Zur Lage der Gruppe - Arbeiterstimme
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Winter 2005<br />
<strong>Arbeiterstimme</strong><br />
3<br />
Rechtskoalition <strong>der</strong> Linie Merkel-<br />
Stoiber-Kirchhoff-Westerwelle verhin<strong>der</strong>t<br />
wurde. Auch viele Linke<br />
haben sich nicht genügend klargemacht,<br />
zu welchen sozialen, strukturellen<br />
und politischen Einschnitten<br />
eine solche offen auf Seiten <strong>der</strong><br />
Unternehmerverbände und des<br />
großen Geldes auftretende Koalition<br />
bereit gewesen wäre. Allein die<br />
schon im Wahlkampf<br />
offen erklärten Vorhaben<br />
sozialer Bösartigkeiten,<br />
wie z.B. die<br />
Kopfpauschale, sprachen<br />
Bände. Erst im<br />
Siegesrausch und an<br />
den Schaltstellen <strong>der</strong><br />
Regierung – was wäre<br />
wohl alles noch dazugekommen?<br />
Noch<br />
schwerere Repressionen<br />
und Bundeswehreinsatz<br />
im Inneren,<br />
noch mehr militärische<br />
Satrapentreue gegenüber<br />
den USA als die<br />
Schrö<strong>der</strong>-Regierung, wobei die<br />
grundlegende Beschneidung <strong>der</strong><br />
Rechte <strong>der</strong> Lohnabhängigen und<br />
<strong>der</strong> Gewerkschaften bereits ausgemachte<br />
Sache war. Die Union wäre<br />
weiter nach rechts gerückt, schon<br />
in Konkurrenz zur FDP. Deren Vorsitzen<strong>der</strong><br />
Westerwelle hat in hasserfüllter<br />
Weise offenbart, wie er die<br />
Gewerkschaften sieht, sie seien die<br />
wahre Plage in Deutschland. Nach<br />
Münteferings verbal gebliebenen<br />
Angriffen auf die Hedgefonds, <strong>der</strong>en<br />
Praxis es ist, Firmen auszuplün<strong>der</strong>n<br />
und zu zerschlagen, erneuerte<br />
<strong>der</strong> FDP-Vorsitzende seine feindseligen<br />
Tiraden: „Die Gewerkschaftsführer<br />
ist die eigentliche<br />
Heuschreckenplage des Landes.“<br />
Wie man mit solchen Plagen umgeht<br />
ist, bekannt…<br />
Auch unter Berücksichtigung <strong>der</strong><br />
unterschiedlichen Verhältnisse sei<br />
daran erinnert, welche gesellschaftlichen<br />
Verwüstungen einst <strong>der</strong><br />
Thatcher-Kurs in Großbritannien<br />
angerichtet hatte, von denen sich<br />
die dortigen Gewerkschaften bis<br />
heute nicht erholt haben.<br />
3. Die Entsozialdemokratisierung <strong>der</strong><br />
SPD hat Platz geschaffen für eine<br />
neue Linkspartei, die mit Erfolg zur<br />
Bundestagswahl kandidiert hat. Da<br />
die SPD im Zuge <strong>der</strong> Beteiligung an<br />
<strong>der</strong> Großen Koalition noch weiter<br />
nach rechts gerückt ist, wird die<br />
Linkspartei, trotz ihrer Heterogenität<br />
wahrscheinlich länger Bestand<br />
haben. Da sie die kapitalistische<br />
Gesellschaftsordnung nicht in Frage<br />
stellt, ist ihr Anspruch, sozialistisch<br />
zu sein, nur eine Phrase. Mit<br />
ihrer keynesianischen Argumentation<br />
zeigt sie Alternativen innerhalb<br />
des Systems, die freilich nur begrenzt<br />
zu verwirklichen sind. Viele<br />
Linke, nahe <strong>der</strong> Resignation, fühlen<br />
sich wie<strong>der</strong> bestärkt durch die<br />
bundesweite Etablierung einer<br />
Linksopposition. Ein Manko für<br />
eine Linkspartei ist das Fehlen einer<br />
größeren sozialen Bewegung<br />
im Lande, auf die sie sich stützen<br />
kann. Zwar wurde sie mitgetragen<br />
von <strong>der</strong> Welle <strong>der</strong> Montagsdemonstrationen,<br />
den Anti-Hartz-Kundgebungen<br />
und von den gewerkschaftlichen<br />
Abwehrkämpfen. Doch erstere<br />
sind Vergangenheit und dem<br />
sozialen Wi<strong>der</strong>stand fehlt weitgehend<br />
die Breite und die politische<br />
Komponente. Es wäre <strong>der</strong> größte<br />
Fehler <strong>der</strong> Aktiven in <strong>der</strong> Linkspartei,<br />
zu sehr auf den Parlamentarismus<br />
zu setzen und außerparlamentarische<br />
Aktionen zu vernachlässigen.<br />
Es müsste die Aufgabe <strong>der</strong> Sozialisten<br />
in <strong>der</strong> Partei sein, den Klassenstandpunkt<br />
zu verbreiten.<br />
(Eine Nachbetrachtung <strong>der</strong><br />
Bundestagswahl und eine Einschätzung<br />
<strong>der</strong> zu erwartenden Entwicklung,<br />
auch in den Gewerkschaften,<br />
enthält ein Jahreskonferenz-Referat,<br />
das wir im Anschluß abdrucken. Zu<br />
den Koalitionsvereinbarungen und<br />
zur Politik <strong>der</strong> neuen Merkel-Müntefering-Regierung<br />
werden wir in <strong>der</strong><br />
nächsten Nummer Stellung beziehen.)<br />
Die neue Regierung fährt dort<br />
fort, wo Schrö<strong>der</strong> mit seiner Agenda<br />
2010 aufgehört hat. Vom Bundesrat<br />
weniger blockiert und insgesamt weiter<br />
rechts stehend, kann die Koalitionsregierung<br />
nun soziale Grausamkeiten<br />
in Angriff nehmen, die sich<br />
eine Großpartei allein, mit Rücksicht<br />
auf die Wähler, nicht zuzutrauen<br />
pflegt!<br />
Die ersten Regierungsmaßnahmen<br />
und<br />
<strong>der</strong> Koalitionsvertrag haben<br />
schon einiges an Einschnitten<br />
sichtbar werden<br />
lassen. Zu erwarten<br />
ist aber, daß die größten<br />
Hämmer erst noch kommen.<br />
Mit Koalitionsverträgen<br />
ist es so wie mit<br />
Wahlprogrammen: Das<br />
meiste wan<strong>der</strong>t in den<br />
Papierkorb, eben wie es<br />
CSU-Minister Wiesheu<br />
einem Journalisten empfahl:<br />
„Das können Sie<br />
jetzt getrost ad acta legen“.<br />
Der vormalige Kanzler Schrö<strong>der</strong><br />
brüstete sich gar, daß er den Koalitionsvertrag<br />
mit den Grünen gar<br />
nicht erst gelesen hätte.<br />
Die neoliberale Politik ist<br />
gescheitert<br />
Die neue Regierung könnte unter<br />
dem Motto stehen: So wenig Euphorie<br />
war nie. Noch im Wahlkampf<br />
hochtönig den Wechsel ausgerufen,<br />
traut sich in <strong>der</strong> Union nun niemand<br />
mehr, von einem „Aufbruch“ zu sprechen.<br />
Vom angeblichen Ziel, dem<br />
Abbau <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit, ist kaum<br />
mehr etwas zu hören. Im Grunde<br />
müssten alle marktliberalen Parteien<br />
zugeben, daß ihre Politik <strong>der</strong> letzten<br />
20 Jahre gescheitert ist. Ihre Hinterlassenschaft<br />
sind finanziell ausgepumpte<br />
„öffentliche Hände“ mit über<br />
1,5 Billionen Euro Staatsschulden und<br />
mit Problemen in den Sozialsystemen,<br />
die eigentlich dem neoliberalen<br />
Verständnis nach nur rigoros zu lösen<br />
sind. Daß auch <strong>der</strong> Keynesianismus<br />
Wirtschaftswachstum nicht auf<br />
Dauer erzeugen kann, liegt im Wesen<br />
des Kapitalismus mit seinem auf und<br />
ab von Konjunktur und Krise, zu dem<br />
eine Reservearmee von Arbeitslosen<br />
schon immer gehörte. Die Politik des<br />
Neoliberalismus – zu <strong>der</strong> es, den Meinungsmachern<br />
zufolge, keine Alter-