Zur Lage der Gruppe - Arbeiterstimme
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24 <strong>Arbeiterstimme</strong><br />
Winter 2005<br />
Das Anwachsen des Faschismus –<br />
Wie<strong>der</strong>holt sich Weimar?<br />
Alltägliche Nazi-Überfälle; Berlin-Neukölln, 30er Jahre<br />
Die Herrschenden<br />
im<br />
Verbund mit den Regierenden<br />
und Meinungsmachern<br />
im Lande<br />
verstehen es außerordentlich<br />
gut, jede zweite<br />
Woche eine an<strong>der</strong>e<br />
Sau durchs Dorf zu treiben.<br />
Eine aufgeregte<br />
Diskussion beherrscht<br />
dann die Szenerie, die<br />
mehr verdeckt als zur<br />
Aufklärung beiträgt.<br />
Das gilt beson<strong>der</strong>s für<br />
neofaschistische Ausschreitungen<br />
und Auftritte<br />
<strong>der</strong> NPD. Ist das Thema<br />
schließlich „ausgelutscht“, fällt es<br />
wie<strong>der</strong> in Vergessenheit. Nichts wird<br />
dann mehr für den gefor<strong>der</strong>ten „Aufstand<br />
<strong>der</strong> Anständigen“ organisiert<br />
und auch die hehre Absicht <strong>der</strong> „institutionalisierten<br />
Demokraten“, sich<br />
„inhaltlich mit <strong>der</strong> NPD auseinan<strong>der</strong><br />
zu setzen“, ist zu den Akten gelegt. Bis<br />
zum nächsten Coup <strong>der</strong> Faschisten.<br />
Die Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> Farce ist garantiert.<br />
Begonnen hatte <strong>der</strong> jüngste<br />
„Demokraten-Streit“ um die NPD<br />
mit einem Stoiber-Interview in <strong>der</strong><br />
Welt, Anfang Februar diesen Jahres.<br />
Dort gab Stoiber <strong>der</strong> Schrö<strong>der</strong>/Fischer-Regierung<br />
die Schuld für die<br />
Wahlerfolge <strong>der</strong> NPD und DVU in<br />
Sachsen und Brandenburg.<br />
„Das ökonomische Versagen<br />
<strong>der</strong> Regierung Schrö<strong>der</strong>, dieses Ausmaß<br />
an Arbeitslosigkeit, bildet den<br />
Nährboden für Extremisten“, sagte<br />
Stoiber in einem Interview mit <strong>der</strong><br />
Süddeutschen Zeitung. Seinen CSU-<br />
Generalsekretär Sö<strong>der</strong> ließ er ins gleiche<br />
Horn blasen. Er warnte vor „Weimarer<br />
Verhältnissen“ und verglich<br />
die <strong>Lage</strong> in Deutschland mit <strong>der</strong> des<br />
Jahres 1932. Schuld an allem sei<br />
Schrö<strong>der</strong>s „Politik <strong>der</strong> faulen Hand“.<br />
Natürlich kamen die Antworten<br />
von Seiten <strong>der</strong> SPD und Grünen<br />
prompt und mit entsprechen<strong>der</strong> moralischer<br />
Empörung. Franz Müntefering<br />
betonte, nicht die Arbeitslosen<br />
würden „die Nazis organisieren und<br />
stärken, son<strong>der</strong>n Leute mit Anzug<br />
und Krawatte und viel Geld“. Er warf<br />
Stoiber vor, er würde die Arbeitslosen<br />
pauschal beleidigen, wenn er ihnen<br />
undifferenziert unterstelle Nazis<br />
zu wählen.<br />
Und versöhnlicher meinte<br />
Müntefering weiter: „Streit unter uns<br />
über sie, das würde den Nazis gerade<br />
so passen“.<br />
Auch an<strong>der</strong>e schlugen auf Stoiber<br />
ein. Heide Simonis, sich gerade<br />
im Wahlkampf befindend, nannte<br />
Stoibers Schuldzuweisungen als einen<br />
„<strong>der</strong> perfidesten Versuche, sich<br />
zu profilieren auf Kosten einer an<strong>der</strong>en<br />
Partei“.<br />
Die Grünen-Vorsitzende Claudia<br />
Roth sprach von einer gefährlichen<br />
politischen Entgleisung des<br />
CSU-Vorsitzenden. Unterstützung<br />
bekamen die empörten Regierungsparteien<br />
vom Präsidenten des Deutschen<br />
Instituts für Wirtschaftsforschung<br />
(DIW), Klaus Zimmermann.<br />
Zimmermann lehnte die Vergleiche<br />
mit Weimar ab. Schon ökonomisch<br />
seien die Parallelen zur heutigen wirtschaftlichen<br />
<strong>Lage</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
„völlig falsch und an den Haaren<br />
herbeigezogen“ (Berliner Zeitung).<br />
Aus <strong>der</strong> oberflächlich geführten<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzung <strong>der</strong> politischen<br />
Parteien ergeben sich gerade für die<br />
marxistische Linke;<br />
eine Reihe wichtiger<br />
Fragen. Eine wesentliche<br />
Frage die sich stellt<br />
ist, ob tatsächlich Vergleiche<br />
mit Weimar an<br />
den „Haaren herbeigezogen“<br />
sind. Weiter ist<br />
die Frage zu klären,<br />
welche Zusammenhänge<br />
bestehen zwischen<br />
<strong>der</strong> ökonomischen<br />
<strong>Lage</strong>, <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />
und dem<br />
Erstarken <strong>der</strong> Faschisten.<br />
Und es ist nicht<br />
zuletzt die Frage, welcher<br />
Voraussetzungen<br />
es bedarf, dass sich Faschisten politisch<br />
durchsetzen.<br />
Ist Berlin Weimar?<br />
Wie Stoiber, machen auch an<strong>der</strong>e,<br />
nicht nur bürgerliche Politiker, die<br />
Gleichsetzung unserer heutigen Zustände,<br />
mit denen <strong>der</strong> Endphase von<br />
Weimar, an <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> absoluten<br />
Arbeitslosenzahlen fest. Die an<strong>der</strong>en<br />
Rahmenbedingungen werden dabei<br />
meist völlig vernachlässigt.<br />
Und es stimmt ja, dass wir uns<br />
mit mehr als 5 Millionen offiziell gezählter<br />
Erwerbsloser immer mehr<br />
den Zahlen <strong>der</strong> 30er Jahre mit dem<br />
damaligen Höchststand von mehr als<br />
6 Millionen nähern. Allerdings ist es<br />
so, dass sich <strong>der</strong> heutige Erwerbslosenhöchststand<br />
über einen Zeitraum<br />
von annähernd 30 Jahren aufgebaut<br />
hat. Auch in Konjunkturphasen<br />
konnte die Massenarbeitslosigkeit<br />
nicht abgebaut werden. Im besten Fall<br />
stagnierte sie eine gewisse Zeit. Aber<br />
von Konjunkturkrise zu Konjunkturkrise<br />
stiegen die Zahlen auf einen<br />
immer größer werdenden Sockel an.<br />
Der Grund für diese strukturelle Arbeitslosigkeit<br />
ist in <strong>der</strong> fortschreitenden<br />
Technikentwicklung zu suchen,<br />
die in den zurückliegenden Jahrzehnten<br />
die Produktivität in den Betrieben<br />
massiv nach oben trieb und die Zusammensetzung<br />
des Kapitals zu Un-