Feministischer Wissenstransfer - Verband Wiener Volksbildung
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gegeben. Ein derartiger Umgang erlaubt es, in diesem „Mut zum Anderssein“ eine<br />
wertvolle gesellschaftliche Ressource zu erkennen.<br />
Viertens und nicht zuletzt bieten die Erkenntnisse der konstruktivistischen<br />
Geschlechtertheorie eine Fülle von Argumentationshilfen und –material an, um in der<br />
konkreten politischen Praxis der Rekonstruktion der binären Geschlechterordnung<br />
entgegen wirken zu können.<br />
5.1. Alltagswissen versus wissenschaftliches Wissen<br />
„Ich weiß wie Frauen/Männer sind – ich bin selbst eine/r“.<br />
„Ich kenne meine Frau/ meinen Mann – ich weiß was sie brauchen“.<br />
„Das ist typisch Frau/Mann“ oder Frauen/Männer sind nun mal so“.<br />
Hinter diesen Aussagen steht die Annahme, die Menschheit ließe sich in zwei<br />
Geschlechter einteilen und an den entsprechenden körperlichen Merkmalen<br />
erkennen. Zu dieser Auffassung gehört auch die Vorstellung, dass dies zu allen<br />
Zeiten bei allen Völkern der Erde so gewesen sei und nach wie vor so ist. Hinzu<br />
kommt, dass Geschlecht als naturgegeben, nicht beeinflussbar und nicht<br />
veränderbar wahrgenommen wird. Diese Aussagen und Annahmen kennzeichnen<br />
das Alltagsverständnis der Mehrheit der Bevölkerung – auch der Mehrheit der<br />
politischen Akteur/innen. Die Erkenntnisse der konstruktivistischen<br />
Geschlechterforschung jedoch stehen diesen Selbst- und Fremdbildern der<br />
Geschlechter diametral gegenüber und sind mittlerweile durch zahlreiche Studien in<br />
verschiedensten Anwendungsbereichen bestätigt.<br />
Wissenschaftsgeschichtlich gehen die Wurzeln der konstruktivistischen Theorie auf<br />
die Erkenntnisse von Margaret Mead zurück, die Ende der 50er Jahre während ihrer<br />
Studien in Samoa feststellt, dass es Gesellschaften gibt, die „institutionalisierten<br />
Geschlechtswechsel oder mehr als zwei Geschlechter kennen“ (Wetterer, Zit. in:<br />
Becker/ Korteniek 2004: 122) Ein weiterer wesentlicher Schritt in der Entwicklung der<br />
Theorie der Geschlechterkonstruktionen sind die Studien Harold Garfinkels, der<br />
anhand der Erfahrungen der „Mann – zu – Frau –Transsexuellen“ Agnes nachweisen<br />
konnte, wie sehr gesellschaftliche Zuschreibungen von Eigenschaften wirken und<br />
ständig reproduziert werden. In der Folge wird dem Prozess der<br />
Geschlechterkonstruktion in der Forschung vermehrt Beachtung geschenkt.