Feministischer Wissenstransfer - Verband Wiener Volksbildung
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9.1. Implikationen und Themen<br />
Zunächst suggeriert der Begriff „Frauenpolitik“, dass für die Mehrheit der<br />
Bevölkerung eine spezielle Politik erforderlich ist, die unabhängig und ohne in<br />
Verbindung zu „Männerpolitik“ umsetzbar ist. Die Interdependenzen des<br />
Geschlechterverhältnisses werden mit der Fokussierung auf Frauen erneut<br />
ausgeblendet. Politik, die versucht, die Situation von Frauen zu verbessern, bedeutet<br />
immer auch Veränderung der Bedingungen für Männer.<br />
"Mehr Frauen in der Politik bedeutet gleichzeitig weniger Männer...“ 49<br />
Die Erweiterung des Begriffs „Frauenpolitik“ um jenen der „Geschlechterpolitik“<br />
erscheint demnach sinnvoll. Ein weitere Aspekt ist wesentlich: Der Begriff<br />
„Frauenpolitik“ nimmt Frauen als homogene Gruppe an, für die Politik gemacht<br />
werden kann und blendet Vielfalt und Differenzen unter Frauen begrifflich aus. Vor<br />
allem Judith Butler wendet sich gegen die Konstruktion eines „Frauen-Wir“s.<br />
Frauenpolitik setzt bestimmte Themen auf die Agenda, z.B. Zielsetzungen wie<br />
Gleichberechtigung von Frauen und Männern, Chancengleichheit und Anerkennung.<br />
Auch die Anerkennung von Frauen in ihren Leistungen als Hausfrau und Mutter.<br />
Gerade im ambivalenten Mutterbegriff steckt jedoch für jede Frauenpolitikerin die<br />
Gefahr der Verfestigung von Stereotypen, mit Forderungen nach einem Müttergehalt<br />
beispielsweise, welches die Teilnahme von Männern an Kindererziehung und<br />
Haushalt von vorneherein ausschließt. Anerkennung von Frauen in ihren Leistungen<br />
als Hausfrau und Mutter als Ziel frauenpolitischer Maßnahmen bleibt in der<br />
Abgrenzung von Frauenpolitik und Familienpolitik begrifflich wie inhaltlich unscharf.<br />
Auch wenn es sinnvoll erscheint, unsichtbar gemachte Leistungen von Frauen<br />
sichtbar zu machen, beinhaltet Anerkennung allein noch keine politische<br />
Verbesserung oder Veränderung. Anerkennung mag ein erster Schritt sein, dem<br />
jedoch konkrete Taten der Umverteilung von Macht, ökonomischen Mitteln (sprich<br />
Geld und Vermögen) sowie eine Neubewertung und Neuverteilung von Erwerbs- und<br />
Reproduktionsarbeit folgen müssen.<br />
49 Johanna Dohnal, Festsitzung "70 Jahre Frauenstimmrecht", 1. März 1989.