Feministischer Wissenstransfer - Verband Wiener Volksbildung
Feministischer Wissenstransfer - Verband Wiener Volksbildung
Feministischer Wissenstransfer - Verband Wiener Volksbildung
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
40<br />
männlichen Verdieners zu untermauern. Hausarbeit und Familienarbeit schaffen in dieser<br />
Denk- und Politikkonzeption keinen "Wert" und kommen folglich im System sozialer<br />
Sicherung als Anspruchsgründe für eigenständige Sozialleistungen nicht oder kaum in<br />
Frage; das System der sozialen Sicherheit setzt aber diese privaten Arbeiten von Frauen<br />
voraus. Pensionsansprüche, Leistungen im Krankheitsfalle, Mutterschutzleistungen etc.<br />
werden immer erst dann gewährt, wenn eine außerhäusliche Berufstätigkeit vorliegt bzw.<br />
vorlag. Nicht berufstätige Frauen kommen — mit Ausnahme der Sozialhilfe — nur als<br />
Angehörige von (berufstätigen) Männern, nämlich als Ehefrauen, als Witwen oder als<br />
Töchter in den Genuss von Sozialleistungen, nicht jedoch als Personen mit eigenständigen<br />
sozialen Sicherheitsansprüchen.“ (Rosenberger 1992: 33)<br />
Die Ausrichtung an „der männlichen Erwerbsbiographie“ (ebd) entwertet damit<br />
einerseits Reproduktionsarbeit, Kindererziehung und Pflegearbeit als „Nicht-Arbeit“ 33 ,<br />
andererseits werden Einkommensunterschiede durch das staatliche System nicht<br />
ausgeglichen, sondern im Gegenteil: Es wird Armut von Frauen produziert,<br />
fortgesetzt und verstärkt. Aus dieser Erkenntnis heraus formuliert Johanna Dohnal,<br />
erste österreichische Frauenministerin, die Forderung:<br />
"Um die Unabhängigkeit für Frauen zu gewährleisten, brauchen wir ein<br />
Sozialversicherungssystem, das vom Familienstand unabhängig ist, und wo für alle<br />
Menschen - für Männer und Frauen - ein eigener, grundlegender Pensionsanspruch<br />
besteht." 34<br />
Rosenberger konkretisiert in ihren Arbeiten die Ambivalenz des Staates:<br />
„Staatliche Politik soll einerseits weibliche Benachteiligung mindern bzw. aufheben und<br />
andererseits ist sie selbst Teil einer politischen Topographie, die auf der Basis von<br />
Geschlechterhierarchien funktioniert.“ (ebd)<br />
Der Staat ist damit Adressat für Forderungen nach Veränderung und zugleich<br />
Hindernis für die Umsetzung dieser Veränderungen.<br />
Was bedeutet es nun, Politikerin in einer von patriarchalen Strukturen geprägten<br />
Demokratie zu sein? Inwiefern sind emanzipatorische, feministische Veränderungen<br />
in einem patriarchal organisierten, politischen System überhaupt möglich? Ist es<br />
33 Hier zeigt sich die nachhaltige Wirkung des bürgerlichen Liebesideals.<br />
34 Johanna Dohnal, Podiumsdiskussion , 1. Dezember 1988, Institut für Wissenschaft und Kunst Wien.