Zur Lage der Gruppe - Arbeiterstimme
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Winter 2005<br />
<strong>Arbeiterstimme</strong><br />
<strong>Zur</strong> <strong>Lage</strong> <strong>der</strong> <strong>Gruppe</strong><br />
35. Jahreskonferenz 22./23. Oktober 2005 in Nürnberg<br />
11<br />
In den Vorbesprechungen sind<br />
wir übereingekommen, uns auf einen<br />
kurzen Bericht zu beschränken, um so<br />
mehr Zeit für die Diskussion politischer<br />
Probleme zu erhalten. We<strong>der</strong><br />
sind in den letzten zwei Jahren in <strong>der</strong><br />
<strong>Gruppe</strong> gravierende Än<strong>der</strong>ungen eingetreten,<br />
noch in <strong>der</strong> politischen Situation<br />
in <strong>der</strong> wir eingebettet sind. Innenpolitisch<br />
wird die indirekte Große<br />
Koalition von <strong>der</strong> direkten abgelöst.<br />
Der neoliberale Kurs und die immer<br />
unmittelbarere Herrschaft des Großkapitals<br />
finden ihre Fortsetzung auch<br />
nach dieser Bundestagswahl. Die Weltpolitik<br />
wird weiter von <strong>der</strong> Hegemonie<br />
<strong>der</strong> USA bestimmt, wobei auch<br />
weitere Unterwerfungskriege zu erwarten<br />
sind. Für uns wird bestimmend<br />
sein wie weit sich die Berliner<br />
Regierung direkt o<strong>der</strong> indirekt wie<strong>der</strong><br />
beteiligt. Die Arbeiterklassen, dem globalen<br />
Konkurrenzdruck in Bezug auf<br />
Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitszeit<br />
ausgesetzt, reagieren immer hilfloser<br />
und orientierungsloser. Weitgehend<br />
entsolidarisiert und ohne Klassenbewußtsein<br />
ist es <strong>der</strong> Arbeiterklasse nicht<br />
gelungen gegen den Klassenkampf<br />
von oben eine relevante politische Gegenkraft<br />
zu bilden. Der materielle Hintergrund<br />
für ihre konservative politische<br />
Haltung ist trotz allem für die<br />
Mehrzahl von ihnen noch vorhanden,<br />
wenn auch abnehmend. Die Politik <strong>der</strong><br />
Gewerkschaften, <strong>der</strong>en Spitzen nur zu<br />
oft mit dem wirtschaftlichen und politischen<br />
Establishment verbunden<br />
sind, ist ein Spiegelbild dieser Entwicklung.<br />
Der Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> Arbeiterbewegung,<br />
<strong>der</strong> sich quantitativ und<br />
qualitativ fortsetzt, ist auch die Ursache<br />
für den anhaltenden Nie<strong>der</strong>gang<br />
<strong>der</strong> revolutionären <strong>Gruppe</strong>n, die fast<br />
nur noch von ihrer Substanz leben<br />
und daher immer mehr verkümmern.<br />
Die Hoffnung, eine sozialistische Alternative<br />
zur inhumanen kapitalistischen<br />
Gesellschaftsordnung – die<br />
an<strong>der</strong>erseits immer mehr als solche<br />
erkannt wird – verwirklichen zu können,<br />
ist in die Nähe des Nullpunkts<br />
gesunken. Der historische Zusammenbruch<br />
des „Staatssozialismus“<br />
und dessen abstoßendes Erscheinungsbild<br />
werden noch lange un-<br />
günstig für uns nachwirken. Für viele<br />
ist es aber auch die als unüberwindbar<br />
betrachtete Übermacht <strong>der</strong> „Wirtschaft“,<br />
die eine grundsätzliche Opposition<br />
aussichtslos erscheinen läst.<br />
So zerfled<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>stand gegen<br />
den Sozial- und Arbeitsplatzabbau<br />
immer mehr in isolierte Einzelkämpfe,<br />
die nur noch geführt werden, um<br />
für sich selbst das Schlimme erträglicher<br />
zu machen.<br />
Ohne große und politisch tiefgehende,<br />
solidarisch bestimmte Bewegungen<br />
sitzen auch marxistische<br />
<strong>Gruppe</strong>n auf dem Trockenen – sie<br />
trocknen buchstäblich aus. Alle Versuche,<br />
Bewegungen künstlich anzufachen,<br />
sind immer gescheitert. Voluntarismus<br />
und verbale Phrasendrescherei<br />
bringen nur Enttäuschungen,<br />
die in Inaktivität enden.<br />
Die Bewegungen <strong>der</strong> letzten<br />
Jahre wie die gegen den Irakkrieg,<br />
gegen Schrö<strong>der</strong>s Agenda 2010 auch<br />
in Form <strong>der</strong> Montagsdemonstrationen<br />
usw. waren wichtig, um den Wi<strong>der</strong>standsgeist<br />
aufrecht zu erhalten.<br />
Sie fanden alle ihr Ende und sind gescheitert<br />
als klar wurde, daß sie ihren<br />
Zweck nicht erreichen konnten.<br />
Die linken <strong>Gruppe</strong>n konnten bei <strong>der</strong><br />
Organisierung und Vorantreibung<br />
dieser Bewegungen meist eine unterstützende<br />
Rolle einnehmen. Sie selbst<br />
konnten davon nicht profitieren, we<strong>der</strong><br />
durch Zuwachs noch durch Verbreitung<br />
ihrer systemumwälzenden<br />
Theorien. Wenn, dann dies nur in<br />
wenigen Ausnahmefällen. Einpunktbewegungen,<br />
die sich an den Folgen<br />
<strong>der</strong> Kapitalherrschaft abarbeiten, stellen<br />
diese selbst noch längst nicht in<br />
Frage. Das tun im besten Fall nur<br />
Kämpfe Klasse gegen Klasse.<br />
Unser Bezug auf die Arbeiterklasse<br />
– diese umfasst heute m.E. die<br />
Lohn- und Gehaltsabhängigen, plus<br />
(mit Vorbehalt) die „Ausgegrenzten“<br />
– bleibt weiterhin richtig. Nur in <strong>der</strong><br />
Arbeiterklasse kann <strong>der</strong> unvereinbare<br />
Gegensatz zwischen Kapital und<br />
Arbeit in jenem antagonistischen<br />
Ausmaß aufbrechen, <strong>der</strong> in die Systemfrage<br />
münden kann. Ob und<br />
wann es dazu kommt, ist offen. Das<br />
Aufbrechen von Wi<strong>der</strong>sprüchen in<br />
<strong>der</strong> kapitalistischen Gesellschaft wird<br />
ebenso darüber entscheiden, wie<br />
auch die Herausbildung des subjektiven<br />
Faktors dabei unumgänglich<br />
bleiben wird. Voraussetzung für letzteres<br />
ist, daß es marxistischen Kernen<br />
gelingt bis dorthin zu „überwintern“<br />
und <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>standsgeist in <strong>der</strong><br />
schrumpfenden Arbeiterbewegung<br />
nicht erloschen ist.<br />
Es gehört einiges dazu, in unserer<br />
kleinen <strong>Gruppe</strong> durchzuhalten und<br />
man braucht dazu marxistische Kenntnisse,<br />
Einsichten und Zähigkeit, gibt es<br />
doch kaum größere Erfolgserlebnisse.<br />
Im Gegenteil. Wie bei an<strong>der</strong>en linken<br />
Zeitschriften auch hält in unserem<br />
Umfeld das Abbröckeln weiter an. Anhänger<br />
und Leser werden älter, werden<br />
krank und sterben. An<strong>der</strong>e geben einfach<br />
auf, ziehen sich von <strong>der</strong> Politik<br />
zurück. Gewerkschaftsfunktionäre<br />
und langjährige Betriebsräte gehen in<br />
Rente und sind dann politisch oft weg.<br />
Ohne Werbeversand kämen wir<br />
nicht zu neuen Lesern, die in <strong>der</strong> Mehrzahl<br />
aus dem Osten kommen. Gehen<br />
auch die Abo-Zahlungen allgemein<br />
zurück, so zahlen die Verbliebenen<br />
wesentlich mehr als sie müßten. Das<br />
läßt auf einen treuen Leserstamm<br />
schließen.<br />
Der kleine Kern <strong>der</strong> <strong>Gruppe</strong> ist<br />
weiterhin stabil, wenn auch die <strong>Lage</strong><br />
sehr angespannt ist. Wir können auf<br />
keine/keinen, <strong>der</strong> eine Arbeit übernommen<br />
hat, verzichten. Nur so konnten<br />
wir unserer Aufgabe gerecht werden<br />
in den letzten zwei Jahren pro Quartal<br />
eine Nummer <strong>der</strong> <strong>Arbeiterstimme</strong> inhaltlich<br />
und organisatorisch zu bewältigen.<br />
Die Hefte hatten zwischen 40 und<br />
44 Seiten. Die Arbeitsaufteilung funktionierte<br />
wie in den Vorjahren. Von<br />
München aus erfolgte auch die Herausgabe<br />
eines neuen Buches über die Umwälzungen<br />
in Venezuela.<br />
Dringend bräuchten wir mehr<br />
Anhang bei jugendlichen Genossinnen<br />
und Genossen und ihre Mitarbeit in <strong>der</strong><br />
<strong>Gruppe</strong>.<br />
Was die Zahl <strong>der</strong> Autoren in <strong>der</strong><br />
Berichtszeit anbelangt, so haben wir<br />
diesmal einen Rekord von 22 Verfassern<br />
zu verzeichnen (ohne Nachdrucke).<br />
Die inhaltliche Rückkoppelung<br />
in <strong>der</strong> <strong>Gruppe</strong> könnte nach wie vor