht und<br />
einfach nicht.“ (IP1: 309-310) Starke Widerstände verortet auch die zweite<br />
Interviewpartnerin:<br />
„Und zwar sicherlich gerade in Kreisen, die sich selber als gesellschaftspolitisch progressiv<br />
verstehen. Also dazu gehört sicherlich die linke Partei insgesamt (...) die gleichzeitig<br />
Bedeutungen von Geschlechterpolitiken nicht wirklich in ihre Themen zu integrieren<br />
verstehen.“ (IP2: 76-80)<br />
Als Erklärung werden männliche Organisationsstrukturen und die Infragestellung<br />
dieser Strukturen durch feministische Kritik angeführt:<br />
“Teilweise verstehen sie immer noch nicht, was damit gemeint ist und teilweise ist es auch,<br />
also das hat natürlich auch etwas mit Strukturen zu tun, wie Parteien funktionieren. Sehr von<br />
einer bestimmten Form von Männlichkeit oder Machtdenken bestimmt sind. Und damit<br />
werden ja auch Positionen in Frage gestellt immer wieder auch Geschlechterrollen in Frage<br />
gestellt, wie natürlich auch das gesamte System erst Mal funktioniert. Also sicherlich<br />
massiver Widerstand.“ (IP2: 80-85) 87<br />
Trotz dieser Widerstände und dem daraus resultierenden strategischen Umgang mit<br />
Begrifflichkeiten feministischer Zugänge verorten sich beide Interviewpartnerinnen<br />
sowohl in der Frauenbewegung als auch in feministisch-theoretischen Kontexten.<br />
Beide betonen die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit feministischtheoretischen<br />
Diskursen. In den konkreten Feminismus-Definitionen unterscheiden<br />
sich die Interviewpartnerinnen durchaus, jedoch ohne sich auf eine einzelne Richtung<br />
festlegen zu lassen. So beschreibt die Interviewpartnerin der Organisation P1 ihre<br />
Position mit den Worten:<br />
„Ich oszilliere zwischen dekonstruktivistischen Feminismus, der aber weiterhin Geschlecht<br />
als Strukturkategorie Ernst nehmen kann. Deswegen kann ich kein eindeutiges Labeling<br />
verpassen. Manche würden wahrscheinlich sagen, ich bin Postfeministin. Wobei ich dann<br />
Postfeministin nicht so verstanden haben möchte, dass (...) wir in einer nach-feministischen<br />
87 Vgl. I2: 313ff
96<br />
Ära leben, sondern postfeministisch (...) im Sinn einer erkenntnistheoretischen Bewegung,<br />
die dahinter steht, nämlich eine Hinterfragung von früheren feministischen Gewissheiten.“<br />
(IP1: 164-172)<br />
Die zweite Interviewpartnerin betont sowohl den Bewegungs- als auch den<br />
Veränderungscharakter des feministischen Begriffes:<br />
„Also den Feminismus gibt es für mich nicht. Feministische Ansätze sind für mich was, das<br />
ist eigentlich immer >Work in progressDoing Gender< nicht nur auf einer individuellen Ebene abläuft, sondern eben auch<br />
institutionell verankert ist (...) Und das hängt natürlich nicht nur von individuellen<br />
Verhaltensweisen ab, sondern das sind natürlich strukturpolitische Dinge, die dahinter<br />
stehen (...).“ (IP1: 200-217) 89<br />
88 Vgl. S.14: Hark 2005: 33<br />
89 Vg. Kap.5
97<br />
Beide Interviewpartnerinnen argumentieren im Sinne konstruktivistischen Denkens<br />
als Methode, um soziale, geschlechtspezifische Wirklichkeiten interpretieren und im<br />
Sinne der damit verbundenen Prozesshaftigkeit von Erkenntnisprozessen<br />
Veränderungen in Gang bringen zu können. Als notwendige Voraussetzung für diese<br />
Zugangsweisen und in der Umsetzung die Entwicklung vielfältiger Tätigkeitsbereiche<br />
nennt die Interviewpartnerin der Organisation P1:<br />
„Die wissenschaftliche Fundierung, im Sinn von (...) theoretische Debatten kennen, aber<br />
auch die fachlichen Inhalte jeweils kennen oder sich aneignen und dann diese ganze Frage<br />
von Vermittlung, pädagogische Kompetenzen, die Palette von didaktischen Instrumenten<br />
auch zu haben und adäquat einzusetzen.“ (IP1: 422-431)<br />
Wissenschaftliche Fundierung und sorgfältiger Umgang mit Zielformulierungen<br />
empfiehlt auch die zweite Interviewpartnerin, die sie mit „emanzipativ, progressiv und<br />
zukunftsweisend im Bereich Feminismus“ umschreibt. Für die Praxis empfiehlt diese<br />
Interviewpartnerin u.a. auch die Methode der gezielten Provokation, um Themen „zu<br />
setzen“ und „Stachel im Fleisch“ zu sein (IP2: 348):<br />
„Also auch eine Provokation zu starten und dann auch gleichzeitig zu wissen, da können wir<br />
auch provozieren und es kann auch ankommen. Das gehört ja auch dazu. Und das setzt<br />
auch voraus zu wissen: was provoziere ich damit.“ (IP2: 348-351). 90<br />
Zusammenfassend sind bei beiden Institutionen trotz ihrer unterschiedlichen<br />
Arbeitsweisen ein weiter Politikbegriff sowie differenzierte, mitunter strategisch<br />
gesetzte Feminismus- und Genderbegriffe festzustellen. Beide zeichnet ein hoher<br />
Grad an Reflexivität, Professionalität und feministischem Engagement auf<br />
unterschiedlichen Ebenen aus, sei es in Form von „Mikropraktiken, die schon<br />
politisch sind“ (IP1: 459) oder mittels Durchsetzung frauenpolitischer Aspekte bei<br />
UN-Resolutionen. Methodenvielfalt und die Genauigkeit im Umgang mit Theorie und<br />
Praxis sind Grundlage beider feministisch-professionell arbeitender<br />
Politikberaterinnen.<br />
90 Anm. u.p.: Agenda Setting durch Provokation wird von keiner der im Rahmen dieser Arbeit<br />
interviewten Frauenpolitikerinnen in Betracht gezogen.
98<br />
12. Beantwortung der Forschungsfrage und Schluss<br />
Die eingangs formulierte These, Politikerinnen bräuchten dringend feministischwissenschaftliches<br />
Beratung kann derart allgemein formuliert nicht gehalten werden.<br />
Die Differenzierung der Begrifflichkeiten „Politik“, „Frauenpolitik“, „Feminismus“ und<br />
„Politikberatung“ im Zuge dieser Arbeit führen zu der Erkenntnis, dass die<br />
Vielschichtigkeit der Begriffe in der praktischen Umsetzung berücksichtigt werden<br />
muss. Ebenso wie die Vielfalt der politischen Akteurinnen in den Blick genommen<br />
werden sollte. Die feministische Politikberatung gibt es demnach nicht, ebenso wenig<br />
wie die Frauenpolitikerin existiert oder der Feminismus. Die Analyse der<br />
Frauenprogramme der jeweiligen Parteien und die Auswertung der Interviews mit<br />
den politischen Akteurinnen ergeben, dass feministisches Theoriewissen<br />
ansatzweise bei allen Politikerinnen vorhanden ist und einige feministische Ansätze<br />
mittlerweile Teil des politischen Mainstreams geworden sind. Politische Akteurinnen,<br />
die selbst in universitären Zusammenhängen verankert sind bzw. den Kontakt zu<br />
wissenschaftlichen Netzwerke pflegen, verfügen über fundierteres feministisches<br />
Wissen als jene deren Arbeitsbereich vor allem von der politischen Praxis mit der<br />
entsprechenden Funktionslogik geprägt ist. In einigen Programmen und Aussagen ist<br />
der aktuelle Stand der universitär-feministischen Debatte lediglich ansatzweise<br />
vorhanden, in anderen wiederum zentraler Bestandteil der politischen Analyse und<br />
Strategieentwicklung. Die Wissensstände bzw. der Grad an Informiertheit der<br />
jeweiligen politischen Akteurinnen variieren stark, auch innerhalb ein und derselben<br />
Partei. Diese Beobachtung bezieht sich sowohl auf das grundsätzliche Interesse als<br />
auch auf die Themenbereiche und Theorierichtungen. Bereitschaft, sich mit diesem<br />
Wissen zu beschäftigen und die Einschätzung, welche Wissensbereiche für die<br />
eigene politische Tätigkeit nutzbar gemacht werden könnte, sind unterschiedlich. Um<br />
beurteilen zu können, welcher aktuelle Diskurs politisch umsetzbar werden könnte,<br />
bedarf es des Wissens darum. In welcher Form die Vermittlung dieses Wissens statt<br />
finden kann und soll, darüber gibt es auf Seiten der Akteurinnen nur unklare<br />
Vorstellungen. Klare Definitionen von und Erfahrung mit Politikberatung existieren bei<br />
den Frauenpolitikerinnen nicht. Die Erklärung hierfür liegt in der spezifisch<br />
österreichischen Struktur des politischen Systems, welches trotz einiger<br />
Veränderungen und Akzeptanzverluste, nach wie vor auf Basis der Entscheidungen<br />
der sozialpartnerschaftlichen Gremien funktioniert und die Etablierung unabhängiger<br />
Politikberatung bisher nicht als notwendig erscheinen ließ bzw. eine
99<br />
Institutionalisierung externer Expert/innen verhindert hat. Entsprechend dieser<br />
Erkenntnis muss der Bedarf externer 91 Politikberatung durch feministische<br />
Expert/innen erst geschaffen werden. Dass Bedarf an individuell aufbereitetem,<br />
vielfältigem und aktuellem feministischen Wissen vorhanden ist, steht am Ende<br />
dieser Analyse außer Zweifel. Dafür sprechen die Zahlen der Unterrepräsentation der<br />
Frauen in den Entscheidungsgremien des Staates ebenso wie die Aussagen der<br />
politischen Akteurinnen. Aber auch das durch die Frauenbewegung initiierte und<br />
mittlerweile bei allen Frauenpolitikerinnen vorhandene feministische Bewusstsein. An<br />
dieser Stelle sind feministisch-politische Denkweisen, Strategien und<br />
Handlungsmodelle integrierbar. Das persönliche wie berufliche Erfahrungswissen,<br />
feministisches Grundverständnis in unterschiedlichster Ausprägung und vor allem die<br />
prinzipielle Bereitschaft frauenpolitische Initiativen mit den Zielen Gleichstellung und<br />
Selbstbestimmung zu setzen, sind über alle Parteigrenzen hinweg festzustellen und<br />
können damit als Anknüpfungspunkt und Ausgangsbasis für feministische<br />
Wissensvermittlung gesehen werden. In der Umsetzung kann feministische<br />
Politikberatung nur offenes Aushandeln der jeweiligen Bedürfnisse und Interessen<br />
bedeuten. Die sich daraus entwickelnden Handlungsfelder und –möglichkeiten<br />
können vielfältig sein: Feministische Politikberatung kann Anregungen bieten, das<br />
Geschlechterverhältnis über konventionelle Sichtweisen hinaus dekonstruktivistisch<br />
zu denken, kann Initiativen und Themen setzen, kontroversielle Diskussionen und<br />
Diskurse in Gang bringen, (auch mit gezielt gesetzter Provokation), den Austausch<br />
darüber in verschieden zusammengeführten Settings initiieren. Bisher nicht<br />
berücksichtigte Faktoren oder Material zu konkreten Themenbereichen kompakt<br />
und/oder kritisch aufarbeiten, um unter Umständen auch unorthodoxe Empfehlungen<br />
abzugeben – unorthodox im Sinne von widerständig-kritisch. Kaum eine<br />
Frauenpolitikerin äußerte sich kämpferisch in Richtung Männer, womit eine starke<br />
Konsensorientierung festzustellen ist. Direkte, schärfere Kritik an Männern und/ oder<br />
an Parteikollegen, die wesentlich verantwortlich für die Benachteiligung von<br />
Frauenpolitikerinnen innerhalb der parteipolitischen und parlamentarischen<br />
Strukturen sind bzw. regelmäßig wichtige feministische Anlegen bremsen oder<br />
verhindern, wurde kaum geleistet. Feministische Politikberatung kann und soll nicht<br />
nur unkonventionelle Lösungsvorschläge entwickeln, sondern auch Anregung zu<br />
91 Anm.u.p: Mit „extern“ ist hier „außerhalb der partnerschaftlichen Gremien“ gemeint.
100<br />
dissidenter Partizipation 92 in den eigenen politischen Kreisen und den etablierten<br />
Strukturen zu pflegen. Vorraussetzung hierfür ist allerdings Organisationskompetenz<br />
auf Seiten der Beratenden, d.h. Wissen über die Funktionsweisen politischer<br />
Parteien oder Gremien, in denen Frauenpolitikerinnen verankert sind. Damit ist eine<br />
weitere Voraussetzung für erfolgreiche feministische Politikberatung angeführt.<br />
Neben einem bewussten Umgang mit den unterschiedlichen Funktionslogiken von<br />
Politik und Wissenschaft ist feministisch-theoretisch gut fundiertes Wissen<br />
Voraussetzung. In der praktischen Umsetzung ist die souveräne Handhabung<br />
modernen Methoden der Wissensvermittlung, die partizipatorisches,<br />
prozessorientiertes, gleichberechtigtes Miteinander in den Mittelpunkt stellen und die<br />
Wechselseitigkeit des Lernprozesses betonen, eine wesentliche Arbeitsgrundlage.<br />
Der persönliche Bezug, die Möglichkeit zur Anbindung an die eigenen Lebens- und<br />
Berufserfahrungen muss darin gewährleistet sein, nur so ist „politisches Lernen“<br />
möglich. 93 Feministische Politikberatung lässt sich als normativ im Sinne klar<br />
definierter Ziele, die erreicht werden sollen, bezeichnen und erhebt in keinem Fall<br />
den Anspruch scheinbarer oder versuchter Neutralität. Differenziert denken, mehr als<br />
eine Position in den Blick nehmen, auf Vereinfachungen verzichten, möglichst viele<br />
Aspekte und handelnde Personen mit einbeziehen, aktiv partizipieren lassen und<br />
Lösungen gemeinsam aushandeln - darin liegt meiner Ansicht nach die Chance zur<br />
Veränderung im Sinne einer friedlichen, geschlechtersensiblen Demokratisierung der<br />
Gesellschaften. Eine Garantie gegen Beliebigkeit der Konzepte ist das hohe Maß an<br />
kritischer Selbstreflexion der feministischen Denkweisen. Neudefinitionen sind<br />
gefragt und möglich. An diesen Neudefinitionen gemeinsam mit den politischen<br />
Akteurinnen arbeiten, ist eine weitere Aufgabe feministischer Politikberatung. Die<br />
Hürden in der Vermittlung zwischen Wissenschaft und Politik lassen sich<br />
überwinden, wenn die Systemzwängen, denen die „zu Beratenden“ ausgesetzt sind,<br />
kritisch-reflexiv in gegenseitigem Austausch und in klarer Kontroverse darüber, wie<br />
damit umgegangen werden könnte, berücksichtigt werden. Daran entscheidet sich<br />
nicht zuletzt auch wie feministisch-politische Empfehlungen inhaltlich gestaltet sind<br />
und ob diese Empfehlungen überhaupt realisierbar sind.<br />
Abschließend und zusammenfassend lässt sich festhalten: Es gibt zahlreiche<br />
Argumente und Motive, um feministische Politikberatung in Österreich anzudenken,<br />
92 Vgl. Hark: 2005<br />
93 Vgl. Bothfeld: 2005
101<br />
zu konzipieren und zu institutionalisieren. Auch wenn diese Form der Politikberatung<br />
in Österreich noch nicht einmal am Anfang ist, plädiere ich in meiner Auffassung von<br />
politischem Handeln und im Sinne Hannah Arendts dafür das Neue zu beginnen:<br />
„Was den Menschen zu einem politischen Wesen macht, ist seine Fähigkeit zu<br />
handeln; sie befähigt ihn, sich mit seinesgleichen zusammenzutun, gemeinsame<br />
Sache mit ihnen zu machen, sich Ziele zu setzen und Unternehmungen zuzuwenden,<br />
die ihm nie in den Sinne hätten kommen können, wäre ihm nicht diese Gabe zuteil<br />
geworden: „ etwas Neues beginnen (...)“. (Arendt, Zit. in: Breier 2001: 47)
102<br />
13. Anhang<br />
13.1. Interviewleitfaden für politische Akteurinnen<br />
Fragen zu Frauenpolitik<br />
Wie definieren Sie die Aufgaben von Frauenpolitik?<br />
Welches Ziel sollte Ihrer Meinung nach Frauenpolitik verfolgen?<br />
Fragen zu Feminismus<br />
Wie definieren Sie Feminismus?<br />
Welche Bedeutung haben feministische Inhalte für Ihre frauenpolitische Arbeit?<br />
Fragen zu relevantem Wissen<br />
Welches Wissen brauchen Sie, um Frauenpolitik betreiben zu können?<br />
Welche Inhalte der Geschlechterforschung brauche Ihrer Meinung nach politische<br />
Akteur/innen, um im Sinne einer fortschrittlichen Gender-Politik agieren zu können?<br />
Wer soll Ihrer Meinung nach frauenpolitisch relevantes Wissen produzieren?<br />
(NGOs, Universitäten, Unabhängige Institute etc.)<br />
Fragen zur Politikberatung<br />
Welche Methoden der Vermittlung würden Sie bevorzugen?<br />
(Tagungen, Workshops, Briefings, Gender Trainings etc.)<br />
Was würden Sie von einer geschlechtersensiblen Politikberatung erwarten?<br />
13.2. Interviewleitfaden Politikberatung<br />
Fragen zu Politikberatung<br />
Wie definieren Sie Politikberatung?<br />
Wie schätzen Sie die Rolle bzw. Funktion der Politikberatung ein?<br />
Wo sehen Sie die Grenzen der Politikberatung?
103<br />
Fragen zu Feminismus<br />
Wie definieren Sie Feminismus?<br />
Inwieweit sind Ihrer Meinung nach feministische Erkenntnisse in der heutigen<br />
Politikberatungspraxis relevant?<br />
Welche Inhalte der feministischen Forschung brauchen Ihrer Meinung nach politische<br />
Akteur/innen , im Sinne einer fortschrittlichen Gender-Politik agieren zu können?<br />
Fragen zu <strong>Wissenstransfer</strong><br />
Wie kann feministisches Wissen Ihrer Erfahrung nach an politische Akteur/innen<br />
weitergegeben werden?<br />
Wie gestaltet Ihre Organisation/ wie gestalten Sie diesen <strong>Wissenstransfer</strong>?<br />
Worauf kommt es Ihnen dabei besonders an?<br />
Welche Methode der Wissensvermittlung halten Sie für den Zweck des Transfers von<br />
feministischem Wissen für am besten geeignet?<br />
Wo sind Ihrer Erfahrung nach die Grenzen dieser Vermittlung?<br />
13.3. Interviews Frauenpolitikerinnen<br />
I 1: Politikerin der Partei Bündnis Zukunft Österreich vom 25.04.07<br />
I 2: Politikerin der Grünen Partei vom 19.04.07<br />
I 3: Politikerin der Österreichischen Volkspartei vom 27.04.07<br />
I 4: Politikerin der Sozialdemokratischen Partei, schriftlich beantwortet am 9.Mai 2007<br />
I 5: Politikerin der Österreichischen Volkspartei 25.04.07<br />
I 6: Politikerin der Grünen Partei vom 03.05.07<br />
IP 1: Politikberaterin aus Berlin vom 14.12.07<br />
IP 2: Politikberaterin aus Berlin vom 14.12.07<br />
13.4. Abkürzungen<br />
I<br />
Interview<br />
IP Interview Politikberatung<br />
u.p. Unger Petra
104<br />
13.5. Tabellenverzeichnis<br />
Tabelle 1 :Die schrittweise Einführung des Wahlrechtes für Frauen ___________ 33<br />
Tabelle 2 : Frauenanteil im Nationalrat __________________________________ 37<br />
Tabelle 3 : Frauen in politischen Funktionen ______________________________ 39<br />
13.6. Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 1 : Verknüpfte Kategorie _____________________________________ 41<br />
Abbildung 2 : Aspekte eines Politikbegriffs _______________________________ 45
105<br />
13.7. Frauenvolksbegehren<br />
Volksbegehren 94<br />
Frauen – Volksbegehren<br />
Die UnterzeichnerInnen des Frauen – Volksbegehrens fordern den Beschluss folgender<br />
bundesgesetzlicher Maßnahmen:<br />
Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist im Bundes-Verfassungsgesetz zu<br />
verankern. Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) verpflichtet sich<br />
damit zum aktiven, umfassenden Abbau der Benachteiligungen von Frauen.<br />
Die tatsächliche Gleichberechtigung ist insbesondere durch folgende gesetzliche<br />
Maßnahmen herzustellen:<br />
1. Unternehmen erhalten Förderungen und öffentliche Aufträge nur, wenn sie<br />
dafür sorgen, daß Frauen auf allen hierarchischen Ebenen entsprechend<br />
ihrem Anteil an der Bevölkerung vertreten sind.<br />
2. Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit ist anzustreben. Deshalb ist ein<br />
Mindesteinkommen von 15 000 S brutto, das jährlich dem Lebenskostenindex<br />
angepaßt wird, zu sichern.<br />
3. Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung sind arbeits- und sozialrechtlich<br />
der vollen Erwerbstätigkeit gleichzustellen.<br />
4. Keine Anrechnung des PartnerIneinkommens bei Notstandshilfe und<br />
Ausgleichszulage.<br />
5. Die Gleichstellung der Frauen muß auch durch staatliche<br />
Bildungsmaßnahmen gefördert werden. Die Bundesregierung hat<br />
geschlechtspezifische Statistiken zu den Themen Beruf und Bildung zu<br />
erstellen und jährlich zu veröffentlichen.<br />
6. Jeder Mensch hat das Recht, Beruf und Kinder zu vereinbaren. Daher hat der<br />
Gesetzgeber für die Bereitstellung ganztägiger qualifizierter<br />
94 Nummer 716 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP
106<br />
Betreuungseinrichtungen für Kinder aller Altersstufen zu sorgen. Tagesmütter<br />
sind auszubilden und arbeits- und sozialrechtlich abzusichern.<br />
7. Zwei Jahre Karenzgeld für alle AlleinerzieherInnen.<br />
8. Gesetzlich garantierter Anspruch auf Teilzeitarbeit für Eltern bis zum<br />
Schuleintritt ihres Kindes mit Rückkehrrecht zur Vollzeitarbeit.<br />
9. Ausdehnung der Behaltefrist am Arbeitsplatz nach der Karenzzeit auf<br />
26 Wochen.<br />
10. Jeder Mensch hat das Recht auf eine Grundpension, die nicht unter dem<br />
Existenzminimum liegen darf. Wenn ein/e Lebenspartner/in nicht erwerbstätig<br />
ist, hat der/die andere dafür Pensionsbeiträge zu zahlen. Kindererziehung und<br />
Pflegearbeit wirken pensionserhöhend.<br />
11. Keine weitere Anhebung des Pensionsantrittsalters für Frauen, bevor nicht<br />
die tatsächliche Gleichberechtigung in allen Bereichen gegeben ist.<br />
Erläuterungen zu den elf Punkten: siehe Beiblätter.<br />
Beiblätter zum Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens:<br />
Erläuterungen zum Frauen-Volksbegehren<br />
Durch die ausdrückliche Aufnahme der Gleichstellung von Frauen und Männern in das<br />
Bundes-Verfassungsgesetz wird der Gleichheitsgrundsatz konkretisiert. Diese<br />
Staatszielbestimmung verpflichtet Gesetzgebung und Vollziehung zur Herbeiführung der<br />
tatsächlichen Gleichberechtigung. Daraus ergibt sich auch, daß Frauen einen<br />
subjektiven Rechtsanspruch auf volle Gleichbehandlung und entsprechende<br />
unterstützende Maßnahmen durch den Staat haben.<br />
Soweit die angeführten Maßnahmen keine durch Bundesgesetz zu regelnden<br />
Maßnahmen betreffen, ist durch Bundesverfassungsgesetz eine diesbezügliche<br />
Kompetenz des Bundes in Gesetzgebung und Vollziehung zu schaffen. Jedenfalls aber<br />
ist die Verpflichtung der Organe des Bundes, der Länder und Gemeinden festzulegen,<br />
mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln auf deren Verwirklichung hinzuwirken<br />
Die gesetzlichen Maßnahmen, durch die diese tatsächliche Gleichberechtigung erreicht<br />
werden soll, sind im Text des Volksbegehrens bloß beispielhaft aufgezählt. Sie sind –
107<br />
entsprechend dem einzuführenden Verfassungsprinzip der Gleichstellung von Frauen<br />
und Männern – je nach Notwendigkeit zu ergänzen.<br />
Zu 1.:<br />
Es hat sich herausgestellt, daß das Gleichbehandlungsgesetz nicht ausreicht, um<br />
Frauen tatsächlich gleiche Aufstiegsmöglichkeiten im Erwerbsleben zu sichern.<br />
Leitungsfunktionen sind weiterhin fast ausschließlich Männern vorbehalten. Noch immer<br />
gibt es die „gläserne Decke“, durch die Frauen trotz bester Qualifikation kaum dringen<br />
können, noch immer werden Männer Frauen trotz gleicher Qualifikation vorgezogen. Um<br />
das zu ändern, sollen Förderungen und öffentliche Aufträge nur mehr an solche private<br />
oder öffentliche Unternehmen vergeben werden, die nachweislich dafür sorgen, daß<br />
Frauen in allen hierarchischen Ebenen entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung<br />
vertreten sind. Dafür sind entsprechende Pläne und Etappenziele vorzulegen, deren<br />
Eignung vor Erteilung des Auftrages oder der Förderung geprüft wird. Förderungen und<br />
öffentliche Aufträge sind demnach zu vergeben, wenn entweder bereits<br />
Geschlechterparität herrscht oder wenn zumindest geprüfte Pläne und Etappenziele<br />
vorliegen, die diese Parität anstreben.<br />
Zu 2.:<br />
1996 betrug der Unterschied zwischen den Frauen- und den Männerlöhnen in<br />
Österreich noch immer ein Drittel. Studien zeigen, daß gleicher Lohn für gleichwertige<br />
Arbeit noch immer eine Illusion ist. Insbesondere werden Tätigkeiten, die als „typische“<br />
Frauenberufe gelten, niedriger bewertet, als typische Männerberufe. Das führt dazu, daß<br />
es traditionell in den Branchen mit überwiegend weiblichen Beschäftigten sehr niedrige<br />
Kollektivverträge gibt. Ein Mindesteinkommen von 15 000 S brutto würde dazu<br />
beitragen, die Kluft zwischen Frauen- und Männerlöhnen zu verringern. Um häufige<br />
gesetzliche Anpassungen zu vermeiden, soll dieser Mindestlohn entsprechend dem<br />
Lebenskostenindex jährlich angepaßt werden. Herbeizuführen ist dieses<br />
Mindesteinkommen beispielsweise durch staatliche Ausgleichszahlungen an alle, die<br />
weniger als 15 000 S brutto verdienen.<br />
Zu 3.:<br />
Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigungen werden vor allem von Frauen ausgeübt.<br />
Derzeit gibt es bis zur Regelarbeitszeit keine Überstundenzuschläge; das ist<br />
entsprechend der sozial- und arbeitsrechtlichen Gleichstellung mit voller
108<br />
Erwerbstätigkeit zu ändern. Wer über die vertraglich vereinbarten Stunden Mehrstunden<br />
leistet, ist zuzüglich aller Zuschläge zu entlohnen.<br />
Geringfügig Beschäftigte sind bloß unfallversichert. Auch bei mehreren derartigen<br />
Arbeitsverhältnissen nebeneinander erwerben Frauen und Männer also keinen<br />
Anspruch auf Arbeitslosengeld, auf Pension, auf Karenzgeld und Krankenversicherung.<br />
Die sozial- und arbeitsrechtliche Gleichstellung bewirkt die volle Einbeziehung dieser<br />
ArbeitnehmerInnen in das Sozialversicherungssystem.<br />
Zu 4.:<br />
Das Individualbesteuerungssystem ist eine der Säulen eines selbstbestimmten Lebens<br />
von Frauen. Keine Steuerleistung darf nach dem Familieneinkommen berechnet<br />
werden. Sie hat ausschließlich an der Leistung der Person anzuknüpfen. Zur Zeit ist<br />
dieses Prinzip an zwei Stellen wesentlich durchbrochen: Ab einer gewissen<br />
Einkommenshöhe des Partners wird keine Notstandshilfe bezahlt. Die Ausgleichszulage<br />
zur Pension wird ebenfalls nach dem gemeinsamen Einkommen der Partner berechnet.<br />
Beides ist zu ändern, so daß auch Notstandshilfe und Ausgleichszulage ausschließlich<br />
an das Einkommen der entsprechenden Person gebunden sind. Ein steuerfreies<br />
Existenzminimum für Hausfrauen und Kinder oder ein Familiensplitting im Steuerrecht<br />
widersprechen hingegen dem Prinzip der Individualbesteuerung.<br />
Zu 5.:<br />
Niemand soll sich auf mangelnde Qualifikation von Frauen ausreden können.<br />
Entsprechende Qualifikationsmöglichkeiten sind vom Gesetzgeber und von der<br />
Verwaltung zu schaffen und zu fördern. Das betrifft Programme zur Berufsausbildung<br />
junger Frauen ebenso, wie die ständige Weiterbildung und Schulungsoffensiven für<br />
arbeitslose Frauen oder Wiedereinsteigerinnen. Um einen entsprechenden Nachweis zu<br />
haben, müssen entsprechende Daten erhoben werden. Diese Statistiken haben sich<br />
sowohl auf den Bereich Beruf (z.B. Bezahlung, Karrieren, Berufszufriedenheit,<br />
Berufswünsche, Vereinbarkeit von Beruf und Kindern) als auch auf den Bereich Bildung<br />
(Höhe der staatlichen Mittel für Frauenaus- und -weiterbildung, Schulungsoffensiven,<br />
Bildungswünsche, Bildungstrends usw.) zu beziehen und sind einmal im Jahr zu<br />
veröffentlichen. Da es um die Entwicklung hin zu einer tatsächlichen Gleichberechtigung<br />
von Frauen und Männern geht, sind auch die entsprechenden Vergleichszahlen der<br />
Vorjahre und entsprechende Vergleichszahlen der Männer zu veröffentlichen.
109<br />
Zu 6.:<br />
Kinder können im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes nicht ausschließlich Sache der<br />
Mutter sein. Es ist darauf Bedacht zu nehmen, daß Kinder und Beruf für Mütter und<br />
Väter vereinbar sein müssen. Deshalb besteht das Recht auf eine ausreichende Anzahl<br />
von qualifizierten Kinderbetreuungsplätzen. Insbesondere ist darauf zu achten, daß es<br />
diese notwendigen Plätze für Kinder jeden Alters auch ganztags gibt. Tagesmütter und -<br />
väter sind als gutes Zusatzangebot zu staatlichen Einrichtungen zu verstehen, sie<br />
müssen aber entsprechend ausgebildet sein und selbstverständlich wie alle anderen<br />
Erwerbstätigen auch voll arbeits- und sozialrechtlich abgesichert werden.<br />
Kinderbetreuung durch Tagesmütter und -väter ist als Beruf zu verstehen und<br />
keineswegs als ,,natürliche“ Berufung.<br />
Zu 7.:<br />
Lebenspartner haben gemeinsam Anspruch auf zwei Jahre Karenzzeit pro Kind,<br />
AlleinerzieherInnen aber bloß eineinhalb Jahre. Diese Diskriminierung der<br />
AlleinerzieherInnen ist zu beseitigen. Das Karenzgeld knüpft an vorhergegangene<br />
Erwerbsarbeit an. Es wird zu überlegen sein, auf welche Weise für AlleinerzieherInnen,<br />
die (als SchülerInnen oder StudentInnen) keine Anspruchsvoraussetzung erworben<br />
haben, ein Äquivalent für das Karenzgeld geschaffen wird.<br />
Zu 8.:<br />
Um Kinder und Beruf besser vereinbaren zu können, ist ein gesetzlich garantiertes<br />
Recht auf Teilzeitarbeit für Väter und Mütter bis zum Schuleintritt ihres Kindes<br />
einzuführen. Danach haben sie den Anspruch, wieder auf einen entsprechenden<br />
Vollzeitarbeitsplatz zurückzukehren. Es ist darauf zu achten, daß die Anmeldefristen für<br />
Teilzeit und Rückkehr in die Vollzeitarbeit im Interesse der Eltern gestaltet werden.<br />
Zu 9.:<br />
Derzeit werden viele Frauen während ihrer vierwöchigen Behaltefrist nach der<br />
Karenzzeit gekündigt. Dadurch sind sie nicht in der Lage, wieder einen Anspruch auf<br />
Arbeitslosengeld zu erwerben und müssen so aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Die<br />
Ausdehnung der Behaltefrist auf 26 Wochen würde den Anspruch auf Arbeitslosengeld<br />
neu entstehen lassen und verhindern, daß Unternehmer auf Kosten der Frauen mit<br />
kleinen Kindern Arbeitskräfte abbauen. Außerdem ist wohl erst nach dieser Zeit objektiv
110<br />
festzustellen, ob eine Frau/ein Mann den Anforderungen ihrer/seiner früheren<br />
Arbeitsstelle noch gewachsen ist.<br />
Zu 10.:<br />
Rund ein Fünftel der Frauen im Pensionsalter hat derzeit keine eigene Pension.<br />
Wichtiger Teil der Selbstbestimmung von Frauen ist es, auch im Alter über eigenes<br />
Einkommen zu verfügen. Deshalb ist für Frauen und Männer eine Grundpension zu<br />
sichern, die nicht unter dem Existenzminimum liegen darf. Das Existenzminimum<br />
berechnet sich nach jener Pensionshöhe, ab der keine Ausgleichszulage mehr bezahlt<br />
wird. Um diese Grundpension zu finanzieren, soll der erwerbstätige Lebenspartner für<br />
den nichterwerbstätigen Lebenspartner Pensionsbeiträge einzahlen. Für alleinlebende<br />
Menschen ohne ausreichende Versicherungszeiten muß der Staat einspringen.<br />
Gleiches gilt in finanziellen Notsituationen von Familien bis zum Schuleintritt des<br />
jüngsten Kindes. Zeiten der Kindererziehung und der Pflegearbeit wirken überdies<br />
pensionserhöhend. Dadurch soll erreicht werden, daß Menschen, die wegen<br />
Betreuungsaufgaben keiner Erwerbsarbeit nachgegangen sind, mehr Pension<br />
bekommen, als Menschen, die ohne solche Betreuungsaufgaben keine Erwerbsarbeit<br />
ausüben. Erwerbstätig im obigen Sinn sind auch alle, die arbeitslos gemeldet sind und<br />
sich daher um Erwerbsarbeit bemühen.<br />
Zu 11.:<br />
Das Penionsantrittsalter der Frauen wird bis zum Jahr 2028 schrittweise an das<br />
Pensionsalter der Männer herangeführt. Vorgezogene Anhebungen des<br />
Pensionsantrittsalters von Frauen wären nur für den Fall gesetzeskonform, daß bereits<br />
nachweislich in allen Bereichen die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und<br />
Männern gegeben ist.<br />
Als Bevollmächtigte im Sinne des § 3 Abs. 4 lit. b des Volksbegehrengesetzes 1973<br />
wurde namhaft gemacht:<br />
Dr. Gabriele Christa Pölzlbauer, Psychologin, Obfrau des Vereins Unabhängiges<br />
Frauenforum, 1090 Wien, Servitengasse 19/5,<br />
Im Amtsblatt zur <strong>Wiener</strong> Zeitung Nr. 97 vom 26. April 1997 ist folgende Kundmachung<br />
über das Ergebnis der Eintragungen erschienen:
Bundeswahlbehörde<br />
Zl. 48 637/25-IV/6/97<br />
Frauen-Volksbegehren<br />
Gemäß § 16 Abs. 1 des Volksbegehrengesetzes 1973, BGBl. Nr. 344, in der<br />
Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 505/1994 hat die Bundeswahlbehörde in<br />
ihrer Sitzung vom 25. April 1997 auf Grund der Berichte der Bezirkswahlbehörden<br />
folgendes Ergebnis der Eintragungen für das Frauen-Volksbegehren ermittelt:<br />
Bundesland<br />
Stimmberechtigte<br />
Anzahl der<br />
gültigen<br />
Stimmbeteiligung<br />
Eintragungen in %<br />
Burgenland 213 679 24 499 11,47<br />
Kärnten 418 049 39 604 9,47<br />
Niederösterreich 1 127 624 125 090 11,09<br />
Oberösterreich 977 705 102 680 10,50<br />
Salzburg 348 249 43 170 12,40<br />
Steiermark 903 202 99 696 11,04<br />
Tirol 457 989 32 076 7,00<br />
Vorarlberg 223 559 14 735 6,59<br />
Wien 1 102 883 163 115 14,79<br />
Österreich 5 772 939 644 665 11,17<br />
Da somit mehr als 100 000 gültige Eintragungen von Stimmberechtigten ermittelt<br />
worden sind, hat die Bundeswahlbehörde festgestellt, daß ein Volksbegehren im<br />
Sinn des Art. 41 Abs. 2 B-VG vorliegt.<br />
Wien, am 25. April 1997.<br />
Der Stellvertreter des Bundeswahlleiters:<br />
Szymanski
112<br />
13.8. Literaturliste Master Thesis<br />
Alemann, Ulrich von: Grundlagen der Politikwissenschaft: ein Wegweiser, Opladen,<br />
1994<br />
Angerer, Marie-Luise, Appelt, Erna; Bell Anni; Rosenberger, Sieglinde; Seidl,<br />
Hadwig, (Hg.innen): Auf glattem Parkett. Feministinnen in Institutionen, Verlag für<br />
Gesellschaftskritik, Wien, 1991<br />
Arendt, Hannah: Vita activa, Piper Verlag, Neuausgabe, München, 2002<br />
Arendt, Hannah: Was ist Politik?, Piper, 2.Auflage, München, 2005<br />
Beauvoir, Simone: Das andere Geschlecht, Rowohlt Verlag, Reinbeck bei Hamburg,<br />
1987 (1949)<br />
Beck, Ulrich: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne,<br />
Frankfurt/M., 1986<br />
Becker, Ruth; Kortendieck, Beate, u.a. (Hg.innen): Handbuch der Frauen- und<br />
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