Feministischer Wissenstransfer - Verband Wiener Volksbildung
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Trotz der Widerstandsfähigkeit feministischen Gedankengutes – entgegen aller<br />
Diffamierungen und Unkenrufe von außen (d.h. von Seiten der patriarchalen,<br />
heterosexuellen Normgesellschaft) – und auch trotz des hohen Maßes an<br />
Selbstreflexion und der äußerst fruchtbaren Auseinandersetzung mit anderen<br />
Theorien der Postmoderne lassen sich Hegemonien und Ausgrenzungen – begrifflich<br />
wie praktisch – auch innerhalb der feministischen Gruppen nicht leugnen. Schon in<br />
der Ersten Frauenbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts weisen heftige<br />
Auseinandersetzungen zwischen bürgerlichen und proletarischen Feministinnen auf<br />
bedeutende Auffassungsunterschiede hin, die erkennen lassen, dass „Frau-sein“<br />
kein politisches Programm ist. Die Zweite Frauenbewegung setzt die Debatte um die<br />
vielfältigen Auswirkungen der Unterdrückungszusammenhänge zwischen Klasse und<br />
Geschlecht fort und erweitert sie um weitere Dimensionen von Diskriminierung. In<br />
den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts beginnt – angestoßen von afro -<br />
amerikanischen Feministinnen in den Vereinigten Staaten - die Auseinandersetzung<br />
mit dem so genannten „weißen Mittelschichtfeminismus“. Ignoranz und Ausgrenzung<br />
gegenüber schwarzen Frauen, Migrantinnen und Andersgläubigen werden in den<br />
Blick genommen. Damit wird die Aufmerksamkeit auf die Vieldimensionalität von<br />
Machtverhältnissen gelegt. Im deutschsprachigen Raum führt Birgit Rommelspacher<br />
hierzu den Begriff der „Dominanzkultur“ (1995) ein. Sie beschreibt kulturelle<br />
Dominanz als bedeutend für das Selbstverständnis der jeweils herrschenden<br />
Gesellschaft und entlarvt die Funktion von Rassismus, Antisemitismus,<br />
Antiislamismus, Antislawismus etc. als wesentlichen Bestandteil einer praktizierten<br />
Selbstvergewisserung der eigenen Lebensweise. Rommelspacher verweist hierzu<br />
darauf, dass jede/r zugleich Subjekt und Objekt der jeweiligen Machtverhältnisse ist<br />
– auch Frauen. Christina Thürmer-Rohrs analysiert weibliche Mittäterschaft(en) mit<br />
Blick auf die Rolle von Frauen im Nationalsozialismus. 12 Zudem kritisiert sie die<br />
„Definition aller Frauen als kollektive Opfer historischen Geschlechterskandals und<br />
struktureller Gewalt.“ (Thürmer-Rohr, Zit. in: Becker/Kortendiek 2004: 85)<br />
„Frauen werden nicht nur unterdrückt, missbraucht und in ein schädigendes System<br />
verstrickt, sondern steigen auch eigentätig ein, gewinnen Privilegien, ernten fragwürdige<br />
Anerkennung und profitieren von ihren Rollen, sofern sie sie erfüllen.“ (ebd)<br />
12 Vgl. dazu Christina Thürmer-Rohr, 1983 und 1989