Feministischer Wissenstransfer - Verband Wiener Volksbildung
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unterschiedliche Lösungsansätze entwickeln können. Während Adelheid Popp im<br />
Parlament die Meinung vertritt, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für<br />
Dienstmädchen müsse gesetzlich verankert werden, widerspricht die<br />
christdemokratische Abgeordnete Hildegard Burjan dieser Auffassung und meint, es<br />
sei ausreichend einen Appell an die bürgerlichen Haushalte zu richten, ihrer<br />
Verpflichtung zur Wohltätigkeit nachzukommen. Einen Rechtsanspruch auf die<br />
Begrenzung der Arbeitszeit der Dienstmädchen will Hildegard Burjan nicht<br />
festschreiben. Die Konfliktlinien in den Auseinandersetzungen darüber, wie die<br />
Situation von Frauen verbessert werden soll, verlaufen an den schichtspezifischen<br />
Unterschieden der jeweiligen Gruppen. Die Forderungen der proletarischen<br />
Frauenbewegung stimmen häufig nicht mit jenen der bürgerlichen Frauenbewegung<br />
überein. Dies spiegelt sich in den Debatten der ersten Parlamentarierinnen wieder.<br />
Wenngleich es dennoch immer wieder gelingt über alle Grenzen hinweg, die Kräfte<br />
zu bündeln und Forderungen zur Gleichstellung von Frauen gemeinsam<br />
durchzusetzen. Politische Auffassungsunterschiede, divergierende Strategieentwürfe<br />
einerseits und Koalitionen über alle ideologischen, parteipolitischen und sozialen<br />
Grenzen hinweg anderseits kennzeichnen die Debatten der ersten<br />
Parlamentarierinnen und Frauenpolitikerinnen.<br />
7. Im und gegen den Staat 31<br />
In welchem soziokulturellen Feld der Gesellschaft finden sich die ersten<br />
Parlamentarierinnen wieder - mit ihrem Einzug in die gesetzgebenden Gremien des<br />
Staates? Welche Strukturen finden sie hier vor? Was ist dieser Staat überhaupt? Wer<br />
ist der Staat? Für wen ist der Staat? Wie sollen emanzipatorische Veränderungen im<br />
staatlichen Bereich umgesetzt werden? Sich in den Staat mit seinen Institutionen<br />
hinein begeben oder gegen den Staat feministische Forderungen durchsetzen?<br />
7.1. Der geschlechtslose Staat?!<br />
Staat ist zunächst „ein abstraktes Konzept“ (Kreisky, Zit. in: Becker-Schmidt/Knapp<br />
1995: 85ff) und ein männliches Konzept. Feministische Wissenschafterinnen heben<br />
in ihren Analysen hervor, dass der Mann als Maßstab für diese Konzeption<br />
31 Original: „in and against the state“ (Zit. in: Rosenberger 1992: 47)