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Zur Lage der Gruppe - Arbeiterstimme

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28 <strong>Arbeiterstimme</strong><br />

Winter 2005<br />

schied sich darin <strong>der</strong> ADGB qualitativ<br />

von <strong>der</strong> eng mit ihm verbundenen<br />

Sozialdemokratie. In vielen Fällen<br />

ging <strong>der</strong> ADGB in seiner Anpassung<br />

und Unterwerfung allerdings noch<br />

weiter als die SPD. Bereits im Jahr<br />

1932 fanden hochrangige Gespräche<br />

mit den Nazis statt, bei denen Möglichkeiten<br />

einer, die NSBO einschließenden,<br />

gemeinsame Organisationsform<br />

sondiert wurden. Im April 1933<br />

schließlich erfolgt an die Nazis das<br />

offizielle Angebot, zusammen mit <strong>der</strong><br />

NSBO eine „Einheitsgewerkschaft“<br />

zu gründen, in <strong>der</strong> man zur Mitarbeit<br />

am nationalen Aufbau „durchaus<br />

bereit“ sei.<br />

Diese Anbie<strong>der</strong>ung geschah zu<br />

einem Zeitpunkt, wo bereits Dutzende<br />

Gewerkschaftshäuser in Deutschland<br />

von den Nazis überfallen und<br />

besetzt waren!<br />

Der Gipfel dieses Opportunismus<br />

aber war, dass trotz des bereits<br />

offen wütenden faschistischen Terrors<br />

gegen die Arbeiterbewegung,<br />

sich die Führer des ADGB nicht<br />

schämten, die Arbeiterschaft zur gemeinsamen<br />

1. Mai-Feier mit den Faschisten<br />

aufzurufen.<br />

Genützt hat es ihnen nichts! Die<br />

Reaktion liebt zwar den Verrat - aber<br />

noch lange nicht den Verräter. Am 2.<br />

Mai 1933 wurden im gesamten Reich<br />

die Gewerkschaftshäuser von den<br />

Nazis gestürmt, die Funktionäre zum<br />

Teil ermordet, in Konzentrationslager<br />

verschleppt und das Gewerkschaftsvermögen<br />

gestohlen.<br />

Es gibt sicher viele Ursachen,<br />

wie es zu dem 1. und 2. Mai 1933<br />

kommen konnte. Eine davon ist mit<br />

Sicherheit die enge organisatorische<br />

Verbundenheit mit <strong>der</strong> Sozialdemokratie<br />

und hier traditionell, bis in die<br />

wilhelminische Zeit zurückreichend,<br />

mit <strong>der</strong>en rechtem Flügel. Während<br />

des I. Weltkriegs unterstützen die<br />

Gewerkschaften, wie die Mehrheit<br />

<strong>der</strong> SPD, den imperialistischen Krieg<br />

und machen sich zum Büttel <strong>der</strong> herrschenden<br />

Klasse.<br />

Die Politiklinie, den bürgerlichen<br />

Staat zu stützen und dadurch selbst zur<br />

staatstragenden Organisation zu werden,<br />

die sich dadurch dessen Anerkennung<br />

„verdient“, wurde während <strong>der</strong><br />

Dauer <strong>der</strong> Weimarer Republik vom<br />

ADGB, trotz aller sozialistischer Programmatik<br />

und Rethorik, vertreten.<br />

Die Folge einer solchen Politik war, dass<br />

die wirtschaftliche Interessenvertretung<br />

<strong>der</strong> Mitgliedschaft nur mit „gebremstem<br />

Schaum“ wahrgenommen<br />

wurde. Das hatte umso größere Folgen<br />

für die Mitglie<strong>der</strong>entwicklung <strong>der</strong> Gewerkschaften,<br />

als die Krisenhaftigkeit<br />

dieser Zeit gewerkschaftliche Erfolge<br />

objektiv außerordentlich schwer machte.<br />

Aber es wäre zu kurz gefasst, die<br />

Erfolglosigkeit alleine auf die objektiven<br />

Umstände zu schieben. Subjektiv<br />

stand einer offensiven Interessenvertretung<br />

das Selbstverständnis <strong>der</strong> Gewerkschaftsbeamten,<br />

wie das damals<br />

hieß, entgegen. So erklärte <strong>der</strong> ADGB<br />

anlässlich <strong>der</strong> Notverordnung vom 20.<br />

Juni 1932:<br />

„Die Gewerkschaften wissen,<br />

dass die Zeit Opfer for<strong>der</strong>t. Aber sie<br />

verlangen im Geist wahrer Volksgemeinschaft<br />

eine sozial gerechte Verteilung<br />

unvermeidbarer Lasten. Ein<br />

Staat, <strong>der</strong> sich in erster Linie zum<br />

Schutz des Besitzes bereit findet, verkennt<br />

seine vornehmste nationale<br />

Aufgabe. ...“<br />

Dieses Anpassen an Zwänge,<br />

hervorgerufen durch die bürgerliche<br />

Politik, zeigt sich durchgängig bei allen<br />

einflussreichen Spitzenfunktionären<br />

des ADGB und <strong>der</strong> ADGB-Gewerkschaften,<br />

die schließlich dazu<br />

führt, dass sie sich dem Diktat ihrer<br />

Feinde unterwerfen. Der Vorsitzende<br />

des Holzarbeiterverbandes und SPD-<br />

Reichstagsabgeordneten Fritz Tarnow<br />

bringt es auf einem SPD-Parteitag<br />

nach dem Jahr 1930 auf den<br />

Punkt. Die Rolle <strong>der</strong> Gewerkschaften<br />

sieht Tarnow als „Arzt am Krankenbett<br />

des Kapitalismus“.<br />

Anstelle von Klassenkampf um<br />

eine sozialistische Alternative, bedeutete<br />

das die kampflose Hinnahme <strong>der</strong><br />

Politikvorgaben <strong>der</strong> Bourgeoisie. Die<br />

Gewerkschaftsspitzen konnten sich<br />

nicht zuletzt eine solche Politik auch<br />

deshalb leisten, weil <strong>der</strong> Einfluss <strong>der</strong><br />

KPD durch ihre linksradikalen Politkapriolen<br />

ab dem Jahre 1924 nur noch<br />

marginal vorhanden war. In selbstverursachter<br />

Isolation konnte die Partei<br />

nur noch von außen dem ins Verhängnis<br />

führenden Kurs des ADGB,<br />

zuschauen.<br />

Diese Gewerkschaftspolitik hatte<br />

zur Folge, dass nach <strong>der</strong> Novemberrevolution<br />

1918, die in Millionen<br />

gehende, neugewonnene Mitgliedschaft<br />

den Gewerkschaften davonlief.<br />

So verlor beispielsweise <strong>der</strong> DMV<br />

von seinen 1,6 Millionen Mitglie<strong>der</strong>n<br />

des Jahres 1922 bis Ende 1932 alleine<br />

eine knappe Million. Offensichtlich<br />

galt damals bereits, was auch noch<br />

heute gilt: Werktätige benötigen keine<br />

Gewerkschaft, die erfolglos ist.<br />

Zum Lohnabbau und Verzicht brauchen<br />

sie keine Organisation, und<br />

mögen noch so viele objektive Ursachen<br />

für den fehlenden Erfolg verantwortlich<br />

sein.<br />

Hier schließt sich auch <strong>der</strong> Kreis<br />

mit dem Jahr 2005. Die heutige <strong>Lage</strong><br />

<strong>der</strong> Gewerkschaften, insbeson<strong>der</strong>e<br />

die katastrophale Mitglie<strong>der</strong>entwicklung<br />

hat neben <strong>der</strong> Schwierigkeit, in<br />

Krisenzeiten erfolgreiche Tarifpolitik<br />

zu betreiben, auch etwas mit falscher<br />

Politik zu tun. Sie selbst sind immer<br />

tiefer in die Sackgasse geraten. Seit<br />

1995 haben die Gewerkschaften an<br />

runden Tischen bei Bündnissen für<br />

Arbeit mitgewirkt. Sie haben sich <strong>der</strong><br />

Illusion hingegeben, wie weiland ihre<br />

Vorgängerorganisationen <strong>der</strong> Weimarer<br />

Republik, im „Geiste wahrer<br />

Volksgemeinschaft“ mit Staat und<br />

Kapital zu „sozial gerechten Lastenverteilungen“<br />

zu kommen. Natürlich<br />

wurden sie über „die runden Tische“<br />

gezogen. Wenn etwas herausgekommen<br />

ist, dann sind es einschneidende<br />

Verschlechterungen für die Werktätigen.<br />

Weitere davon stehen auf <strong>der</strong><br />

Tagesordnung. Sozialabbau und<br />

Lohnraub ist Programm. Konkretisiert<br />

wird das jetzt nach <strong>der</strong> Bundestagswahl<br />

in den stattfindenden Koalitionsverhandlungen.<br />

Zwar ist die wahrscheinlich<br />

„härtere Form“ in Gestalt von

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