Zur Lage der Gruppe - Arbeiterstimme
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18 <strong>Arbeiterstimme</strong><br />
Winter 2005<br />
tiv oft zu Wort kommen und berichteten<br />
im allgemeinen sachlich über<br />
die Wahlprogrammatik.<br />
Voll auf Seiten <strong>der</strong> Linkspartei<br />
standen linke und halblinke Presseorgane,<br />
diesmal auch die „junge Welt“.<br />
Allerdings nahm sie sich das Recht, am<br />
25. 8. einen Leserbrief auszugsweise zu<br />
veröffentlichen, in dem das trotz formeller<br />
Absage an den Neoliberalismus<br />
fortdauernde Spekulieren Prominenter<br />
auf ein späteres Zusammengehen mit<br />
<strong>der</strong> SPD und den Weiterbestand <strong>der</strong> antisozialen<br />
Koalitionen in Berlin und<br />
Schwerin kritisiert wurde.<br />
Weiter hieß es darin: „Der<br />
Verzicht <strong>der</strong> nunmehrigen<br />
Linkspartei.PDS auf eine<br />
ehrliche Bestandsaufnahme<br />
ihres Kurses seit 1993/94 und<br />
beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> beiden Juniorpartnerschaften,<br />
die Spitzenvertreter<br />
auf die an<strong>der</strong>e Seite<br />
<strong>der</strong> Barrikade beför<strong>der</strong>ten,<br />
stellt eine schwärende Wunde<br />
dar, die Krebs zur Folge<br />
haben kann. Im Interesse des<br />
Gros <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> und Anhänger<br />
kann das nicht auf<br />
Dauer hingenommen werden, ebenso<br />
wenig die starken innerparteilichen<br />
Tendenzen zur Entsolidarisierung<br />
und Entdemokratisierung o<strong>der</strong> das<br />
rachsüchtige Verhalten <strong>der</strong> Berliner<br />
Verbandsführung gegenüber <strong>der</strong> regionalen<br />
WASG-Organisation wegen<br />
dort vorhandener früherer PDS-Mitglie<strong>der</strong>,<br />
die <strong>der</strong> neoliberalen Koalitionspolitik<br />
abtrünnig wurden.“ Dieser<br />
Brief war auch dem parteinäheren<br />
„Neuen Deutschland“ zugegangen.<br />
Es unterdrückte ihn gleich an<strong>der</strong>en<br />
von <strong>der</strong> Linkspartei-Führung nicht<br />
gewünschten Stellungnahmen.<br />
Die Sichtwerbung <strong>der</strong> Partei im<br />
Wahlkampf wurde wie<strong>der</strong> nicht unter<br />
Hinzuziehung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>,<br />
son<strong>der</strong>n für Millionen Euro von zwei<br />
Firmen besorgt. Dadurch schadete<br />
sich die Partei z. T. selbst. So gehörten<br />
zur Werbung beispielsweise über<br />
300 000 Plakate. Die kleineren mit<br />
schwarz-weißen Porträts <strong>der</strong> örtlichen<br />
und bundesweiten Spitzenkandidaten<br />
trugen Sprüche, die häufig<br />
kompliziert und zu klein, also schwer<br />
zu lesen waren. Einer <strong>der</strong> Werbefirmeninhaber<br />
äußerte dazu zynisch,<br />
diese Sprüche stünden für den „dialogischen<br />
Politikstil“ <strong>der</strong> Partei. „Außerdem<br />
hingen die Plakate ja auch oft<br />
in <strong>der</strong> Nähe von Ampeln, so dass man<br />
sie nicht einfach im Vorbeifahren verstehen<br />
müsse.“ Ein an<strong>der</strong>es Plakat<br />
zeigte einen Regenschirm mitsamt<br />
<strong>der</strong> Inschrift: „Dem Trübsinn ein<br />
Ende“ und soll – wohl wegen seiner<br />
Herzigkeit – beliebt gewesen sein. In<br />
<strong>der</strong> letzten Wahlkampfphase kamen<br />
zwei Großflächenplakate mit Lafontaine<br />
und Gysi hinzu. Eines löste parteiintern<br />
und in <strong>der</strong> Presse Wi<strong>der</strong>spruch<br />
und Diskussionen aus. Es<br />
zeigte einen zu Lafontaine aufblickenden<br />
Gysi, wobei offen blieb, ob<br />
er Erstgenannten anhimmelte o<strong>der</strong><br />
ihm als Mephisto etwas einblasen<br />
wollte.<br />
Dass die Wahlkampfführung<br />
nicht immer lauteren Herzens war, erhellt<br />
aus Sprüchen wie dem: „Linke<br />
Politik verdient Vertrauen, weil sie<br />
Alternativen mit den Menschen entwickelt.“<br />
Gerade das war eben nicht<br />
<strong>der</strong> Fall. Die in 5,2 Millionen Exemplaren<br />
verbreitete Wahlkampfzeitung<br />
„Die Linke“ ließ nur männliche Kandidaten<br />
und Unterstützer sich vorstellen.<br />
Über Kandidatinnen wurde<br />
lediglich berichtet. Von den in <strong>der</strong> Organisation<br />
verbliebenen Halblinken<br />
und Linken kam keiner zu Wort o<strong>der</strong><br />
zur Darstellung.<br />
Die Haltung des äußersten rechten<br />
Flügels <strong>der</strong> PDS resp. <strong>der</strong> Linkspartei<br />
zur WASG und zur eigenen<br />
Linken wurde wie<strong>der</strong>um vor allem in<br />
Berlin deutlich. Hier stand ein nahezu<br />
hun<strong>der</strong>tprozentig senatstreuer Landesverband<br />
einer Wahlalternative<br />
gegenüber, die in Opposition zur neoliberalen<br />
Senatspolitik und zu diesem<br />
sie unterstützenden Verband gegründet<br />
worden war und relativ viele ehemalige<br />
PDS-Mitglie<strong>der</strong> aufweist.<br />
Vergebens verwandten sich die örtliche<br />
WASG und die PDS Tempelhof/<br />
Schönebergs gegen die von Lothar<br />
Bisky und dem Berliner PDS-Verband<br />
protegierte Bundestagskandidatur<br />
des in Hamburg ansässigen Professors<br />
Hakki Keskin, <strong>der</strong> im Ruf steht,<br />
statt demokratischer For<strong>der</strong>ungen<br />
die nationalistische Regierungspolitik<br />
Ankaras zu vertreten. Auf <strong>der</strong> Internetseite<br />
<strong>der</strong> von ihm präsidierten<br />
Türkischen Gemeinde Deutschlands<br />
äußerte er zu bundesdeutschen Kritikern<br />
des Genocids an den Armeniern<br />
im ersten Weltkrieg und dessen<br />
Leugnung durch die Türkei, hier<br />
würden auf Fälschungen beruhende<br />
Schriftstücke zitiert, darunter solche<br />
des „jüdischen Romanciers“<br />
Franz Werfel. Der PDS-Landes-<br />
und Fraktionsvorsitzende<br />
Liebich indes befand, Keskins<br />
Kandidatur sei „ein<br />
ausgezeichnetes Signal für<br />
die Immigrantenpolitik <strong>der</strong><br />
PDS“.<br />
Ebenfalls vergeblich<br />
for<strong>der</strong>te die Berliner WASG<br />
Chancengleichheit bei<strong>der</strong><br />
Parteien bei <strong>der</strong> Aufstellung<br />
von Bundestagskandidaten.<br />
Zwar wurde während <strong>der</strong><br />
Landesvertreterversammlung<br />
<strong>der</strong> PDS Berlin am 6. 8. 2005 neben<br />
<strong>der</strong>en Auserwählten Gysi, Pau,<br />
Lötzsch, Keskin und Cornelia Reinauer<br />
überraschend doch ein WASG-<br />
Kandidat, <strong>der</strong> linksstehende Gewerkschaftssekretär<br />
von Ver.di Ralf Krämer,<br />
nominiert. Dies aber auf dem<br />
wenig aussichtsreichen Platz 6, weshalb<br />
er nicht in den Bundestag kam.<br />
Von den Wahlaufrufen demokratischer<br />
Organisationen und Einzelpersonen<br />
zugunsten <strong>der</strong> Linkspartei.PDS<br />
zeichneten sich manche<br />
dadurch aus, dass sie auch Kritik am<br />
bisherigen Parteikurs enthielten, den<br />
Vorrang außerparlamentarischen<br />
Kampfes vor dem parlamentarischen<br />
unterstrichen o<strong>der</strong> For<strong>der</strong>ungen erhoben,<br />
welche die Partei und ihre<br />
künftige Bundestagsfraktion zu erfüllen<br />
hätten.<br />
Angehörige <strong>der</strong> Linkspartei,<br />
<strong>der</strong> WASG und verschiedener außerparlamentarischer<br />
Gruppierungen<br />
riefen am 24. 8. einen Linken Frauen-<br />
Aufbruch ins Leben und veranstalteten<br />
am 10. 9. in Frankfurt/Main gemeinsam<br />
mit Vertreterinnen <strong>der</strong> DKP,<br />
<strong>der</strong> Feministischen Partei und an<strong>der</strong>er<br />
Verbände einen Frauenratschlag.<br />
Sie kündigten an, vor allem an<br />
Schnittstellen zwischen Linkspartei<br />
und Bewegungen, aber auch in wich-