Zur Lage der Gruppe - Arbeiterstimme
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4 <strong>Arbeiterstimme</strong><br />
Winter 2005<br />
native gibt – hat sowohl in <strong>der</strong> Ära<br />
Kohl, wie <strong>der</strong> von Schrö<strong>der</strong> den<br />
Reichtum <strong>der</strong> Reichen vermehrt, die<br />
Gesellschaft selbst aber in eine Sackgasse<br />
geführt, was eines Tages zu<br />
Spannungen führen wird. Das kann<br />
perspektivisch nicht einmal dem Gesamtinteresse<br />
des Kapitals dienlich<br />
sein. Es ist ja Aufgabe <strong>der</strong> systemgebundenen<br />
Volksparteien, wie Union<br />
und SPD, nicht nur möglichst viele<br />
Wünsche des Großkapitals umzusetzen,<br />
sie müssen auch ihre Wähler und<br />
Klientel ruhigstellen. Von daher ist<br />
die Ratlosigkeit und die Weiterwurstelei<br />
im Kanzleramt und im Parlament<br />
vorgezeichnet, gleich wie die<br />
angeblichen „Akteure“ heißen.<br />
Auch die neue Koalitionsregierung<br />
argumentiert noch mit <strong>der</strong> alten,<br />
längst gescheiterten Theorie des<br />
Neoliberalismus: Schaffe man den kapitalistischen<br />
Investoren günstige Bedingungen<br />
– was die Umverteilung<br />
von unten nach oben mit einschließt<br />
– würde das Wachstum geför<strong>der</strong>t,<br />
würden die Unternehmer Arbeitsplätze<br />
schaffen. Vielleicht würde sich<br />
sogar die Arbeitslosigkeit „halbieren“,<br />
wie Schrö<strong>der</strong> einst schwärmte.<br />
„Historisch einmalige Steuersenkungen“<br />
(Schrö<strong>der</strong>) für die Kapitalistenklasse<br />
haben <strong>der</strong>en Reichtum in einmaliger<br />
Weise vermehrt. Nicht<br />
einmal ein halbes Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
in Deutschland besitzt 25 Prozent<br />
des gesamten Geldvermögens.<br />
Der DAX hat nun wie<strong>der</strong> die 5000er<br />
Marke überschritten. Die Wochenzeitung<br />
„Die Zeit“ hatte auf <strong>der</strong> Titelseite<br />
von Anfang Dezember die Überschrift:<br />
„Wahnsinnige Gewinne!“ Die<br />
500 größten börsennotierten Unternehmen<br />
Europas steigerten ihre Profite<br />
seit 2002 um nicht weniger als 400<br />
Prozent! (NN, 20.10.05) Jede Entlassungswelle<br />
wird von den Aktionären<br />
mit Genugtuung registriert, steigt<br />
dadurch doch wie<strong>der</strong> ihr Börsenkurs.<br />
Doch die Belohnung für die Steuergeschenke<br />
<strong>der</strong> Regierung ist ausgeblieben.<br />
Entwe<strong>der</strong> ist es Scheinheiligkeit<br />
o<strong>der</strong> Dummheit, wenn SPD-Politiker<br />
öffentlich fragen, warum die<br />
undankbaren Unternehmer nun nicht<br />
ihre Gegenleistungen erbracht und<br />
Arbeitsplätze geschaffen haben. Warum<br />
wohl?<br />
Die neoliberale Politik hat die<br />
Massenarbeitslosigkeit zur Dauererscheinung<br />
werden lassen und täglich<br />
fallen ihr 1000 weitere Stellen zum<br />
Opfer. Die Sozialsysteme werden damit<br />
untergraben. Immer weniger<br />
glauben daran, daß die Regierungspolitik<br />
daran etwas än<strong>der</strong>n kann. Eine<br />
Lin<strong>der</strong>ung des Arbeitslosenproblems<br />
– aber keine Lösung – gäbe es nur<br />
durch Arbeitszeitverkürzung. Aber<br />
nirgendwo ist die Kraft zu sehen, die<br />
eine 30- o<strong>der</strong> 35-Stundenwoche<br />
durchzusetzen vermöchte. Das Gegenteil<br />
ist <strong>der</strong> Fall. Ständig werden<br />
Arbeitszeitverlängerungen diktiert,<br />
und <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>stand reicht nicht, sie<br />
zu verhin<strong>der</strong>n.<br />
Das Finanzdesaster bleibt<br />
Das Hätscheln <strong>der</strong> besitzenden<br />
Klasse, das selbstverständlich unter<br />
<strong>der</strong> neuen Regierung fortgesetzt werden<br />
soll, war nicht nur ein Raubzug<br />
gegen die Arbeiterklasse und alle<br />
nicht besitzenden Schichten. Wie es<br />
gerade beim Kassensturz noch deutlicher<br />
wird: Mit dieser rigorosen Umverteilungspolitik<br />
wurde <strong>der</strong> Staat in<br />
einer Weise ausgeplün<strong>der</strong>t, daß zum<br />
Regieren kaum mehr Gestaltungsmöglichkeiten<br />
bleiben. Ein Privatbetrieb<br />
hätte unter solchen Umständen<br />
schon längst Konkurs angemeldet.<br />
Die neue Merkel-Müntefering-Regierung<br />
wird nicht mehr zu bieten haben<br />
als verwalten, weiterwursteln<br />
und noch mehr zu kürzen als ihre<br />
Vorgänger. Nach einer Umfrage sind<br />
85 Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung <strong>der</strong> Meinung,<br />
daß sich ihre persönlichen Lebensumstände<br />
unter <strong>der</strong> neuen Regierung<br />
nicht verbessern werden.<br />
Nebenbei bemerkt dürften diese triste<br />
Ausgangslage und die schlechten<br />
Aussichten <strong>der</strong> Hauptgrund gewesen<br />
sein, daß Stoiber die Lust am Amt des<br />
Bundeswirtschaftsministers verging.<br />
Mit „Erschrecken“ (Wulff) haben die<br />
Koalitionäre die Größe des Haushaltsdefizits<br />
zur Kenntnis nehmen<br />
müssen. Jede Woche hört man neue<br />
Zahlen. Die Neuverschuldung soll 41<br />
Milliarden Euro betragen. Nun<br />
spricht Steinbrück schon von einem<br />
64 statt 54 Milliarden-Fehlbetrag für<br />
2006. Fest steht, daß die Neuverschuldung<br />
nicht mehr verfassungskonform<br />
ist, worüber sich in <strong>der</strong> Regierung<br />
niemand mehr aufregt – es lebe<br />
<strong>der</strong> Rechtsstaat. Auch die Vorschriften<br />
des EU-Stabilitätspaktes können<br />
erst 2007 eingehalten werden. Das<br />
alles bei einem Schuldenberg unvorstellbaren<br />
Ausmaßes, wo allein <strong>der</strong><br />
Etatposten für Zinszahlungen 15 Prozent<br />
des Haushalts ausmacht. So<br />
steht alles unter dem Diktat <strong>der</strong> leeren<br />
Kassen, die die neoliberalen Parteien<br />
mit ihrer Steuerpolitik selbst<br />
geleert haben. Die Steuereinnahmen<br />
1980 wurden noch zu 26 Prozent von<br />
den Unternehmern aufgebracht. Dieser<br />
Anteil sank 2002 auf 13,4 Prozent.<br />
Hätten wir noch die Steuergesetzgebung<br />
von damals, wären etwa 50 Milliarden<br />
Euro mehr in <strong>der</strong> Kasse. Die<br />
Schrö<strong>der</strong>-Regierung senkte den Spitzensteuersatz<br />
von 52 Prozent auf 42<br />
Prozent und die neue Regierung will<br />
ihn gar auf 19 Prozent senken.<br />
Wi<strong>der</strong>stand gegen die<br />
sozialen Grausamkeiten<br />
ist angesagt<br />
Kurz vor <strong>der</strong> Regierungserklärung<br />
Merkels liegt bereits ein Paket<br />
von Abkassierungsplänen auf dem<br />
Tisch. Als größter Brocken zum Stopfen<br />
<strong>der</strong> Löcher und als Morgengabe<br />
für das Unternehmerlager (Lohnzusatzkosten)<br />
kommt die Mehrwertsteuererhöhung<br />
um 3 Prozent -Punkte<br />
ab 2007. Das trifft die Menschen mit<br />
kleinem Einkommen beson<strong>der</strong>s hart.<br />
Statt den stagnierenden Konsum zu<br />
beleben, wird er 2007 dadurch und<br />
durch den kommenden Sozialabbau<br />
entscheidend geschwächt. Allein die<br />
Mehrwertsteuererhöhung entzieht<br />
im Jahr ca. 24 Milliarden Euro Kaufkraft.<br />
Im Wahlkampf war die SPD<br />
noch dagegen Sturm gelaufen und<br />
hatte die geplante Erhöhung als<br />
„Merkelsteuer“ gebrandmarkt. Aber<br />
nun ist alles an<strong>der</strong>s. Man ist ja nun in<br />
<strong>der</strong> „Knuddel-Koalition“, wie <strong>der</strong><br />
Spiegel sie nennt. Da wird „geherzt,<br />
gelobt, geklatscht“, wobei die Partei-<br />
Aus dem Appell <strong>der</strong> 21<br />
vermögenden Bürger:<br />
„Belasten Sie die Vermögenden, statt<br />
den Arbeitnehmern und Rentnern<br />
weitere Opfer abzuverlangen.“ Es sei<br />
ein Skandal, dass Deutschland die<br />
niedrigste Besteuerung für Reiche<br />
habe. Fasse man die Steuersätze auf<br />
Grundbesitz, Vermögen, Erbschaften<br />
und Schenkungen zusammen, liege<br />
Großbritannien mit einem Anteil von<br />
4,3 Prozent am Brutto-Sozialprodukt<br />
an <strong>der</strong> Spitze vor Frankreich, USA und<br />
Japan. In Deutschland machten die<br />
Steuern für Vermögende nur 0,8<br />
Prozent des Sozialprodukts aus.