Feministischer Wissenstransfer - Verband Wiener Volksbildung
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11.4.2. Kategorie Feminismus<br />
Keine der Interviewpartnerinnen distanzierte sich völlig vom Begriff Feminismus. Alle<br />
brachten den Begriff mit der Frauenbewegung 78 in Verbindung, nur vereinzelt wurde<br />
Feminismus auf den akademischen Bereich bezogen und die dort verorteten<br />
feministischen Ansätze als „Theorie zur praktischen Arbeit “ ( I5: 72) bezeichnet. Nur<br />
bei einer Befragten wurde Feminismus als eventuell veraltet bezeichnet. Sie<br />
ergänzte:<br />
„Vielleicht verwendet man auch eine andere Begrifflichkeit, um mehr Leute, mehr Männer ins<br />
Boot zu holen. Gerade Männer. Das ist meine Erfahrung. (Es sind Männer, die), mit dem<br />
Begriff Feminismus, oder „das ist eine Feministin“ sehr viele Abwehrhaltungen verbunden<br />
(haben).“ (I1: 76-79)<br />
Kaum bekannt waren die verschiedenen feministisch-theoretischen Zugänge.<br />
Lediglich von einer Interviewpartnerin wurden Namen wie Judith Butler und<br />
feministische Ansätze in Verbindung mit französischen Poststrukturalisten bzw.<br />
Queer Theory genannt. In ihrem „eigentlichen“ Beruf im universitären Umfeld tätig, ist<br />
dieses Wissen um feministische Theorie präsent, während bei den anderen<br />
Interviewpartnerinnen eher der Bezug zu Frauenbewegung im Vordergrund stand. In<br />
diesem Zusammenhang lässt sich festhalten, dass einst als radikal empfundenes<br />
Vokabular wie „Autonomie“ oder „Selbstbestimmung“ von allen Befragten<br />
unabhängig ihrer Parteizugehörigkeit mit größter Selbstverständlichkeit verwendet<br />
und als persönliche Ziele formuliert werden konnten. Feministische Begrifflichkeiten<br />
scheinen also bei Frauenpolitikerinnen über alle Parteigrenzen hinweg keine<br />
Abwehrhaltungen mehr hervorzurufen. Im Gegenteil: Feminismus wird als<br />
Bestandteil der eigenen Frauenpolitik im Sinne von Sensibilisierung,<br />
Bewusstseinsbildung und Stärkung von Frauen, aber auch als theoretische Wissensund<br />
Arbeitsgrundlage aufgefasst. Entsprechend der Aussage:<br />
„Der Überbegriff ist für mich die Autonomie, also sozusagen dieses selbstständige Denken,<br />
selbstständiges Handeln (...) dieses Sich-selbst-entwerfen-können.“ (I3: 48-51)<br />
78 Es ist anzunehmen, dass sich alle Interviewpartnerinnen auf die Zweite Frauenbewegung in den<br />
1970er und 1980er Jahren beziehen.